Angehörige des taiwanesischen Militärs.

Foto: Reuters / Ann Wang

Taipeh/Peking/Tokyo – Taiwan verlängert die Wehrpflicht. Wegen der zunehmenden Bedrohung durch China werde der Dienst von vier Monaten auf ein Jahr verlängert, sagte Präsidentin Tsai Ing-wen am Dienstag bei einer Pressekonferenz. "Solange Taiwan stark genug ist, wird es die Heimat von Demokratie und Freiheit in der ganzen Welt sein und nicht zu einem Schlachtfeld werden", sagte Tsai. Taiwan wolle Frieden, müsse sich aber verteidigen können.

China betrachtet Taiwan als Teil der Volksrepublik. Die Spannungen haben sich nach dem Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im Sommer verschärft. China hatte dies als provokative Unterstützung Taiwans bezeichnet und als Reaktion im August ein großes Militärmanöver rund um die Insel abgehalten. In den vergangenen Monaten sind zudem wiederholt chinesische Flugzeuge in den Luftraum von Taiwan eingedrungen. Erst am Montag hatte das Land die größte Grenzverletzung der chinesischen Luftwaffe gemeldet.

Verlängerte Pflicht für nach 1. Jänner 2005 geborene Männer

"Wir haben beschlossen, den einjährigen Wehrdienst von 2024 an wieder einzuführen", sagte Tsai nach einer Kabinettsitzung zur nationalen Sicherheit am Dienstag. Als Grund gab sie an, dass Chinas "Einschüchterungen und Drohungen gegen Taiwan" immer "offensichtlicher" würden. Der derzeitige viermonatige Militärdienst reiche nicht aus, um "der schnellen und sich ständig ändernden Situation gerecht zu werden", sagte Tsai. Die verlängerte Pflicht gelte für Männer, die nach dem 1. Jänner 2005 geboren wurden.

Das derzeitige Militärsystem, einschließlich der Ausbildung von Reservisten, sei ineffizient und unzureichend, um mit Chinas wachsender militärischer Bedrohung fertig zu werden, erklärte Tsai. Wehrpflichtige erhielten nun eine intensivere Ausbildung, einschließlich Schieß- und Kampfübungen, wie sie auch von US-Streitkräften verwendet werden. Zudem würden sie für den Einsatz stärkerer Waffen wie etwa Stinger-Flugabwehrraketen und Panzerabwehrraketen trainiert. Tsais Sicherheitsstab, dem hochrangige Vertreter des Verteidigungsministeriums und des Nationalen Sicherheitsrates angehören, hat Taiwans Militärsystem bereits seit 2020 überprüft, wie ein mit der Sache vertrauter Beamter erläuterte.

Auch am vergangenen Wochenende hielt China wieder eine große Militärübung in der Region ab. Es handle sich um eine "entschlossene Antwort" auf "die aktuelle Eskalation und Provokation" der Vereinigten Staaten und Taiwans, hieß es. Der US-Kongress hatte am Freitag den Etat der Regierung verabschiedet, der auch neue Unterstützung für Taiwan vorsieht.

Wehrpflicht einst unbeliebt

Die Wehrpflicht war einst äußerst unbeliebt in Taiwan. Mit dem Ziel, eine überwiegende Freiwilligen-Armee zu schaffen, hatte die vorherige Regierung den Dienst von einem Jahr auf vier Monate verkürzt. In aktuellen Umfragen zeigen sich mehr als drei Viertel der Befragten überzeugt, dass dies zu kurz sei.

Chieh Chung, Forscher bei der National Policy Foundation, einer in Taipeh ansässigen Denkfabrik, schätzt, dass mit der Verlängerung der Wehrpflicht die Zahl der Soldaten in der Armee Taiwans um 60.000 bis 70.000 Soldaten von derzeit 165.000 erhöht wird.

Japan rüstet auf Insel vor Taiwan auf

Japan hat unterdessen angekündigt, eine Einheit zur Boden-Luft-Abwehr auf der Insel Yonaguni nahe Taiwan einzusetzen. Das berichtete die Agentur "Jiji News" am Dienstag. Erst im Dezember hatte Japan Aufrüstungspläne im Volumen von 320 Milliarden US-Dollar bekanntgegeben. (APA, red, 27.12.2022)