Laut Sozialministerium profitieren 150.000 Personen vom Gehaltszuschuss. Vielen bleibt dieser aber verwehrt.

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Er sollte einer der großen Eckpfeiler der türkis-grünen Pflegereform werden: der Gehaltszuschuss, den das Pflegepersonal dieser Tage erhält. Das Ziel der als "15. Gehalt" angekündigten Maßnahme war klar: monetäre Wertschätzung, um den Pflegeberuf wieder attraktiver zu machen. Doch wirklich wertgeschätzt dürften sich viele Berufsgruppen – darunter Hebammen, Sozialpädagogen und auch 24-Stunden-Betreuerinnen – derzeit nicht fühlen: Ihnen bleibt der Zuschuss von 2.000 Euro brutto verwehrt. Sogar bei jenen, die das Gehaltsplus bekommen, sorgt das für Unmut.

Und dieser ist im Bereich der Behindertenarbeit besonders groß: Hier treffen Mitarbeiter, die den Bonus bekommen, auf Kolleginnen und Kollegen, die bei diesem durch die Finger schauen. Denn Sozialpädagogen steht der Zuschuss nicht zu, auch wenn sie pflegerische Tätigkeiten übernehmen – und dafür sogar eine Zusatzausbildung vorweisen müssen. Diese scharfe Trennung beim Berufsbild führt dazu, dass bei Jugend am Werk 60 Prozent aller Mitarbeiter den Zuschuss nicht erhalten. Im Team mache das ein "komisches Gefühl", sagt eine Behindertenbetreuerin im Ö1-"Morgenjournal".

Habit: "Gift fürs Teamgefüge"

Dass gleiche Arbeit nicht gleich honoriert wird, kritisiert auch Roland König vom Haus der Barmherzigkeit (Habit). Von insgesamt 450 Mitarbeitern würden 80 Personen den Zuschuss nicht bekommen, sagt er im STANDARD-Gespräch. "Die Tatsache, dass diese Personen die gleiche Arbeit leisten und nur wegen ihrer Berufszugehörigkeit nichts bekommen, ist eine dramatische Ungerechtigkeit." Da der Behindertenbereich vom Zusammenhalt lebe, sei das außerdem "Gift fürs Teamgefüge".

Am Mittwoch schloss sich Caritas-Präsident Michael Landau auf Twitter der Kritik an: Damit eine an sich sinnvolle Maßnahme nicht faktisch zum Gegenteil verkommt, gehöre das Gesetz nachgebessert, schreibt Landau.

Was auffällt: Es wäre nicht das erste Mal, dass nachgebessert wird. In einem ersten Entwurf wäre der Zuschuss Heimhilfen und Behindertenbegleitern völlig vorenthalten geblieben. Erst nach der Begutachtung im Juli hatten ÖVP und Grüne den Berufskreis ausgeweitet – und das Paket von 520 auf 570 Millionen Euro erhöht. Im nächsten Jahr sollen die 2.000 Euro brutto monatlich aufgeteilt überwiesen werden. Doch diese Nachbesserung, die auch jetzt wieder viele nicht berücksichtigt, ist nicht das Einzige, was beanstandet wird: Eigentlich sei stets von 2.000 Euro netto die Rede gewesen; nach allen Abzügen würden aber nur 1.000 Euro übrigbleiben, kritisiert Wolfang Bamberg von Jugend am Werk auf Ö1.

Ministerium: Gesetz definiert Berufe klar

Aber was sagt das Ministerium zu dieser Ungleichbehandlung und der Kritik daran? Ihnen sei bewusst, dass die Abgrenzung nach Berufsgruppenzugehörigkeit für Diskussionen sorgen könnte, schreibt dazu der Sprecher. Es handle sich hierbei jedoch um einen ersten Schritt, um dem Mangel im Langzeitpflegebereich entgegenzuwirken. Und das Gesetz definiere eben klar, wer in diesen Personenkreis falle. Zuschüsse für weitere Berufsgruppen seien derzeit jedenfalls nicht vorgesehen, heißt es auf Rückfrage.

Aus diesem Grund setzt das Haus der Barmherzigkeit nun selbst auf einen einmaligen Teuerungsbonus für jene Mitarbeiter, die nichts bekommen – auch um Entspannung in die Teams zu bringen. Wie hoch dieser ausfallen wird, will König aber nicht sagen. Nur so viel: "Ganz so hoch wird er leider nicht sein können." (Elisa Tomaselli, 28.12.2022)