Megan Thee Stallion fühlte sich beim Prozess gegen ihren Angreifer Tory Lanez, als stünde sie selbst vor Gericht.

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Im Jahr 2020 war Megan Thee Stallion in aller Munde. Als die 1995 in Houston geborene Rapperin mit Cardi B. den Song "WAP" veröffentlichte, eine in Wort und Bild sehr explizite Ode an die feuchte Vulva, bekam das prüde Amerika erst mal einen Herzinfarkt. Jetzt, wo es darum geht, dass ein Rap-Kollege die mehrfache Grammy-Gewinnerin angeschossen hat, sind die Schlagzeilen rar. Und wenn es sie gibt, voller Spekulationen, Unterstellungen und Falschmeldungen.

Dabei ereignete sich der Vorfall im selben Jahr: Am 12. Juli 2020 befand sich Stallion, die den Namen "Hengst" aufgrund ihrer imposanten Physis stolz trägt, unter anderem mit dem kanadischen Rapper Tory Lanez im Auto, auf dem Rückweg von einer Party von Kylie Jenner. Es kommt zum Streit, sie will aussteigen. Ihren Angaben zufolge fordert er sie zum Tanzen auf – mit einer geladenen Waffe in der Hand, die er mehrmals abdrückt. Eine Kugel trifft ihren Fuß.

Polizeigewalt 2020

"Als die Polizei kam, hatte ich Angst", sagt Stallion. Damals gab sie zunächst an, auf Glasscherben getreten zu sein. Im selben Jahr waren George Floyd und Breonna Taylor durch Polizeigewalt getötet worden. Stallion fürchtete die Folgen, die die Wahrheit für alle Beteiligten haben könnte. "Ich habe es der Polizei nicht sofort gesagt, weil ich nicht sterben wollte." Drei Tage später gibt sie an, dass sie angeschossen wurde. Später nennt sie auch den Namen Tory Lanez.

Danach macht man sich öffentlich über sie lustig, stellt sie als Lügnerin dar, unmissverständlich etwa im Song "Circo Loco" von Rapper Drake (This bitch lie 'bout getting shots, but she still a stallion). Sein Kollege 50 Cent vergleicht Stallion mit US-Schauspieler Jussie Smollett, der einen rassistisch motivierten Angriff erfunden hatte. Dabei bestätigte der Arzt, der Stallion nach dem Vorfall operiert hatte, dass sie eine Schusswunde erlitten hatte. Bei Tory Lanez wurden Schmauchspuren festgestellt.

Victim-Blaming

Im Prozess geht es dennoch explizit um Stallion, ihre Sexualpartner, ihr Verhalten unter Alkoholeinfluss, ob sie aggressiv sei. Victim-Blaming, das viele Gewaltopfer immer wieder über sich ergehen lassen müssen, im Fall einer schwarzen Frau aber noch einmal stärker ausgeprägt ist, weil das rassistische Klischee der wilden, unzähmbaren Wesen mit ausgeprägtem Sexualtrieb immer noch verbreitet ist. Ein Klischee, mit dem Stallion, die vergangenes Jahr auch noch ihren Uni-Abschluss in Gesundheitsmanagement machte, in ihren Songs spielt – ihre Künstlerinnenpersona steht aber nicht vor Gericht. Sie selbst steht gar nicht vor Gericht, sondern Lanez.

Der 30-Jährige wird schließlich schuldig gesprochen, am 27. Jänner soll das Strafmaß verkündet werden. Für Megan Thee Stallion wird das Trauma bleiben. Vor Gericht sagte sie: "Ich wünschte, er hätte mich einfach getötet, wenn ich gewusst hätte, dass ich diese Tortur durchmachen muss." (Noura Maan, 28.12.2022)