Matthias Mayer schnallt seine Rennlatten völlig unerwartet ab.

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Mayer mit seiner Ausbeute von Olympia in Peking.

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In Kitzbühel hatte er 2017 den Super-G und 2020 in der Abfahrt gewonnen.

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Nun heißt es für den Kärntner von der Weltcupbühne Abschied nehmen.

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"Warum soll ich wie ein Trottel mit den anderen hinunterfahren?", hat Matthias Mayer am Donnerstag in den Neun-Uhr-Nachrichten des ORF frei nach Niki Lauda nicht gesagt. Drastische Worte, wie sie die Formel-1-Legende Ende September 1979 während des Trainings zum Großen Preis von Kanada anlässlich seines Rücktritts fand, hätten zum 32-jährigen Kärntner auch nicht gepasst. "Ich habe heute meine letzte Besichtigung gemacht, und das reicht mir. Ich habe nicht mehr so den Biss", sagte der dreimalige Olympiasieger zweieinhalb Stunden vor dem Super-G in Bormio, den dann der Schweizer Marco Odermatt deutlich vor Abfahrtssieger Vincent Kriechmayr gewinnen sollte.

Heim nach Afritz

Da war Mayer schon auf dem Heimweg nach Afritz am See, heim zur Familie, die nicht eingeweiht gewesen sein soll. Zurück blieb ein zum Teil regelrecht geschockter Weltcupzirkus. Die offiziellen Reaktionen wären da und dort auch als Nachrufe durchgegangen. Roswitha Stadlober, die Präsidentin des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), der einen heißen Medaillenkandidaten für die anstehende WM in Courchevel/Méribel verloren hatte, würdigte den "Ausnahmekönner auf der Piste", der nicht nur in sportlicher Hinsicht ein Vorbild gewesen sei. "Mit seiner bescheidenen und bodenständigen Art war er sowohl bei seinen Teamkollegen als auch bei den Fans beliebt. Wir können nur Danke sagen, für die vielen magischen Momente, die er uns beschert hat."

Kollege und Konkurrent Kriechmayr nannte Mayer einen "gewaltigen Typen, einen Teamleader – wir werden ihn schmerzlich vermissen". Herbert Mandl, den Alpinchef des ÖSV, habe es "fast aus dem Sessel gehauen. Die Lücke, die er im Team hinterlässt, ist riesengroß und wird auch so rasch nicht geschlossen werden."

Für Abfahrtstrainer Sepp Brunner war der Rücktritt "eine brutale Überraschung, aber für ihn wird es die richtige Entscheidung sein, und das müssen wir so nehmen, wie es ist. Er ist einer der größten Skifahrer, das muss man ganz ehrlich sagen. Ein Vorzeigesportler, einer der die Gruppe geführt hat und auch immer für die jungen Athleten da war."

Die Ursachenforschung scheiterte schon im Ansatz an Mayers relativer Verschwiegenheit. "Ich wollte das schon immer machen, spontan aufhören. Ich brauche keinen fixen Grund dafür", sagte der Sieger von elf Weltcuprennen dem konsternierten TV-Moderator Rainer Pariasek. Wie es weitergehe, was er vorhabe, wollte der noch wissen. "Leben", sagte Mayer.

Pech des Sponsors

Die Abfahrt am Mittwoch hatte der Doyen der österreichischen Abfahrt offiziell wegen Magen-Darm-Problemen verpasst. Am Donnerstag besichtigte er noch den Super-G-Kurs auf der Stelvio – sehr flott, wie Rainer Salzgeber aufgefallen war. Dem Rennsportleiter von Head, dem in Mayer nach dem Schweizer Beat Feuz, der nach Kitzbühel aufhört, urplötzlich ein zweites Zugpferd abhandenkommt, war vielleicht als Einzigem ein gewisser Unmut anzumerken. Der Skisport werde auch ohne Mayer weitergehen, sagte der Vorarlberger, ehe er zu einer Würdigung ansetzte.

Dass Matthias Mayer nicht die ganz große Bühne zum Abschied wählte, etwa Kitzbühel, passt ebenso zu ihm wie das Timing. Freilich hatte er vor der Saison eine erste WM-Medaille als großes Ziel genannt. Auch eine Kristallkugel fehlte ihm noch. Nach den Olympiasiegen in Sotschi (Abfahrt), Pyeongchang und Peking (jeweils Super-G) war der Erfolgshunger aber offenbar gestillt. Mayer geht auch nicht als Chancenloser, wie jüngst die dritten Plätze im Super-G von Lake Louise und der ersten Abfahrt von Gröden zeigten. "Ich bin topfit, natürlich könnte ich noch lange weiterfahren, aber es reicht mir einfach", sagte er selbst. "Ich habe den Skisport irrsinnig geliebt, ich habe es gern gemacht, bin aber jetzt zufrieden, dass es so ist."

Weltcup-Dominator Odermatt verbot sich nach seinem Erfolg in Bormio jegliche Spekulation und fand Abschiedsworte, die Mayer ein Lächeln ins Gesicht zaubern dürften: "Wir haben vor zwei Tagen noch gemütlich ein Bier getrunken. Obwohl er ein Österreicher ist, hab ich ihn immer gern mögen." (Sigi Lützow, 29.12.2022)