Bürgerinitiativen eilt ein gewisser Ruf voraus: nervig, uneinsichtig, unverbesserlich. Dabei ist das bürgerliche Lästigsein, um bestimmte Initiativen durchzusetzen beziehungsweise auf Missstände aufmerksam zu machen, seit dem 19. Jahrhundert in Österreich verfassungsrechtlich geschützt. Heute braucht man 500 Unterstützungserklärungen, um eine parlamentarische Bürgerinitiative für Belange in der Bundesverwaltung zu starten. Aktuell sind auf der Website des Parlaments 53 entsprechende Bürgerinitiativen gelistet, bei 16 davon gibt es online die Möglichkeit, sich aktiv zu beteiligen oder sie zu bewerten.
Pflege- und Sozialberufe
Mit Abstand die meisten Zustimmungen, nämlich 18.463, gibt es derzeit für die Bürgerinitiative "Achtung Gesundheit! – Es ist 5 nach 12", die mehr Personal, bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen sowie mehr finanzielle Ressourcen in Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen fordert. Hinter der Petition stehen unter anderen Gewerkschaften sowie die Wiener Arbeiterkammer und Ärztekammer. In den Stellungnahmen beschreiben viele beruflich Betroffene drastische Zustände in Kliniken und Pflegeheimen. Die Petition hat es in den zuständigen Parlamentsausschuss geschafft, wurde aber zuletzt vertagt. Das Thema an sich ist aber ohnehin ein heißes Eisen in der aktuellen Politik.
Bildung für alle Kinder
Auch die breit angelegte Initiative "Recht auf Bildung für alle Kinder", die sich für ein 11. und 12. Schuljahr für Kinder mit Behinderung einsetzt, wird von einer gleichnamigen parlamentarischen Bürgerinitiative begleitet. Auch hier gibt es mit mehr als 12.000 Klicks rege Zustimmung.
Vegane Truppenverpflegung
Dass zuständige Stellen Anliegen der Bürgerinitiativen ernst nehmen, beweisen offizielle Reaktionen wie zum Beispiel die des Verteidigungsministeriums zur Petition mit dem etwas sperrigen Titel "Bereitstellung einer rein pflanzlichen, wahlweisen Verpflegungsoption im Bundesministerium für Landesverteidigung". Das Bundesheer antwortete, man halte sich bei der Truppenverpflegung an die Empfehlung der Nationalen Ernährungskommission, "die eine vollwertige Ernährung in Form einer Mischkost vorsehe". Ab 2023 soll es aber täglich einen sogenannten Klimateller geben, auf dem "speziell saisonale Produkte aus heimischer Erzeugung unter Reduktion beziehungsweise Weglassung von Fleisch beziehungsweise Fleischanteilen" serviert werden. Ein durchgehend veganer Speiseplan sei nicht möglich.
Lizenz für Verbandsklagen
Spannend wird es für die Initiatoren der Bürgerinitiative "Verbandsklage-Befugnis iS des § 29 KSchG für den Verein 'COBIN claims'". Dahinter verbirgt sich ein Verein, der sich um die Genehmigung für Verbandsklagen in Zivilrechtssachen bemüht – so wie sie zum Beispiel der Verein für Konsumenteninformation hat. Das Justizministerium teilt mit, dass diese Entscheidung, vorausgesetzt, alle bürokratischen Hürden seien erfüllt, eine politische sei.
Sorge um den Wienerwald
Zur Bürgerinitiative "Rettet den Wienerwald" gibt es hingegen noch keine offizielle Online-Stellungnahme von ganz oben, aber immerhin 163 Likes. Außerdem haben schon vor Einbringung mehr als 2.600 Menschen dafür unterschrieben, dass der Biosphärenpark Wienerwald am Stadtrand der Bundeshauptstadt erhalten bleibt.
Kennzeichen für E-Bikes
Eine der jüngsten parlamentarischen Bürgerinitiativen ist "Kennzeichnung von E-Bikes als Motorkraftfahrzeuge!". Sie wurde knapp vor Weihnachten im Semmering-Gebiet geboren. Dem Initiator machen E-Mountainbikes Sorgen, "die mit immer stärkeren Energiespeichern auf den Markt kommen", immer schneller würden und deren Fahrer und Fahrerinnen immer mehr in alpine Gebiete vordringen, wo sie eigentlich gar nicht fahren dürften. Die 600 Unterschriften starke Bürgerinitiative fordert Kennzeichen für E-Bikes, außerdem eine verpflichtende E-Bike-Haftpflichtversicherung. Bisher gab es online eine einzige Zustimmung, den Sprung in den Bürgerinitiativen-Ausschuss hat die Petition aber geschafft.
Ausschuss entscheidet über weiteres Vorgehen
Dieser Ausschuss im Nationalrat entscheidet über das weitere Vorgehen bei den bürgerlichen Anliegen, die immer schriftlich eingebracht werden müssen. Er kann fachlich zuständige Abgeordnete damit befassen, Ministerien zu Stellungnahmen auffordern, Hearings mit Expertinnen und Experten veranstalten oder die Initiative an die Volksanwaltschaft weiterleiten. Wenn das Parlament gar nicht zuständig ist, weil das Anliegen zum Beispiel in die Länderkompetenz fällt, wird es nicht behandelt. Dann müssen Bürgerinitiativen woanders lästig werden. (Michael Simoner, 01.01.2023)