Lehrkräfte müssen sich mit der KI-App auseinandersetzen – auch im verschlafenen Österreich, sagt der Lehrer Bernhard Gmeiner im Gastkommentar.

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Hausübung machen mit KI-Unterstützung? Neue Entwicklungen haben auch Einfluss auf den Unterricht.
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Die Fähigkeit von Tools wie Chat GPT, Antworten auf textbasierte Anfragen zu generieren, als wären sie von Menschen geschrieben, lässt Nutzerinnen und Nutzer mit Staunen, Begeisterung und Beängstigung zurück. Die Frage, die ich mir als Lehrer stelle, ist: Wie wird der österreichische Bildungssektor auf diese Entwicklung reagieren? Eines ist klar: Das Aufkommen von frei zugänglicher künstlicher Intelligenz wird das Leben von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern grundlegend verändern.

"Es ist wichtig zu beachten, dass KI nur ein Werkzeug ist und immer von menschlichen Lehrern überwacht und gesteuert werden sollte."
Entwarnung für Lehrkräfte: Chat GPT will sie nicht ersetzen. (Wir fragten die App: Wie hilft künstliche Intelligenz in der Schule?)

Eine kurze Analyse der Chancen und Risiken bietet sich an. Jugendliche haben die Möglichkeit, das Tool beim Schreiben von Hausübungen, als kreative Unterstützung bei Texten, als enorme Hilfestellung bei den Vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) und bei Textaufgaben in Mathematik, als Editing-Tool oder bei individualisiertem Lernen zu verwenden. Lehrerinnen und Lehrer werden Chat GPT als Tool für Aufgabenstellungen und Zusammenfassungen, als Methodenratgeber, Korrekturhilfestellung, Generator für Schreibaufträge, Hilfsmittel für das Leseverstehen oder als Vokabeltrainer verwenden. Der Umfang an Anwendungsbereichen ist faszinierend.

Gleichzeitig birgt KI-unterstütztes Lernen und Lehren einige Risiken. Die größte Sorge ist derzeit sicher, dass künstliche Intelligenz zum Betrug oder Plagiat verwendet werden könnte. Eine weitere Befürchtung ist, dass Chatbots zum Teil falsche oder irreführende Informationen bereitstellen. Allein diese beiden Punkte könnten die VWA oder schriftliche Hausübungen ad absurdum führen.

Fehlende Debatte

Bildungsexpertinnen und -experten in den USA, Großbritannien und Skandinavien melden sich schon lautstark zu Wort, und aus Deutschland hört man, dass an Schulen schon pädagogische Konferenzen dazu stattfinden. Im verschlafenen Österreich wartet man derzeit noch vergeblich auf konkrete Antworten. Von ein paar bloggenden Kolleginnen und Kollegen und einem reichweitenstarken Tweet von ZiB 2-Anchor Armin Wolf ("Wird sehr viele VWAs in den nächsten Jahren dramatisch verbessern") abgesehen gibt es bislang wenige konkrete Antworten darauf, wie man mit KI in der Schule umgehen sollte. Dabei gibt es mehrere Szenarien:

· Angsthase Abwarten und schweigen, in der Hoffnung, dass sich das Problem von selbst löst.

· Blockade Ich habe in meinem Lehrerinnen- und Lehrerzimmer schon den Satz "Gut, dann fordere ich alles nur noch handschriftlich von den Kids ein" gehört. Auch die Idee, im Schul-WLAN Websites wie chat.openai.com zu blockieren, ist keine konstruktive Lösung des Problems. Die Jugendlichen werden die Plattform in der Freizeit nutzen.

· Zugang Konkret mit den Schülerinnen und Schülern über den Einsatz von Chatbots sprechen und sie als Plattform mit Mehrwert in den Unterricht integrieren. Das Tool als Teil der Zukunft annehmen und adaptieren.

· Monetarisierung Chat GPT ist keine Open-Source-Anwendung und wird wohl bald monetarisiert werden und dadurch nicht mehr so frei zugänglich sein. Dies wird jedoch die bereits bestehende soziale Kluft in der Schule noch mehr verstärken.

Es gibt also viele Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, wenn es darum geht, wie man mit Chatbots im Bildungsbereich umgeht. Es ist wichtig, dass Bildungseinrichtungen und Entscheidungsträgerinnen und -träger angemessene Richtlinien und Vorkehrungen entwickeln, um sicherzustellen, dass künstliche Intelligenz auf eine Weise verwendet wird, die für Schülerinnen und Schüler sicher und von Nutzen ist. In Anbetracht der enorm schnellen Entwicklung in diesem Sektor sollte klar sein: Diese bildungsrelevanten Gespräche müssen heute und nicht morgen geführt und Entscheidungen zeitnah getroffen werden. (Bernhard Gmeiner, 30.12.2022)