Das Land geht vor die Hunde, und Little Simz gibt trotzdem nicht klein bei: keine Gnade für die Bösen.

Nwaka Okparaeke

Für ihr Album Sometimes I Might Be Introvert erhielt Simbiatu Abisola Abiola Ajikawo alias Little Simz heuer verdient den Mercury Prize für das beste britische Album des Jahres. Sie konnte sich damit gegen Großkaliber wie Harry Styles durchsetzen. Jetzt legt die 28-jährige Frau aus dem Nordlondoner Stadtteil Islington mit dem Album No Thank You eine Arbeit nach, die die Qualität des Vorgängers locker bestätigt. Das bedeutet, dass Little Simz auf musikalisch höchstem Niveau schlechte Laune aufgrund der allgemeinen Lebensumstände hat, allerdings in keiner Sekunde dazu bereit ist, klein beizugeben.

Sometimes I Might Be Introvert war durchzogen von existenziell erschöpfenden Selbstzweifeln und der orientierungslosen Wut über die Ermordung ihres Freundes, des Models Harry Uzoka, der 2018 von einem Kollegen erstochen wurde. Nun hat Little Simz auf No Thank You diese dunklen Energien mit kräftigem und rüdem Straßenakzent nach außen gewendet.

Little Simz

No Thank You wird auf dem Album ergänzt durch das Stück No Merci. Allerdings spricht sie das französische Wort für "Danke" als englisches "mercy" aus. Es bedeutet also auch: "keine Gnade". Und trotz ihres Mercury-Preises ist Little Simz nicht nur stinksauer über den zunehmenden Zerfall der britischen Gesellschaft und des Sozialsystems, über Verelendung und die allgemeine Entsolidarisierung. Little Simz ist auch sauer auf die Industrie, in der sie glaubte, souverän durchstarten zu können, obwohl das meiste Geld von den Shareholdern ihrer Plattenfirma eingestrichen wird.

In der ersten Angriffswelle des Albums heißt es im Stück Angel: "They don't care if your mental is on the brink of something dark / As long as you're cutting somebody's payslip / And sending their kids to private school in a spaceship".

"Danke schön, es war bezaubernd" von Peter Alexander wird es also auch in Stücken wie Gorilla, Heart on Fire oder Broken definitiv nicht spielen. Eine gehörige Portion Orchesterschmelz aus der goldenen Zeit der Unterhaltungsshows am Samstagabend ist aber dabei.

Produziert hat das Album wieder ein alter Spezi von Little Simz. Inflo alias Dean Josiah Cover ist der Mann hinter dem britischen Soulsänger Michael Kiwanuka. Er sorgt aktuell auch dafür, dass sich Adele nicht um ihre Einkünfte bezüglich ihrer Bekenntnisschlager Woman Like Me oder Love Is a Game sorgen muss.

Musikalisch bestechend

Erst im November hat der öffentlichkeitsscheue Produzent als Sault gleich fünf Alben gleichzeitig ins Netz gestellt. Musikalisch bestechend dabei ist die Mischung aus Breakbeat- und Rumpelbass-Hip-Hop, Gospel, Soul, Funk, symphonischem Schmalz und Engelschören im Seventies-Retro-Sound.

Ohne jede Vorankündigung, ohne böse Plattenfirma im Hintergrund und ohne Rücksicht auf Verluste hat nun auch Little Simz ihr Album digital veröffentlicht. Ihr gestreckter Mittelfinger wird zauberhaft von den Klängen Saults konterkariert: "Everybody here gettin' money off my name / Irony is, I'm the only one not gettin' paid". Dampf ablassen mit guter schlechter Laune. (Christian Schachinger, 30.12.2022)