Angelika Schnell (Ursula Strauss) hat ihren Job bei der Polizei verloren und wagt einen Neuanfang. Ab Montag in ORF 1.

Foto: ORF/MR Film / Petro Domenigg

Der Dreh von "Schnell ermittelt" ist in der Erinnerung von Ursula Strauss schon gar nicht mehr wahr. Der erste Drehtag fiel mit dem ersten bundesweiten Lockdown im zusammen. Keiner habe gewusst, wie es weitergehe. Alles habe sich irreal angefühlt. Nach mehrwöchiger Pause entstanden dann aber doch weitere Folgen der Erfolgsserie um die Ermittlerin Angelika Schnell. Der ORF zeigt sie ab 9. Jänner. Inhaltlich hat sich einiges getan, aufgrund ihrer Vergangenheit musste Schnell den Polizeidienst aufgeben. Sie steht ohne Job und ohne Einkommen auf der Straße. Ein neuer Anfang muss gemacht werden. Wie immer strauchelt und stolpert die TV-Ermittlerin. Aber sie fällt nicht.

STANDARD: Nach 15 Jahren, sechs Staffeln, vier Filme und jetzt wieder neue Folgen – so lange hält sich heute kaum noch eine Serie. Was hat "Schnell ermittelt" richtig gemacht?

Strauss: Das hat damit zu tun, dass der ORF und die Produzenten so flexibel waren, Experimente zuzulassen und Pausen erlaubten. Wir haben keinen Druck und müssen nicht zwanghaft jedes Jahr eine neue Staffel herausschießen. Wir arbeiten an jeder Szene ganz genau und sind offen für alles, auch zu improvisieren. Dazu hatten wir von Anfang an als Cast Mitspracherechte und durften unsere Figuren mitgestalten, waren also nie bloß Ausführende.

STANDARD: In den rund 15 Jahren hat Angelika Schnell einiges mitmachen müssen. Wie hat sie das verändert?

Strauss: Angelika Schnell hat ihren Job verloren, ihr Sohn sitzt im Gefängnis. Sie fängt bei Null an, ein kompletter Neustart, aber sie lässt sich nicht unterkriegen. Sie hat Schmerz erlebt, der ist noch immer da, aber dieser Schmerz darf heilen. Die Staffel ist die Heilungsstaffel. Sie trägt eine große Erneuerungsenergie in sich.

STANDARD: Wie spielt man einen Menschen mit Erneuerungsenergie?

Strauss: So wie ich einen Menschen spiele, der einen großen Schmerz in sich trägt und daraus ausbricht. Das ist getriggert durch die Geschichten von Angelika Schnell und ihre gegenwärtige Situation. Sie hat keinen ordentlichen Wohnsitz, sondern haust in einem Waschsalon. Daran merkt man, dass ihr das Umfeld nicht so wichtig ist. Sie kann nicht ganz aus ihrer Haut heraus, aber damit arbeitet sie und versucht wieder hochzukommen. Angelika Schnell ist in ihrer Qualität des Wiederaufstehens eine sehr moderne Frauenfigur. Sie hat eine starke Lebensenergie und einen starken Überlebenswillen in sich. Diese starke Energie führt dazu, dass sie Situationen meistert, die andere vielleicht überfordern würde.

STANDARD: Was reizt Sie an der Figur immer noch?

Strauss: Angelika Schnell hatte nie Angst vor Konflikten. Im Gegenteil, sie sieht sogar einen gewissen Reiz im Austragen von Konflikten. Das fehlt mir als Person vielleicht.

STANDARD: Wie hat Angelika Schnell Sie verändert?

Strauss: Sie ist eine Alphafrau und steht ihre Frau in jeder Situation. Sie hat eine klare Haltung und knickt nicht so schnell ein. Wenn jemand kommt und sagt: "Meinst du das jetzt ernst?", würde sie sagen: "Ja, wieso?" Und auf keinen Fall würde sie auch nur einen Millimeter nachgeben. Ich hingegen würde mir wahrscheinlich überlegen: Meine ich das jetzt ernst? Habe ich gerade etwas Falsches gesagt? War das jetzt richtig, war das jetzt falsch?

STANDARD: Gibt es Situationen im Leben, in denen Sie sich das Schnellsche Vorbild zur Hand nehmen?

Strauss: Die gibt es nicht, aber dadurch, dass ich am Set der Leading Character bin und über die Jahre eine Verantwortung für das Team habe, im Hinblick darauf, wie das Team miteinander umgeht und miteinander arbeitet, sowie Dinge durchsetzt, die man für richtig hält. Das verändert Menschen. Es ist nicht so, dass ich mir in Alltagssituationen denke, jetzt spiele ich schnell die Schnell. Ich halte mich sehr konsequent daran, Figuren und mich selbst strikt voneinander zu trennen. Aber ich habe durch die Figur sehr viel gelernt, zum Beispiel eine andere Klarheit auch bekommen.

STANDARD: Verwerfungen gab es beim Film zuletzt aufgrund von #MeToo. Wie ist es Ihnen seither ergangen?

Strauss: 2022 war ein Wiederaufschrei, und je öfter man das Thema wieder aufleben lässt, umso besser. Damit genau diese Kraft und Energie nicht in Vergessenheit gerät. Irgendwann führt es hoffentlich dazu, dass wir diese Diskussion nicht mehr führen müssen, weil es Übergriffe und Missbrauch irgendwann nicht mehr geben wird. Und wenn doch, werden wir es schneller erkennen, als das was es ist: Gewalt gegen einen Menschen.

"Die Leute sind viel vorsichtiger, das führt teilweise zu einem gewissen Schmähverlust, ist aber wahrscheinlich notwendig."

STANDARD: Merken Sie in der täglichen Ausübung, dass sich etwas verändert?

Strauss: Ja. Die Leute sind viel vorsichtiger, das führt teilweise zu einem gewissen Schmähverlust, ist aber wahrscheinlich notwendig. Die Leichtigkeit kommt vielleicht wieder mit einem anderen Humor. Frauenfeindlichkeit, Machismen habe ich oft genug erlebt, gehen mir gar nicht ab. Muss nicht wieder sein. Es kann gerne Neues kommen.

STANDARD: Was tun Sie aktiv, um zum weiteren Aufbruch der Schweigekultur beizutragen?

Strauss: Erstens setze ich mich als Botschafterin bei Orange the World ein, der UN-Kampagne gegen Gewalt an Frauen und Mädchen und würde niemals tolerieren, wenn ein Übergriff neben mir passiert. Viel zu oft bekommt man es unmittelbar gar nicht mit, das ist ein Problem. Was ich ganz schrecklich finde, wenn sich Machtstrukturen, die es ganz stark im Film gibt, hauptsächlich auf dieses Thema konzentrieren und andere Übergriffigkeiten gar nicht Thema werden.

STANDARD: Was meinen Sie damit genau?

Strauss: Leute, die sich Respektlosigkeiten herausnehmen, die zwar nicht in eine sexuelle Richtung gehen, sondern innerhalb eines Machtverhältnisses passieren. Grenzüberschreitungen und Respektlosigkeit sind in jeder Hinsicht unnötig – nicht nur am Arbeitsplatz, sondern generell. Ich finde, mit Freundlichkeit, Respekt und Liebe ist das Leben einfach viel schöner und bereichert uns alle. Was man gegen Übergriffe tun kann: Den Mund rechtzeitig aufmachen. Vor kurzem ist mir eine Übergriffigkeit passiert, und meine Reaktion war zu langsam, vielleicht auch weil ich gar nicht mehr gerechnet habe, dass sowas noch am Filmset passiert. Im Nachhinein habe ich mich geärgert, weil ich nicht schlagfertiger bin.

STANDARD: Seit 1. Jänner 2023 soll ein neues Anreizmodell Filmproduktion in Österreich fördern. Flattern die Drehbücher schon bei Ihnen herein?

Strauss: Überhaupt nicht, aber mein nächstes Jahr ist schon relativ voll, dass ich froh bin, dass nichts flattert. (Doris Priesching, 8.1.2023)