Die Situation in den Krankenhäusern ist angespannt. Dem Gesundheitsverbund sind die hohen Belastungen des Personals bewusst. "Wir nehmen sie sehr ernst", sagt eine Sprecherin.

Foto: APA / Lukas Huter

Eine überfüllte Notaufnahme, Gangbetten, hunderte gesperrte Betten und verschobene Operationen: Die eklatanten Personalengpässe in den Wiener Spitälern wurden in den vergangenen Wochen immer sichtbarer. Zusätzlich verschärft werden die sehr hohen Belastungen für das medizinische Personal durch die aktuellen Krankheitswellen mit Influenza, Corona und RSV-Infektionen – die in ganz Österreich zu Problemen in den Krankenhäusern oder auch im niedergelassenen Bereich führen.

Wie dramatisch die Situation ist, zeigt die Häufung der Gefährdungsanzeigen, die zuletzt beim Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) eingelangt sind. Sie sind ein Hilferuf des medizinischen Personals, wenn eine Überlastung für eine Spitalsabteilung droht – oder bereits eingetreten ist – und eine qualitativ hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten temporär nicht mehr garantiert werden kann.

Wigev: Nehmen Anzeigen sehr ernst

Mit Stichtag 21. Dezember wurden in diesem Jahr bereits 75 Gefährdungsanzeigen in den Wiener Spitälern eingereicht. Das sagte eine Sprecherin des Wigev auf Anfrage zum STANDARD. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung auf mehr als das Doppelte: 2021 waren es knapp 30 solcher Anzeigen. "Die hohen Belastungen des Personals sind uns bewusst, und wir nehmen sie sehr ernst", heißt es dazu aus dem Wigev. Man habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daher auch mehrmals dazu aufgerufen, Meldung zu machen, wenn Überlastungen vorliegen. Das Meldesystem sei vereinfacht worden.

Ärztekammer spricht von "teilweise katastrophalen Zuständen"

Auch die Wiener Ärztekammer hatte zuletzt dazu aufgerufen, über eine eigene Meldestelle Gefährdungsanzeigen einzureichen. Stefan Ferenci, Vizepräsident der Kammer und Obmann der Kurie angestellte Ärzte, sprach von "teilweise katastrophalen Zustände in unseren Spitälern". Im Zusammenhang mit Personalengpässen auf der Wiener Urologie am AKH kritisierte Ferenci zudem Stadt Wien und Wigev, wonach "Gefährdungsanzeigen im Äther verhallen" würden.

Laut Wigev ist das nicht der Fall: Bei 71 der 75 heuer erstatteten Anzeigen habe man "mit entsprechenden Maßnahmen bereits deeskalieren" können. Bei vier Fällen würden sich diese Maßnahmen noch in Umsetzung befinden. Zuletzt wurde laut "Krone" eine Anzeige vom 20. Dezember aus der Klinik Ottakring (früher Wilhelminenspital) bekannt: Dieser zufolge hätten sich Rettungsautos bei der Zufahrt gestaut, die Notaufnahme sei überfüllt, und es habe zu wenig Sauerstoffanschlüsse für Akutfälle gegeben.

Der städtische Spitalsträger bestätigte "pulkartige" Anfahrten von Rettungsautos und dadurch mehr Patienten, die zu Engpässen beim Personal sowie Einschränkungen bei den Sauerstoffanschlüssen geführt haben. Als Gegenmaßnahmen habe man aber das interne Kontingent an Rettungszufahrten reduziert "und auch die Rettungsleitstelle dazu angehalten, eine gleichmäßige Verteilung der Rettungen sicherzustellen". Das habe auf der Abteilung zu einer Entlastung geführt.

Nach wie vor befinde man sich aber "in einer insgesamt angespannten Situation", sagte die Wigev-Sprecherin mit Verweis auf die aktuellen Infektionswellen. Von der Zunahme bei den Erkrankungsfällen seien auch Mitarbeitende betroffen: Aktuell seien 3.500 Beschäftigte im Krankenstand, das entspricht elf Prozent der gesamten Belegschaft. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten sei aber "trotz der vielschichtigen Belastungen sichergestellt".

928 gesperrte Betten

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen bilden sich auch in der Zahl der gesperrten Betten ab. Zum Stichtag 28. Dezember waren 928 Betten gesperrt, das waren rund 17,5 Prozent aller systemisierten Betten. Exklusive AKH waren 908 Betten frei. Vor einem Monat waren noch rund 100 Spitalsbetten weniger gesperrt. Ursache für gesperrte Betten sind Personalmangel, aber auch notwendige Sanierungen.

Laut Wigev sei die Versorgung der Patientinnen und Patienten "trotz der vielschichtigen Belastungen sichergestellt". Der Personalmangel, auch aufgrund von Krankenständen, sei aber "natürlich eine Herausforderung". (David Krutzler, 30.12.2022)