In Brasília wird auf strenge Sicherheit geachtet.

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Die neue, alte Umweltministerin Marina Silva mit dem neuen, alten Präsidenten Lula da Silva.

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Sônia Guajajara wird künftig Ministerin für indigene Angelegenheiten.

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Brasília – Eigentlich hatte er sich der Öffentlichkeit zuletzt fast vollständig entzogen. Doch am Donnerstag kam Brasiliens scheidender Präsident Jair Bolsonaro doch nicht darum herum, noch einmal aus seinem Amt heraus Stellung zu nehmen. Er würdigte in einem Statement den verstorbenen Pelé und ordnete via Dekret eine dreitägige Staatstrauer an. Es ist eine der wohl am wenigsten umstrittenen Handlungen in der vierjährigen Amtszeit des extremistischen rechtsextremen Staatschefs, die nun zu Ende geht, auch wenn er seine Niederlange nie explizit eingestanden hat.

Während Bolsonaro laut Medienberichten für den Jahreswechsel nach Florida reiste, bereiten sich sein gewählter Nachfolger Luiz Inácio Lula da Silva und die Hauptstadt Brasília auf den Machtwechsel vor. Und dieser ist nicht ganz frei von Sorgen. Die Frage, ob der linke Ex-Staatschef und seine Minister beim Comeback an der Spitze Brasiliens wirklich in einem offenen Rolls-Royce durch das Zentrum der Planhauptstadt fahren oder doch besser geschlossene Autos nehmen sollen, treibt die Sicherheitsbeauftragten um. Denn schon im Vorfeld der Angelobung am 1. Jänner hatte es einige Schrecksekunden gegeben. Für die größte sorgte ein Anhänger Bolsonaros, der am Samstag vergangene Woche einen Tanklaster mit einem Sprengsatz beklebt hatte, um so Unruhe und ein Einschreiten der Armee gegen "den Kommunismus" auszulösen. Die Bombe explodierte nicht.

Alles für das Wohlergehen

Dennoch möchte man nun auf Nummer sicher gehen. Zur Amtseinführung sind nach einer Aussage des designierten Sicherheitsministers Flávio Dino sämtliche Sicherheitskräfte Brasílias in den Dienst gesetzt worden. Sie sollen nicht nur garantieren, dass dem neuen, alten Präsidenten und seiner Mannschaft nichts zustößt, sondern auch das Wohlergehen der hunderttausenden Besucher sicherstellen, die die von Lúcio Costa und Oscar Niemeyer gestalteten Prachtstraßen säumen werden.

Eine Party soll es trotz allem geben. Umrahmt wird die Amtseinführung, wie die Agentur AFP berichtet, von einem riesigen Konzert mit bekannten brasilianischen Künstlern, darunter die Drag-Queen Pabllo Vittar und die Samba-Legende Martinho da Vila.

Lula selbst hat bereits in den vergangenen Tagen alle Vorbereitungen getroffen und die bisher noch unbesetzten Stellen in seinem künftigen Kabinett öffentlich bekanntgegeben. Zu einer erwarteten Besetzung kam es im wichtigen Umweltministerium, das für den Schutz des Amazonas-Regenwalds zuständig ist. Dort soll die prominente Naturschützerin Marina Silva ihre Rückkehr feiern. Die heute 64-Jährige hatte den Posten schon in der ersten Regierungszeit Lulas innegehabt, sich mit ihm aber dann 2008 überworfen. 2010 und 2014 trat sie selbst zweimal zur Präsidentschaftswahl an, verlor aber.

Breites Kabinett

Dass sie nun wieder zurückkehrt – und die ärgsten Auswüchse der Politik Bolsonaros korrigieren muss –, gilt als eines von vielen Anzeichen dafür, dass der linksgerichtete Lula in seiner neuen Amtszeit noch mehr den Ausgleich mit unterschiedlichen Gruppen suchen muss. Der Sohn armer Eltern, der sich als Kind als Schuhputzer und Erdnussverkäufer verdingen musste, hatte bereits in seinen ersten Amtsperioden Gegner durch eine eher wirtschaftsfreundliche Politik überrascht, die damals aber auch durch großzügige Sozialprogramme begleitet wurde. Nun, wo es im Wahlkampf vor allem um den gemeinsamen Sieg gegen Bolsonaro und den Extremismus ging, hat der einstige Gewerkschaftsführer die Zusammenarbeit auch mit konservativeren Gruppen verstärkt.

Ein deutlicher Anhaltspunkt dafür war bereits im Wahlkampf die Entscheidung, den eher konservativen Sozialdemokraten Geraldo Alckmin zu seinem Vizepräsidenten zu machen. Er soll zudem den Posten als Wirtschafts- und Industrieminister bekommen. Auch die zweite Verbündete im Wahlkampf, die Chefin der ebenfalls moderat konservativen Demokratischen Bewegung Brasiliens, Simone Tebet, wurde mit einem gewichtigen Posten belohnt. Sie soll künftig als Ministerin das Staatsbudget verantworten.

Ein weiteres Versprechen hielt Lula gegenüber der indigenen Bevölkerung Brasiliens ein. Für ihre Angelegenheiten wird künftig in einem neu geschaffenen Amt Ministerin Sônia Guajajara zuständig sein. Sie ist Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin. 2018 war sie als Kandidatin der kleinen "Partei für Sozialismus und Freiheit" selbst für das Vizepräsidentinnenamt angetreten – damals als erste Indigene in Brasilien. (mesc, 31.12.2022)