Männliche Küken sind in der modernen Landwirtschaft kaum mehr als ein unerwünschtes Nebenprodukt. Sie werden deshalb im großen Stil getötet, was bei Tierschutzorganisationen seit vielen Jahren für Kritik sorgt und darüber hinaus ein Kostenfaktor ist. Ein israelisches Forschungsteam arbeitet nun an einer ungewöhnlichen Lösung für das Problem: der Entwicklung von Legehennen, aus deren Eiern nur weibliche Küken schlüpfen.

Das Team der nationalen israelischen Agrarforschungsorganisation Volcani Center setzt dabei auf Genome-Editing, die zielgerichtete Veränderung von DNA. Teamleiter Yuval Cinnamon sieht darin die einzige Möglichkeit, das massenhafte Töten von männlichen Küken auf der ganzen Welt deutlich einzudämmen. "Dies ist eine Weltneuheit und die einzige Lösung, die für die Industrie leicht umzusetzen ist", sagt Cinnamon.

Bisher werden männliche Küken von Legehennen meist unmittelbar nach dem Schlüpfen geschreddert oder vergast. In Deutschland ist dies zwar seit Anfang 2022 verboten, und auch in anderen Ländern und auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen in dieser Richtung. Gute Alternativen dazu gibt es bisher jedoch nicht. In Österreich werden jedes Jahr neun Millionen männliche Küken getötet, im Juli wurde dieser Praxis mit dem Beschluss des neuen Tierschutzpakets ein Riegel vorgeschoben – Ausnahme: das Töten der Küken zur Futtergewinnung.

2016 wurden weltweit jährlich 2,5 Milliarden männliche Küken noch am ersten Tag ihres Lebens getötet.
Foto: APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner

Tatsächlich vermutet die Organisation Foodwatch, dass männliche Küken in Deutschland nun massenhaft ins Ausland transportiert werden, wo sie möglicherweise dann doch getötet werden. Eigentlich müssten sie als sogenannte Brüderhähne gemeinsam mit den Hennen aufgezogen werden.

Technologien, mit denen das Geschlecht der Küken bereits im Ei festgestellt werden kann, sind eine weitere Möglichkeit. Cinnamon hält diese Methoden jedoch für nicht ausreichend zuverlässig. Zudem bleibt der Aufwand des Screenings aller sowie die Entsorgung der ungewollten Eier.

Gentechnische Veränderung als Alternative

Volcani Center setzt stattdessen darauf, Legehennen gentechnisch so zu verändern, dass sich männliche Embryonen nicht weiterentwickeln und schlüpfen. Die weiblichen Embryonen hingegen entwickeln sich demnach normal, ohne selbst genetisch verändert zu sein. Nach Angaben der US-amerikanisch-israelischen Firma Huminn, die mit den Forschenden von Volcani Center zusammenarbeitet, könnte die Technologie in zwei Jahren kommerziell genutzt werden.

Abgesehen von den Vorteilen für den Tierschutz könne die Technologie den Geflügelzüchtern enorme Einsparungen beim Platz- und Energiebedarf für den Betrieb von Brutkästen bieten und gleichzeitig die erheblichen Kosten für die Entsorgung der männlichen Küken senken, heißt es vonseiten des Teams. "Die Keulung jedes männlichen Kükens kostet einen Dollar, das sind also sieben Milliarden Einsparung pro Jahr", rechnet Cinnamon vor.

Ob dies eine Lösung für die europäische Landwirtschaft ist, ist allerdings fraglich. Zum einen ist Genome-Editing rechtlich umstritten. Die Nutzung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) zur Lebensmittelproduktion ist in der EU weitgehend verboten, die Einstufung von per Genome-Editing veränderten Lebewesen als GVO ist jedoch strittig.

Reform möglich

Der Europäische Gerichtshof entschied 2018, dass per Mutagenese – eine Art des Genome-Editing – veränderte Pflanzen als GVO einzustufen sind. Die EU-Kommission spricht sich jedoch für eine Reform der bisherigen strengen Gentechnikrichtlinie aus, da neue Gentechnikverfahren Studien zufolge "zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem" beitragen könnten.

Tierschutzorganisationen geht das nicht weit genug: Selbst wenn keine männlichen Küken mehr getötet würden, ändere dies nichts an den "unerträglichen Zuständen in deutschen Hühnerställen", erklärt etwa Foodwatch. Es brauche stattdessen einen "wirklichen Systemumbau". (APA, AFP, red, 30.12.2022)