Lula da Silva, seine Frau Rosangela da Silva, Second Lady Maria Lucia Ribeiro Alckmin und Vizepräsident Geraldo Alckmin im präsidialen Rolls-Royce.

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Feuerwehrleute kühlten die Menge ...

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... die sich vom Feiern aber nicht abhalten ließ.

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Die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch, im Bild ein Beamter mit einer Waffe zur Drohnenabwehr.

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Lula mit der brasilianischen Präsidentenschleife.

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Nur wenige Stunden waren es bis zur Rückkehr ihres altbekannten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva. Da mussten sich die Menschen in Brasilien noch kurzfristig mit einem ungewohnten Gesicht auseinandersetzen. Hamilton Mourão, Vizepräsident Jair Bolsonaros, trat vor die TV-Kameras.

Ihm war unverhofft die Ehre zuteilgeworden, die Neujahrsansprache zu halten – weil Bolsonaro sich bereits am Silvestertag nach Florida abgesetzt hatte. Mourão nutzte sie für einen prononcierten Auftritt, in dem er auch das Schweigen Bolsonaros kritisierte. Dieser hatte seine Niederlage bei der Wahl am 2. Oktober nie dezidiert eingestanden.

Der Altpräsident und seine Anhänger, sie sollten nach dem Willen Lulas am Sonntag allerdings nur eine Randnotiz sein. Der linksgerichtete Lula, der nach seinen ersten zwei Amtszeiten 2003 bis 2010 erneut zum Staatschef angelobt wurde, hatte schon im Vorfeld "eine große Party" in der Hauptstadt Brasília versprochen. Und tatsächlich begann die Veranstaltung mit viel Musik; mit Feuerwehrleuten, die die Menge wie bei Festivals mit Wasser kühlten; und mit Lula selbst, der mit Vizepräsident Geraldo Alckmin und Familie an den Feiernden im offenen Rolls-Royce vorbeizog.

Zum Festakt waren hunderttausende Menschen angereist. Für ihre Sicherheit hatten die Behörden sämtliche Polizisten des Hauptstadtbezirks in Dienst gestellt. Denn Anhänger Bolsonaros, die seine Niederlage nicht anerkennen, hatten schon im Vorfeld Proteste angedroht. Am Eingang nahm die Polizei am Sonntag einen Mann mit einem Messer und Pyrotechnik fest.

"Meine Botschaft ist heute eine der Hoffnung und des Wiederaufbaus", sagte Lula in seiner Antrittsrede: "Die Demokratie war die große Gewinnerin dieser Wahl." Er bezeichnete die Regierung seines Vorgängers als "Leugner" der Corona-Pandemie und sprach angesichts der mehr als 680.000 Corona-Toten im Land von einem "Völkermord."

Gemeinsam mit dem Volk werde er "das Land wieder aufbauen". Lula sprach von einer "verheerenden" Bilanz Bolsonaros. Dieser habe das Gesundheits- und das Bildungssystem ebenso geschwächt wie Wissenschaft und Kultur. Den Umweltschutz habe Bolsonaro "zerstört".

Hektische Verhandlungen

Lula führte bereits in den Wochen vor seiner Angelobung hektische Gespräche mit den Parteien im Kongress, in dem seine eigene Arbeiterpartei nur rund zwölf Prozent der Sitze besetzt.

Ziel war dabei eine Verfassungsänderung, um die Finanzierung des Programms Bolsa Família aufrechtzuerhalten. Dabei geht es um staatliche Zuschüsse, die rund 22 Millionen Menschen in Brasilien das finanzielle Auslangen ermöglichen. Ohne Intervention wäre dieses einst von Lula eingeführte Programm Ende des Jahres nicht mehr zu finanzieren gewesen.

Video: In Brasília hat Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sein Amt angetreten.
DER STANDARD

Erst am 21. Dezember konnten sich die Parteien dann doch noch auf die Gesetzesänderung verständigen. Harte Arbeit – aber wohl nur ein Vorgeschmack darauf, was Lulas Regierung in den kommenden Jahren droht. Erwartet wird ein Verhandlungsmarathon nach dem anderen. Das ist auch deshalb dringend nötig, weil Brasiliens Wirtschaft nach vier Jahren Bolsonaro-Regierung mit dem Rücken zur Wand steht. Das Wachstum lag zuletzt nur noch bei einem Prozent, die Verschuldung ist trotz versprochener Einsparungen nicht gesunken.

Viel zu tun

Lula gilt als talentierter Verhandler; doch auch das Geschick des 77-Jährigen wurde bereits bei der Regierungsbildung vor eine harte Probe gestellt. Herausgekommen sind nicht weniger als 37 Ministerien, darunter 14 neue. Unter den ausgewählten Ministern sind nicht nur Lula-Getreue, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter konservativer Parteien, die den Kandidaten im Wahlkampf unterstützt hatten.

Zu ihnen zählt vor allem auch Lulas Vizepräsident Geraldo Alckmin, der zusätzlich auch das Amt des Industrie- und Handelsministers bekleiden wird. Für Simone Tebet, eine weitere Liberalkonservative, die für Lula geworben hatte, fiel das Planungsministerium ab.

Die beiden sollen auch die Märkte beruhigen. Denn Neo-Finanzminister Fernando Haddad von Lulas Arbeitspartei wird dem Land neue Schulden aufbürden müssen. Nur so kann der gegen Bolsonaro gescheiterte Präsidentschaftskandidat von 2018 nämlich die Sozialprogramme finanzieren, die Lula wünscht.

Mehr Frauen in Regierung

Bei allen Verhandlungen ist aber zumindest ein historisches Ergebnis gelungen: Im neuen Kabinett werden insgesamt elf Ministerinnen arbeiten. Das ist von einer Parität zwar weit entfernt, aber mehr als in bisherigen brasilianischen Regierungen. In Bolsonaros Kabinett waren überhaupt nur zwei Frauen tätig.

Zu den neuen Ministerinnen zählt Marina Silva. Die 64-Jährige, die schon 2003 bis 2008 Umweltministerin war, kehrt in dieses Amt zurück und soll dort gegen die Abholzung des Amazonasgebiets eintreten. Erstmals gibt es auch ein Ministerium für Indigenen-Angelegenheiten. Dieses wird von der Menschenrechtlerin Sônia Guajajara geführt. (Manuel Escher, 1.1.2023)