Straßenblockade der Letzten Generation in Graz.

Foto: Alexander Danner

Zuletzt hatte der Fokus der Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Letzten Generation auf den Bundesländern gelegen: In Graz, Innsbruck und Linz brachten sie in den vergangenen Monaten für eine gewisse Zeit den Verkehr mit Blockadeaktionen zum Stehen, indem sie ihre Hände auf die Straße klebten. In St. Pölten beschütteten sie den Landtag mit schwarzer Farbe.

Die Gruppierung setzt sich für ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf der Autobahn ein und außerdem auch für ein Ende neuer Öl- und Gasprojekte. Nun kündigten sie an, die Bundeshauptstadt mit einer Reihe von Aktionen lahmlegen zu wollen, wie die "Krone" jüngst berichtete. David Sonnenbaum, Mitbegründer und Sprecher der Gruppe, bestätigt im Gespräch mit dem STANDARD das Vorhaben: Ab 9. Jänner – an dem Tag beginnt in der Hauptstadt wieder die Schule – sollen für eine Woche jeden Tag "mehrere Straßenabschnitte in Wien blockiert" werden. Die Wiener Polizei hielt auf STANDARD-Nachfrage fest, dass sie "sich entsprechend darauf vorbereiten und entsprechende Kräfte dafür abstellen" werde.

Wut und Zuspruch

Die Aktivistinnen und Aktivisten kennen mittlerweile das ganze Spektrum an Aggressionen, die sie mit diesen Verkehrsblockaden auslösen. "Wir machen uns auf Wut gefasst", sagt Sonnenbaum, "aber auch auf Zuspruch." Sie hätten schließlich mit ihren Aktionen auch gesellschaftliche Debatten ausgelöst. "Menschen, die nichts mit dem Thema zu tun hatten, beschäftigen sich jetzt damit. Sie bedanken sich bei uns, kommen zu unseren Veranstaltungen, tragen das Thema in ihre Familien."

Er würde schon verstehen, dass Straßenblockaden viele verärgern, sagt Sonnenbaum: "Wir wollen das auch nicht, aber es ist notwendig, weil die Politik immer noch untätig ist." Auch die Geschichte – die jüngere ebenso wie die weiter zurückliegende – habe gezeigt, dass es immer Aktionen, die den Ablauf des Alltags stören, brauche, um etwas zu verändern. "Sie sind nervig, aber sie wirken."

Verhinderte Aktion beim Neujahrskonzert

Für vergangenen Sonntag hatten Mitglieder der Letzten Generation ursprünglich geplant gehabt, das Wiener Neujahrskonzert zu unterbrechen, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Die Störaktion flog allerdings auf, sechs Personen wurden, noch ehe sie etwas unternehmen konnten, im Musikverein von Polizeibeamten identifiziert.

Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten laut Informationen der Nachrichtenagentur APA Kleber bei sich, den sie während der Pause einsetzen wollten. Zudem sollen sie vorgehabt haben, im Goldenen Saal vor den dort versammelten Politikerinnen und Politikern ein Banner mit der Aufschrift "Zwei Jahre noch" hochzuhalten – ein Appell, dringend etwas zu unternehmen, um den Klimawandel aufzuhalten. Nach Angaben der Landespolizeidirektion Wien wurden die sechs Personen – sie sind alle zwischen 26 und 27 Jahre alt – verwaltungsrechtlich angezeigt.

Polizeichef warnt vor "extremistischen Tendenzen"

Kurz zuvor hatte Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl im Gespräch mit der APA noch vor "zunehmenden extremistischen Tendenzen" bei Klimaaktivistinnen und -aktivisten gewarnt. "Es gibt deutliche Elemente von Extremismus bei manchen Aktivisten", sagte er. Das betreffe das Begehen von Straftaten, nicht nur das Festkleben an Gemälden und das Beschütten derselben, was "in den Bereich der Sachbeschädigung geht", sondern auch das Lockern von Radmuttern oder das Auslassen von Luft aus Autoreifen. Außerdem würden bei Letzterem gezielt Feindbilder geschaffen werden, etwa das der Besitzer bestimmter Autotypen, konkret der Fahrer von SUV-Geländewagen. "Das sind Dinge, die weit über die Grenzen des Akzeptablen und polizeilich Zulässigen hinausgehen", sagte Pürstl.

Als Beispiel brachte er die am Wochenende vor Weihnachten in Döbling durchgeführte Aktion, bei der Luft aus den Reifen von mehreren SUVs gelassen worden war. Zwar waren Warnzettel an der Windschutzscheiben angebracht worden – diesen hatte einer der Autobesitzer allerdings nicht bemerkt: Er war losgefahren, mit seinem Wagen auf einen Gehsteig geschlittert und dort in einen Fußgänger gefahren, der unverletzt blieb. Dem an den Autos hinterlassenen Schreiben zufolge zeichnete die Gruppe "The Tyre Extinguishers", übersetzt in etwa "die Reifenzerstörer", für die Aktion verantwortlich.

Letzte Generation betont Gewaltlosigkeit

David Sonnenbaum sagt, extremistisch sei "die Untätigkeit der Regierung und dass sie noch immer mehr auf die fossile Lobby hören als auf Bürger, die große Sorgen haben". Den Klimawandel und seine Auswirkungen auf Mensch und Natur zu ignorieren sei extremistisch. Hingegen würden "alle Menschen, die bei uns mitmachen", stets im friedlichen Widerstand bleiben. Gewalt sei ein No-Go, "und das bleibt so".

Nicht nur in Österreich, sondern weltweit kleben sich Menschen, die sich für die Umwelt einsetzen, auf die Straße oder die Sockel von Statuen, blockieren Autobahnausfahrten und Landebahnen auf Flughäfen, bewerfen Gemälde mit Suppe, Öl oder Farbe – beziehungsweise bisher immer das Sicherheitsglas davor. Montagfrüh schütteten einige Mitglieder der italienischen Schwesterorganisation Ultima Generazione Farbe an die Fassade des Senats in Rom. Sie beschmierten auch einige Fenster und eine Tür des Senatssitz.

XR stoppt Aktionen vorübergehend

Eine andere Gruppierung hingegen hat nun offenbar entschieden, nicht mehr auf diese Formen des Protests zu setzen. Extinction Rebellion, übersetzt: "Rebellion gegen das Aussterben", kurz XR genannt, hat in Großbritannien einen vorläufigen Stopp ihrer spektakulären Blockadeaktionen verkündet. Statt sich weiter auf Straßen zu kleben und den Verkehr zu blockieren, will sich die Gruppe auf die Organisation einer für April geplanten Großdemonstration für eine aktivere Klimapolitik konzentrieren, erklärte sie am Sonntag in einer Aussendung.

Extinction Rebellion habe sich entschieden, "sich vorübergehend von der Störung des öffentlichen Raums als wichtigste Taktik" zu verabschieden. Stattdessen solle mehr Druck auf die Politik erzeugt werden, um die Nutzung fossiler Brennstoffe zu beenden. Am 21. April sei eine Großveranstaltung mit 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor dem Parlament in London geplant.

Keine Pause in Österreich

Extinction Rebellion wurde 2018 in Großbritannien gegründet. Laut eigenen Angaben ist die Organisation inzwischen in über 80 Ländern vertreten. Im Gegensatz zur Klimaschutzbewegung Fridays for Future (FFF), die Massen für größtmögliche Demos zu mobilisieren versucht, wollte Extinction Rebellion stets mit gewaltfreien Störaktionen im Alltag wachrütteln. Inzwischen sind es andere Gruppen wie "Just Stop Oil" ("Stoppt Öl") und "Insulate Britain", die beispielsweise den Autobahnring rund um London lahmlegten und das Schutzglas der "Sonnenblumen" von Vincent van Gogh mit Suppe bewarfen.

Die Bewegung ist allerdings dezentral organisiert. Es gilt also nicht als ausgeschlossen, dass es auch weiterhin noch zu Aktionen durch eigenständig agierende Gruppen kommen kann. In Österreich will XR jedenfalls keine Aktionspause einlegen, wie es am Montag aus dem Presseteam hieß. (giu, 2.1.2023)