Anwältinnen und Anwälte müssen aufgrund ihrer Funktion im Rechtsstaat Einschränkungen der Meinungsfreiheit hinnehmen, sagt der Oberste Gerichtshof.

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Manches schickt sich nicht – zumindest nicht für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Zu diesem Schluss kam der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem aktuellen Disziplinarverfahren der Anwaltskammer. Ein Wiener Anwalt hatte sich in der ATV-Sendung "Geil – so treibt's Österreich" mit Bademantel in einem Bordell gezeigt. Das kommt ihn nun teuer zu stehen: Er muss eine Strafe in der Höhe von 4.000 Euro bezahlen. Sein Verhalten habe "Ehre und Ansehen" des Berufsstandes beeinträchtigt (OGH 29.11.2022, 20 Ds 5/22y).

Wie die "Presse" in ihrer Montagsausgabe berichtete, warf die Anwaltskammer dem Mann vor, dass er 2020 in der Sendung eine Prostituierte an Brust und Oberschenkeln berührte und mit ihr posierte, "als wolle er mit ihr den Beischlaf oder diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vornehmen". Die "kürzeren Beziehungen", die sich anlässlich seiner Besuche in dem Bordell entwickeln, würden ihm "sehr gefallen", heißt es in der mittlerweile veröffentlichten OGH-Entscheidung.

Allein bei diesem TV-Auftritt blieb es allerdings nicht: Ein Jahr später sprach der Anwalt, der die Öffentlichkeit offenbar nicht scheut, für einen Online-Artikel mit der Tageszeitung "Heute". Dort gab er zu Protokoll, dass er "Frauen aus dem ehemaligen Ostblock" bevorzugen würde. Es sei für ihn deshalb durchaus vorstellbar, an der ATV-Sendung "Das Geschäft mit der Liebe" teilzunehmen. Die Sendung sei jedoch sehr derb, und dort seien auch keine "Klassefrauen mit an Bord".

"Funktion im Rechtsstaat"

Nachdem die Anwaltskammer eine Disziplinarstrafe in der Höhe von 4.000 Euro wegen der "Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes" verhängt hatte, beschwerte sich der Mann beim OGH. Die Richterinnen und Richter am Höchstgericht hatten an der Bestrafung aber nichts auszusetzen. Die Argumente des Disziplinarrats der Anwaltskammer seien nachvollziehbar gewesen.

Demnach hätten zwar auch Rechtsanwälte ein Privatleben, die öffentliche Werbung für "oft mit menschlichem Leid verbundene Prostitution" sei aber eine "Schädigung des Standesansehens" gewesen. Der Anwalt habe "völlig unverdeckt" und somit "gut erkennbar vor der Kamera" agiert. Die Äußerungen seien damit einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Dass das "mediale Aufsehen" von "dritter Seite" verstärkt worden sei, ändere daran nichts. Schließlich habe der Anwalt selbst den "Grundstein" dafür gelegt. Die Äußerung über "Klassefrauen" sei zudem eine "diskriminierende Herabsetzung" gewesen.

Auch die Argumente Meinungsfreiheit und Privatleben, die der Mann vor Gericht vorbrachte, gingen ins Leere. Mit den öffentlichen Aussagen habe der Mann den "höchstpersönlichen Lebensbereich" selbst verlassen. Abgesehen davon müssen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte "aufgrund ihrer Funktion im Rechtsstaat" auch weitergehende Beschränkungen bei Meinungsäußerungen hinnehmen. (japf, 2.1.2023)