"Ich habe ein doppeltes Leben: Es geht mir gut. Es geht mir nicht gut."
Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/LanaStock

Im Gastblog gibt Marianne Buchegger einen ersten Einblick in die Rolle von Demenz in unserer Gesellschaft.

Ende November 2022 nehme ich an einem Treffen von Expertinnen und Experten zum Thema Demenz teil. Wie kann es gelingen, dem "Gespenst" Demenz in Zukunft zu begegnen? Diese Frage beschäftigt auf dem Podium Personen aus Politik, Pflege, Förderung und Medizin. Und zum ersten Mal eine Selbstvertreterin – Karoline Bloderer.

Karoline ist Selbstvertreterin – sie ist an Demenz erkrankt und geht damit offensiv um. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit vielen anderen für einen Platz in der Gesellschaft zu kämpfen. Dafür, dass es selbstverständlich wird, dass Menschen mit Vergesslichkeit und Demenz gehört werden, wenn es darum geht, "was es braucht".

An diesem Tag im Rathaus bin ich ihre Unterstützerin. Ich unterstütze Karoline bei der zeitlichen und örtlichen Orientierung und begleite sie auf das Podium. Dort liest sie ihre Rede vor – Teile daraus möchte ich hier vorstellen:

Hier kann ich sein, so wie ich bin.

Ich habe ein doppeltes Leben:

Es geht mir gut

Es geht mir nicht gut

Und alles zugleich

Ich brauche Hilfe

Aber ich kann auch vieles

Ich brauche Unterstützung – und Freiheit

Was bringt mich hierher?

Hier kann ich sein, wie ich bin.

Vieles ist verloren gegangen

Die Welt ist für mich anders geworden

Die frühere Welt gibt es auch noch für mich

Damit ich sein kann, wie ich bin,

brauche ich einen entsprechenden Ort,

brauche ich entsprechende Zeit,

brauche ich Menschen, die mir helfen können,

braucht es Mittel, auch Geld.

Diese Rede beinhaltet vieles von dem, worum es in diesem Blog gehen wird. Es sollen unterschiedliche Lebensräume und Lebenswelten von Menschen mit Vergesslichkeit und Demenz dargestellt werden. In den kommenden Beiträgen wird es darum gehen, wie ein gutes, ein lebenswertes Leben mit Vergesslichkeit und Demenz funktionieren kann. Dazu wird folgenden Fragen nachgegangen: Welche Ressourcen werden benötigt? Was braucht es an Übereinkommen und Strukturen innerhalb einer Gesellschaft?

Organisationen, Netzwerke und Initiativen werden vorgestellt, die Menschen mit Vergesslichkeit und Demenz ernst nehmen, ihnen ein Sprachrohr sind, sie begleiten und unterstützen. An- und Zugehörige werden mit ihren Erfahrungen in Pflege und Unterstützung zu Wort kommen.

In diesem Blog können Sie Menschen kennenlernen, die sich mit ihrer Erkrankung auseinandersetzen, darüber sprechen und in die Öffentlichkeit gehen. Und ebenso Menschen, die das nicht möchten. Die Texte werden auch der Überforderung, der Angst, der Scham und Ohnmacht einen Platz geben und davon erzählen. Denn ja, es macht Angst, es ist fordernd und überfordernd.

So soll gezeigt werden, dass es Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung gibt – und wo diese zu finden sind. Dazu werden auch neue Ideen und Innovationen vorgestellt. Der Blog möchte Menschen Mut machen, die vor einer möglichen Diagnose stehen, die von der Diagnose betroffen oder An- oder Zugehörige sind. (Marianne Buchegger, 11.1.2023)