Wien – Vom Wettern über das "Impfsyndikat" und den "Lohnschreibern im medialen Mainstream" über Kritik an den "Simulationsforschern, deren Prognosen in all der Zeit noch kein einziges Mal gestimmt haben" bis zu Werbung für das Pferdeentwurmungsmittel Ivermectin im Einsatz gegen Corona: Servus-TV-Senderchef Ferdinand Wegscheider lässt in seinem Format "Der Wegscheider" kaum etwas aus, um gegen die Corona-Impfung und die Maßnahmen der schwarz-grünen Regierung Stimmung zu machen.
Für die Medienbehörde Komm Austria ging Wegscheider mit seinen Aussagen zu weit. Sie identifizierte im Jahr 2021 in fünf Ausgaben des als Satireformats deklarierten Wochenkommentars Verstöße gegen das Objektivitätsgebot des Audiovisuellen Mediendienste-Gesetzes, wonach Fernsehprogramme den Grundsätzen der Objektivität und Meinungsvielfalt zu entsprechen hätten. Die Sendungen beschäftigten sich ausschließlich mit den Maßnahmen der Regierung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, dabei insbesondere mit der Impfung gegen Covid-19, so die Komm Austria.
"Grob verzerrende Formulierungen"
Der Grund für die Verstöße: In den Sendungen gebe es "grob verzerrende Formulierungen und Darstellungen ohne ausreichendes Tatsachensubstrat durch den Moderator der Sendung". Wegscheider sprach etwa regelmäßig von einer "Plandemie". Seine Kritiker werfen ihm das Verbreiten von Verschwörungserzählungen vor.
Als Beispiele führt die Komm Austria Zitate von Ferdinand Wegscheider an. Er hat in seiner Sendung am 6. November 2021 beispielsweise Folgendes gesagt:
Der Anlass für die Prüfung von "Der Wegscheider" war eine Sachverhaltsdarstellung, die der Presseclub Concordia Ende des Jahres 2021 bei der Medienbehörde einbrachte. Laut Presseclub Concordia verbreitete Servus TV "faktenwidrige bzw. -befreite Äußerungen und Behauptungen". Sie würden die Öffentlichkeit verunsichern, beunruhigen, aufstacheln und spalten sowie "die Glaubwürdigkeit von Politik, Wissenschaft und Medien untergraben".
Einspruch folgt
Das Red Bull Media House kritisiert die Entscheidung und wird als Eigentümer von Servus TV Einspruch beim Bundesverwaltungsgericht einlegen, teilte das Unternehmen auf STANDARD-Anfrage mit: "Zunächst ist festzustellen, dass diverse Medien bereits über den Bescheid der Medienbehörde berichtet haben, obwohl er beim Sender selbst noch gar nicht zugestellt war. Inhaltlich entspricht der Bescheid nach einer ersten Beurteilung nicht unserer Rechtsauffassung. Das heißt, wir sehen das gelassen und werden innerhalb offener Frist Beschwerde dagegen einlegen."
Servus TV verweist auf "Satire"
Das Red Bull Media House argumentierte, dass "Der Wegscheider" Satire sei und die Sendung deswegen nicht dem Objektivitätsgebot unterliegen würde. Dem widerspricht die Medienbehörde. Sie sieht in Wegscheiders Wochenkommentar einen "Meinungskommentar aktueller Ereignisse mit vereinzelten satirischen Elementen".
Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, müsste sie Servus TV binnen sechs Wochen dreimal in aufeinanderfolgenden Wochen im Rahmen von "Der Wegscheider" verlesen und per Einblendung eines Textes veröffentlichen.
Corona-Leugner und -Verharmloser als Stammgast
Servus TV setzt seit Beginn der Pandemie auf einen impf- und maßnahmenkritischen Kurs. Regelmäßige Auftritte von Leuten wie Sucharit Bhakdi, einem ehemaligen deutschen Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, sorgten für heftige Kritik. Bhakdi galt lange Zeit als Ikone der Corona-Leugner und -Verharmloser. Servus TV distanzierte sich erst von ihm, als er mit antisemitischen Äußerungen für Empörung gesorgt hatte. Servus-TV-Senderchef Wegscheider interviewte Bhakdi 2020 zweimal in einem Talk Spezial.
Die Veröffentlichungspflicht einer Gesetzesverletzung ist eine vergleichsweise häufig eingesetzte Sanktion im Rundfunkbereich. Erst kürzlich hat die Medienbehörde der FPÖ in einem Beschwerdeverfahren gegen den ORF recht gegeben. Konkret ging es dabei um die Bezeichnung "die ganze blaue Regierungsbande", die im Rahmen eines "ZiB Magazin"-Beitrags im Mai mit dem Titel "Ministerkarussell dreht sich weiter" gefallen war. Der ORF habe damit das Objektivitätsgebot verletzt.
FPÖ verteidigt Servus TV
Das aktuelle Urteil der Komm Austria gegen Servus TV ist für FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker "skandalös". Er sieht einen "Eingriff in die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit". Hafenecker vermutete, dass die untersuchten Aussagen Wegscheiders nicht ins "Corona-PR-Konzept der Regierung gepasst" hätten und deshalb von der KommAustria abgestraft würden.
Blimlinger: Wegweisende Entscheidung
Die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, sprach indes auf Twitter von einer "wegweisenden Entscheidung der Medienbehörde KommAustria":
(omark 2.1.2023)