Der ehemalige Appellplatz des KZ Gusen wurde bereits vom Schutt befreit.

Foto: Mauthausen Memorial

Ein historisches Bild der Lagermauer des KZ Gusen.

Foto: Diözese Linz

Die kleine Mühlviertler Marktgemeinde St. Georgen an der Gusen zählt 4000 Einwohner, 2502 Einwohner leben in dem Nachbarort Langenstein. Zwei Orte, die eines eint: Man lebt hier auf geschichtlich schwer belastetem Boden. Zentrale Teile des ehemaligen KZ Gusen befanden sich dort, wo heute schmucke Einfamilienhäuser stehen.

Neue Gedenkwege

Im Nachkriegsösterreich wurde das Gedenken zentral nach Mauthausen verlegt. Die Schauplätze der Nazi-Gräuel in St. Georgen und Langenstein schienen Jahrzehnte auf der Gedenklandkarte kaum auf. Viele der Gründe und Gebäude wanderten in private Hände. Und das, obwohl das KZ Gusen, offiziell ein Nebenlager von Mauthausen, zeitweise sogar größer war als das Stammlager.

Vor diesem dramatischen Hintergrund entschied die Republik, das Gedenken an diesem Ort zu überdenken – und verkündete im Mai 2021 den Ankauf des Eingangsbereichs zum Stollensystem Bergkristall in St. Georgen, zweier SS-Verwaltungsbaracken, des Steinbrechers und von Teilen des Appellplatzes in Langenstein.

Bürgerbeteiligung

Spannend dabei ist, dass man in der Entwicklungsphase einen in der heimischen Gedenkkultur völlig neuen Weg geht. Bewusst wird darauf verzichtet, ein quasi fertiges Konzept über die beiden Orte zu stülpen und ein zweites Mauthausen-Memorial zu eröffnen. Vielmehr setzt man in dem Prozess ganz intensiv auf Bürgerbeteiligung. Geschuldet ist dies wohl auch zu einem großen Teil der Situation vor Ort. Anders als die Gedenkstätte Mauthausen, die weit abseits des eigentlichen Ortes liegt, ist auf dem blutgetränkten Boden in St. Georgen und Langenstein eben neues Leben gewachsen. Die Gusen-Überreste werden heute zu einem großen Teil von gewachsenen Siedlungs- und Gewerbestrukturen überlagert. Einige Wege und Kanalführungen folgen heute noch dem historischen Verlauf der Wege im Lager. Wo einst Gefangene ermordet wurden, leben heute Menschen und gehen ihrem Alltag nach.

Für Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und auch für das Areal in Gusen verantwortlich, gehe es letztlich darum, "Sehhilfen zu schaffen, um an diesem Ort zu vermitteln, was damals passiert ist". Gleichzeitig gelte es, einen Prozess zu meistern, bei dem es am Schluss für die Bevölkerung und die Region "völlig selbstverständlich ist, dass das zum Leben, zum Alltag dazugehört", erläutert Glück im STANDARD-Gespräch.

Erste Phase beendet

Im Sommer des Vorjahres wurde dann der Beteiligungsprozess offiziell gestartet. Unter der Federführung der beauftragten Arbeitsgemeinschaft Art:Phalanx Kultur & Urbanität und Heri&Salli Architekten bat man im letzten halben Jahr Vertreter aller relevanten Gruppen an den Besprechungstisch. "Wir sind jetzt am Ende der ersten Phase. In dieser waren bereits alle relevanten Player dabei. In unterschiedlichen Formaten – Workshops, Interviews, offenen Gesprächen, Infoabenden – wurden dabei unmittelbare Anrainer, Bürgermeister, Vertreter der nationalen und internationalen Opferverbände gefragt, was ihre Bedürfnisse sind." Konkret seien die Bedürfnisse jeder einzelnen Gruppe erfragt worden. Glück: "Die entscheidende Frage ist: Was ist diesen Menschen wichtig für diesen Ort?" Und natürlich gehe es auch um eine entsprechende Wertschätzung, zu zeigen, dass man das Projekt nicht "über die Köpfe der Menschen hinweg" realisiere.

Glück: "Ich kann das gar nicht oft genug betonen, dass dieser Prozess genauso wichtig ist wie das Ergebnis selbst. Weil dieser Prozess wird uns garantieren, ganz egal wie das Ergebnis selbst dann sein wird, dass es nachhaltig und von allen mitgetragen wird."

In einer zweiten Phase des großangelegten Beteiligungsprozesses sollen nun, so Glück, "die einzelnen Gruppen, die bis dato einzeln befragt wurden, zusammengeführt und durchmischt werden". Die unterschiedlichen Perspektiven würden dann auf den Tisch gelegt werden: "Dann werden die Schnittmengen gesucht." In einem nächsten Schritt würden diese dann in einen Masterplan eingearbeitet werden.

Masterplan im Frühjahr

Vor Ort scheint man jedenfalls von dem Konzept durchaus überzeugt zu sein. "Es ist in der Bevölkerung extrem gut angenommen worden. Da wird auf Augenhöhe miteinander gesprochen", erläutert Christian Aufreiter, SP-Bürgermeister der Gemeinde Langenstein. Vier Treffen habe es bereits gegeben. Aufreiter: "Im Februar soll es nun einen ersten Zwischenbericht geben. Nach einer weiteren Runde sollte dann der Masterplan stehen."

Die durchaus vorhandene Skepsis im Ort gegenüber einer neuen Gedenkstätte sieht der Ortschef schwinden: "Ich glaube, dass es leichter geworden ist, weil man offen miteinander redet."

Doch bei aller Beteiligungsfreude gibt es immer noch manch große Hürde zu nehmen. Durchaus schwierig gestalten sich etwa die Kaufverhandlungen rund um das heute im Privatbesitz befindliche "Jourhaus", das als Eingang zum KZ diente. Hier konnte bislang noch keine Einigung zwischen den Besitzern und der Republik erzielt werden. Doch die Gespräche laufen zumindest aktuell noch. (Markus Rohrhofer, 5.1.2023)