Nach seinem Wahlsieg dauerte es nicht lange, bis Brasiliens alter und neuer Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva ankündigte, Marina Silva zum zweiten Mal zur Umweltministerin zu ernennen. Tatsächlich verkörpert kaum jemand wie sie Brasiliens Neuanfang, die Abwendung vom frauen- und ökofeindlichen System des ultrarechten Jair Bolsonaro.

Marina Silva (im Bild mit Lula da Silva) wird zum zweiten Mal Brasiliens Umweltministerin.
Foto: AP Photo/Eraldo Peres

Die heute 64-Jährige ist das zweite von elf Kindern einer Familie von "Serin gueiros", die im Amazonas-Urwald Kautschuk gewinnen. Sie wollte Nonne werden, doch schon als 15-Jährige musste sie, schon längst selbst "Kautschukzapferin", die Rolle der verstorbenen Mutter übernehmen.

Wegen einer Schwermetallvergiftung musste sich Silva medizinisch behandeln lassen – doch immerhin kam sie auf diesem Wege als 16-Jährige mit dem Alphabetisierungsprogramm Mobral in Berührung, holte die Schule nach und promovierte im Alter von 26 Jahren zur Historikerin.

In dieser Zeit kam die in einer kommunistischen Untergrundgruppe engagierte Katholikin, die sich später einer evangelikalen Kirche anschließen sollte, auch mit der Befreiungstheologie in Kontakt; später trat sie der Partei der Arbeiter (PT) bei. Zusammen mit dem 1988 von Großgrundbesitzern ermordeten Regenwaldschützer Chico Mendes gründete die Mutter vierer Kinder, die aus zwei Ehen stammen, den regionalen Zweig des linken Gewerkschaftsdachverbands.

Beachtliche Kongress-Karriere

In den 1990er-Jahren legte Silva eine erstaunliche Politkarriere hin: zuerst als Abgeordnete, dann im Senat, eigentlich ein Sammelbecken der brasilianischen Elite. Ihre stets steigende Popularität mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass Lula sie 2003 erstmals zur Umweltministerin machte.

Doch das Verhältnis zum Präsidenten war nicht immer friktionsfrei: Nach Streitigkeiten wegen der Zulassung von Gentechnik in der Landwirtschaft und wegen Mega-Infrastrukturprojekten im Amazonasgebiet trat sie 2008 als Ministerin zurück und 2009 auch aus Lulas Partei aus. Ihrer politischen Karriere tat dies keinen Abbruch: 2010, 2014 und 2018 trat sie selber bei den Präsidentschaftswahlen an, zweimal wurde sie starke Dritte.

Nun holt Lula seine vormalige Weggefährtin wieder ins Boot – wohl wissend, dass es mit Marina Silva keine Kompromisse und kein Abwägen geben kann. Mit ihr werden Umweltschutz und Menschenrechte immer Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben. (Gianluca Wallisch, 2.1.2023)