Die Nuri von Michael Guggenberger: Wiederankommen in Les Sables-d’Olonne bleibt das Ziel.

Foto: Julia Eder

"Captain Gugg" konnte es in der Storm Bay quasi schon riechen. Der Landfall stand unmittelbar bevor. Aber über seine Landbeine brauchte sich Michael Guggenberger keine Gedanken zu machen. Der 45-jährige Wiener wird keinen Fuß auf Tasmanien setzen – das lässt die Teilnahme an der Solo-Nonstop-Weltumsegelung namens Golden Globe Race nicht zu.

Seit 4. September ist Guggenberger, ist das Feld unterwegs – 120 Tage auf See seit dem Start in Les Sables-d’Olonne an der französischen Westküste, einer Hafenstadt, die auch das Ziel ist. Segelt er auf seiner Nuri, einer Biscay 36 Masttop Ketsch, so weiter, hat er die Hälfte des Abenteuers hinter sich, das in dieser Form erst zum dritten Mal stattfindet – nach 1968 und 2018.

Einhandsegeln über weite Distanzen ist ein psychischer wie physischer Kraftakt. Joshua A. Slocum, ein in Nova Scotia geborener US-Amerikaner, vollendete 1898 als Erster in dieser Form eine Weltumsegelung. Er hatte auf seiner Spary mit etlichen Pausen drei Jahre und zwei Monate für 46.000 Seemeilen benötigt. 1966/67 gelang dem später geadelten Briten Francis Chichester auf der Gipsy Moth IV die Solo-Weltumsegelung mit nur einem Stopp in Sydney in neun Monaten.

Michael Guggenberger liegt mit seiner Nuri gut im Rennen.
Foto: Julia Eder

Im Jahr darauf kam der Londoner Robin Knox-Johnston bei seiner Weltumsegelung ohne Stopp aus. Er war der einzige Finisher des ersten, von der Sunday Times initiierten Golden Globe Race. Neben der gleichnamigen Trophäe lockte ein Preisgeld von 5000 Pfund, nach heutiger Kaufkraft etwa 100.000 Euro.

Während Knox-Johnston nach 318 Tagen auf seiner 9,8 Meter langen Ketsch Suhaili am 22. April 1969 wieder seinen Ausgangshafen Falmouth, Cornwall, erreichte und ebenfalls seinem Ritterschlag entgegensah, scheiterten seine acht aus beliebigen britischen Häfen gestarteten Konkurrenten unterschiedlich dramatisch.

Der Brite Donald Crowhurst, der erhebliche technische Probleme hatte, mutmaßlich falsche Positionsmeldungen abgab und, wie sich später herausstellte, sein Logbuch gefälscht hatte, gilt als vermisst. Sein Boot wurde unbeschädigt, aber leer gefunden.

Navigieren wie seinerzeit Premierensieger Robin Knox-Johnston: Einhandsegler Michael Guggenberger am Sextanten.
Foto: Julia Eder

Erst 50 Jahre später fand das zweite Golden Globe Race statt. Zum Jubiläum wurde auf Boote mit moderner Technik verzichtet. Lediglich für den Notfall sollten die Segler etwa auf Satellitennavigation zurückgreifen können. Das Konstruktionsjahr der Boote, Langkieler mit 32 bis 36 Fuß Gesamtlänge, musste zudem vor 1988 liegen. Fünf Segler erreichten wieder den Ausgangshafen Les Sables-d’Olonne, ohne Zwischenstationen eingelegt zu haben. Jean-Luc Van Den Heede siegte nach 212 Tagen Einsamkeit auf hoher See.

Die Marke des Franzosen wird in der dritten Auflage des Golden Globe Race nicht zu knacken sein. Dem aktuell führenden Briten Simon Curwen, der auf den Weg zum Kap Hoorn bereits die Südinsel Neuseelands passiert hat, sind rund 225 Segeltage vorausgesagt. Ihm dicht auf den Fersen ist die Südafrikanerin Kirsten Neuschäfer, die auf 230 Tage kommt – wenn alles gutgeht. Im November kenterte der finnische Skipper Tapio Lehtinen 460 Seemeilen südöstlich von Kapstadt und musste auf seine mit allerlei technischen Hilfsmitteln ausgestattete Rettungsinsel.

Neuschäfer war am nächsten dran, nahm den Kollegen an Bord ihrer Minnehaha und gab ihn an einen Frachter ab. Der Zeitverlust wird der Retterin gutgeschrieben. Sie liegt nur knapp vor dem drittplatzierten Iren Tomy Abhilash (rund zwei Tage), aber gut 13 Tage vor dem Österreicher Guggenberger, der also Vierter im Rennen ist. Den Sieg hat sich "Captain Gugg" allerdings gar nicht vorgenommen, als er sich die Teilnahme in den Kopf gesetzt hatte.

Golden Globe Race Official

Guggenberger ist gelernter Zimmerer, wirkte als Kulissen- und Requisitenbauer, später dann als Gastronom, Musikveranstalter, DJ und Masseur. Zum Segeln fand er erst 2012, im diesbezüglich reifen Alter von 34 Jahren. 2016 erwarb er ein eigenes Boot, allerdings war er erst mit der aktuellen Biscay 36, einer in Falmouth vor 1985 gebauten Serienyacht mit langem Kiel, zwei Masten und vier Hauptsegeln, reif für die ultimative Herausforderung.

Die ist auch nicht einfach zu finanzieren, trotz der Hilfe der Eltern Ilse und Franz. Geholfen haben fünf kleinere Sponsoren und eine Zufallsbekanntschaft im Hafen von Porto. Nicht unweit liegt Matosinhos, wo besonders in Österreich beliebte Sardinen und Makrelen eingedost werden. Michael Guggenberger hat die Ware, nach der sein Boot benannt ist, auch an Bord. Und sonst alles, was es braucht, um in einem Zug die Welt zu umsegeln, ohne versorgt zu werden. Darunter die Gabe, Land zu riechen. (Sigi Lützow, 3.1.2023)