Das ORF-Landesstudio Niederösterreich – die Einschätzungen über Politeinfluss des regionalen ORF in der STANDARD-Umfrage stechen im Ländervergleich hervor.

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53 Prozent der Menschen in Österreich bezweifeln laut einer STANDARD-Umfrage, dass die ORF-Landesstudios frei und ohne politischen Druck berichten können. Niederösterreich sticht dabei hervor. Eine Mehrheit will aber nicht auf die ORF-Regionalberichte verzichten.

Landesdirektor vorerst entmachtet

Wenige Wochen vor der Landtagswahl gab Niederösterreichs ORF-Landesdirektor Robert Ziegler die Verantwortung für die Wahlberichterstattung an Radiodirektorin Ingrid Thurnher ab. Eine interne "Evaluierungskommission" untersucht Vorwürfe von Einflussnahme im Sinne der regierenden ÖVP auf die Berichterstattung des ORF-Landesstudios.

Die Kommission untersucht, seit DER STANDARD, der SPIEGEL und Die Presse im Dezember anhand von Unterlagen, Chats und Mails Zieglers Amtsführung als Chefredakteur von 2015 bis Ende 2021 nachgezeichnet haben. Ziegler weist den Vorwurf der Einflussnahme zurück, er habe nicht gegen das Redaktionsstatut oder gar das Gesetz verstoßen.

Unmittelbar nach diesen Berichten war am 19. und 20. Dezember die STANDARD-Umfrage im Feld. Das Linzer Market-Institut fragte österreichweit und repräsentativ, wie die Menschen in Österreich ihr jeweiliges Landesstudio erleben.

Nicht verzichten

Die gute Nachricht: Eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten will nicht auf die regionale Berichterstattung der Landesstudios verzichten. Und 51 Prozent finden, dass die regionalen Nachrichten des ORF ausführlich berichten, "was in meinem Bundesland los ist".

Immerhin noch beinahe gleichauf sieht die Umfrage Zustimmung und Verneinung zu "Die regionalen Nachrichten des ORF sind im Großen und Ganzen objektiv". 39 Prozent bejahen das, für 41 Prozent trifft das nicht zu.

Die deutlich weniger gute Nachricht für die ORF-Landesstudios: 53 Prozent der Befragten bezweifeln, dass "die Journalisten in den regionalen Nachrichtensendungen des ORF frei und ohne politischen Druck agieren".

45 Prozent finden: "Die Landespolitik hat zu viel Einfluss auf das ORF-Landesstudio in meinem Bundesland." Nur 29 Prozent widersprechen dieser Aussage.

Niederösterreich sticht hervor: Die Regionalwertung

Diese Fragen nach dem vermuteten Politikeinfluss werden in Niederösterreich noch deutlich negativer beantwortet als im Bundesschnitt – ebenso wie Fragen nach der Präsenz der Landeshauptleute in den ORF-Regionalsendungen und von kritischen Stimmen in den Regionalnews sowie nach dem Eindruck objektiver Berichterstattung.

Die vier bevölkerungsstärksten Bundesländer – Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark – hat das Market-Institut in der Befragung über die ORF-Landesstudios gesondert ausgewertet. Das Landesstudio Niederösterreich sticht in den Ergebnissen zum Politikeinfluss besonders hervor. Wegen höherer Schwankungsbreiten auf regionaler Ebene weisen wir hier Tendenzen, aber keine Werte aus.

  • "Ich glaube, dass die Journalisten in den regionalen Nachrichtensendungen des ORF frei und ohne politischen Druck agieren." 26 Prozent der Befragten insgesamt stimmen dieser Aussage zu. In Wien, Oberösterreich und der Steiermark liegen die Ergebnisse auf oder sehr nah an diesem Durchschnittswert. In Niederösterreich rund ein Fünftel darunter.
  • "Die regionalen Nachrichten des ORF sind im Großen und Ganzen objektiv." Wien, Oberösterreich und Steiermark liegen bei dieser Aussage knapp über dem Österreichschnitt von 39 Prozent Zustimmung. Etwa die Hälfte der Befragten in Niederösterreich verneint das; deutlich mehr als im Bundesschnitt sagen hier: trifft nicht zu.
  • "In den regionalen Nachrichten des ORF werden immer dieselben Personen in den Vordergrund gestellt." 45 Prozent bestätigen das im Österreich-Schnitt, Wien und Oberösterreich liegen etwas unter diesem Wert. In Niederösterreich stimmen auch dieser Aussage überdurchschnittlich viele Befragte zu.
  • "Oft habe ich den Eindruck, dass in den regionalen Nachrichten des ORF nur die Landesregierung zu Wort kommt." Auch hier bleiben Wien und Oberösterreich ein Stück unter dem österreichweiten Schnitt, Niederösterreich liegt sehr deutlich darüber.
  • "Ich finde es richtig, dass in den regionalen Programmen des ORF häufig der Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau auftritt." Diese etwas komplexer formulierte Behauptung verneinen in der Steiermark die meisten Befragten, gefolgt von Niederösterreich. In diesen Ländern finden das auch etwas weniger Menschen zutreffend.
  • "In den regionalen Nachrichten des ORF vermisse ich kritische Äußerungen – etwa von Oppositionspolitikern." Hier kommt aus Niederösterreich ein klarer Höchstwert an Zustimmung, weit über dem Bundesschnitt von 43 Prozent. In Wien, Oberösterreich und der Steiermark stimmen weit weniger zu als im Schnitt.
  • "Die Landespolitik hat zu viel Einfluss auf das ORF-Landesstudio in meinem Bundesland." Niederösterreich sticht auch hier mit einem Höchstwert der Zustimmung unter den vier Bundesländern und ein Stück über dem Bundesschnitt hervor.

Die Einschätzungen des ORF-Landesstudios Niederösterreich können von den Enthüllungen vor der Umfrage beeinflusst worden sein.

Objektiv aus ÖVP-Sicht: Die nationale Sicht aus Partei-Perspektive

Sehr unterschiedlich fällt die Beurteilung der Landesstudios und ihrer Berichterstattung je nach Parteipräferenz aus.

Besonders wenig politischen Einfluss auf die Landesstudios des ORF sehen Menschen mit Präferenz für die ÖVP in der Market-Umfrage. "Die Landespolitik hat zu viel Einfluss auf das ORF-Landesstudio in meinem Bundesland", finden nur 24 Prozent der österreichweit Befragten mit deklariertem Hang zur ÖVP.

42 Prozent der SPÖ-Fans – mit immerhin drei roten Landeshauptleuten – stimmen ebenfalls zu; jene der Grünen zu 39 Prozent. Die größte Zustimmung unter den Parlamentsparteien kommt hier aus dem freiheitlichen Lager mit 65 Prozent.

Kritische Äußerungen in den Bundesland heute-Sendungen vermissen nur 21 Prozent der ÖVP-Fans – aber zumindest doppelt so viele in den anderen Lagern bis hinauf zu 70 Prozent bei den FPÖ-Anhängern.

Landeshauptleute-TV

Fast die Hälfte der befragten ÖVP-Anhänger (47 Prozent) findet es "richtig, dass in den regionalen Programmen des ORF häufig der Landeshauptmann bzw. die Landeshauptfrau auftritt". Nur 26 Prozent der SPÖ-Fans sehen das ähnlich, bei allen übrigen Fraktionen liegt die Zustimmung bei unter 20 Prozent.

In keinem politischen Lager findet diese Aussage so viel Zustimmung wie unter den Fans der ÖVP: "Die regionalen Nachrichten des ORF sind im Großen und Ganzen objektiv", finden 61 Prozent der Anhänger der Volkspartei. 52 Prozent der Grünen stimmen hier zu, 45 Prozent sind es unter SPÖ-Sympathisanten und 44 bei den Neos.

Nicht ganz so viele ÖVP-Anhänger finden, dass die Journalisten und Journalistinnen in den ORF-Landesstudios "frei und ohne politischen Druck agieren" können. Mit 44 Prozent ist aber auch hier die Zustimmung größer als in den übrigen Fraktionen. Die SPÖ-Fans folgen mit 40 Prozent, unter den Grünen stimmen 31 Prozent zu. (Conrad Seidl, Harald Fidler, 4.1.2023)