Der Bart von Argjend G. scheint wieder ein Stückchen länger zu sein als Mitte Oktober – zumindest wirkt es so. Da saß der 24-jährige Nordmazedonier noch selbst vor Gericht. Der Richter war damals überzeugt davon, dass G. ein "IS-Mann" sei, und verurteilte ihn wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Da sich G. wegen der Ermittlungen rund um den jihadistischen Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vom 2. November 2020 damals schon seit bald zwei Jahren in Isolationshaft befunden hatte, kam er umgehend frei.

Am Dienstag trat G., der im Laufe seines Prozesses als "aufstrebender jihadistische Prediger" beschrieben wurde und seit Jahren im Fokus des Verfassungsschutzes steht, nun als Zeuge im Hauptverfahren des Wiener Terrorprozesses auf. Er gilt zwar als enger Kontaktmann des späteren Wiener Attentäters K. F. Aus Sicht der Ermittler sei dieser von G. auch "fortschreitend" radikalisiert worden. Ein direkter Konnex zum Anschlag konnte dem jungen Jihadisten aber nie nachgewiesen werden.

Schweigsam und ohne eigene Meinung

Dessen Fall wurde daher getrennt verhandelt und drehte sich vor allem um eine eigens angemietete Wohnung in St. Pölten, in der G. radikale Predigten geschwungen haben dürfte. Ein letztgültiger Beweis dafür fehlte bis zum Schluss. Als Indizien dienten lediglich einschlägige Memos auf dem Smartphone des mutmaßlichen Kontaktmanns.

Wenig ergiebig fiel auch die nunmehrige Rückkehr des Nordmazedoniers vor Gericht aus. K. F. habe er 2017 in einer Moschee kennengelernt, erzählte der Zeuge. Im Jahr des Anschlags habe er den späteren Terroristen "zwei- bis drei Mal" im Monat – etwa beim Freitagsgebet – gesehen. Davor soll es kaum Kontakt zwischen den beiden gegeben haben. G. beschrieb den späteren Attentäter auch als schwer durchschaubar. Dieser habe nicht besonders viel geredet oder seine eigenen Gedanken oder Meinungen geäußert.

Seit Oktober müssen sich insgesamt sechs Hauptangeklagte in Bezug auf den jihadistischen Terroranschlag vom 2. November 2020 vor Gericht verantworten.
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Dass K. F. und der Angeklagte Heydayatollah Z. – von dessen Verwandtschaft in den Akten einige Mitglieder als radikalislamistischer Clan beschrieben werden – in seiner Anwesenheit zusammengekommen waren, bestätigte G. Das sei konkret ein Mal der Fall gewesen. Im Sommer 2020, im Zuge eines Kontakts, der später in den Ermittlungen als sogenanntes Jihadistentreffen in Wien bekannt werden sollte.

Das Treffen, an dem jeweils amtsbekannte Jihadisten aus Deutschland und der Schweiz teilgenommen hatten, wurde vom Verfassungsschutz observiert. G. lud jene jungen Männer zu einem gemeinsam Essen ein, zu dem ursprünglich der Bruder des Angeklagten Z. eingeladen haben soll. Dort sei aber nichts Besonderes passiert. Man habe gegessen, es habe Brötchen und Snacks wie Manner-Schnitten gegeben.

Z. und der spätere Attentäter seien auch weit auseinander gesessen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie ein Wort gewechselt haben", sagte G. Den Angeklagten empfinde er auch nicht als radikal. "Er nimmt das alles ein bisschen lockerer", befand G. Die Staatsanwaltschaft wirft Heydayatollah Z. hingegen vor, den Anschlag mit geplant zu haben – auch weil Z. für drei Wochen in der Wohnung des Attentäters gewohnt hatte und seine DNA auf sämtlichen Waffen des Terroristen sichergestellt werden konnte.

Einmal mehr war auch die Wäsche des Angeklagten Thema im Prozess. Heydayatollah Z. sagte am dritten Verhandlungstag des Wiener Terrorprozesses aus, dass er noch am 1. November in der Wohnung des späteren Attentäters gewesen sei. Er habe die Wäsche abholen wollen, die er zuvor in der Waschküche des Wohnhauses gewaschen hätte. Ein sich vorbereitender Attentäter oder Waffen seien ihm damals in der Wohnung nicht aufgefallen, erzählte er. Doch es gibt Zweifel an der Version des Angeklagten, ein Verteidiger hakte mit einem Beweisantrag nach. Nun wurde erhoben, dass das Wäschewaschen im besagten Wohnhaus nur mit einer Karte von Wiener Wohnen buchbar sei. Eine solche Karte sei allerdings nie gefunden worden. (Jan Michael Marchart, 3.1.2022)