Um den Jahreswechsel blieb es in weiten Teilen Österreichs bis auf hohe Berggipfel schneefrei – abgesehen vom weißen Streifen Kunstschnee, hier in Riezlern in Vorarlberg.
Foto: APA/EXPA/JFK

Der Trend geht weiter: Nicht nur im Sommer 2022 wurden in Europa Hitzerekorde gebrochen, auch der Jahreswechsel brachte hohe Temperaturen. In Puchberg am Schneeberg in Niederösterreich ging es am 1. Jänner mit 19,7 Grad Celsius los, dem wärmsten Jahresbeginn Österreichs in der Messgeschichte. Erst im Vorjahr wurde mit 18,8 Grad in Köflach in der Steiermark ein neuer Rekord aufgestellt. Das Maximum für den gesamten Monat liegt weiterhin bei 21,7 Grad, die am 10. Jänner 2015 gemessen wurden.

Rückblick: 2022 war vor allem für viele Regionen in Europa und der Arktis ein besonders heißes Jahr mit Durchschnittswerten, die zwei bis drei Grad über dem Mittelwert der vergangenen Jahrzehnte.

Anders sah es an etlichen Messstationen von Spanien bis ins Baltikum aus, wo auch Monatsrekorde überschritten wurden. "2023 begann in Europa mit einer historischen Hitzewelle", heißt es von der Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Weltraum der Europäischen Kommission. Im Schweizer Ort Altdorf herrschten seit Beginn der Aufzeichnungen 1864 im Jänner noch nie die nun dokumentierten 19,2 Grad Celsius.

Heiße Nordhalbkugel

Besonders beeindruckend fiel der Unterschied in Wyssokaje in Belarus aus. Dort wurden 16,4 Grad gemessen und damit der nationale Temperaturrekord um 4,5 Grad übertroffen, wie der Klimatologe Maximiliano Herrera betont, der Daten zu Extremtemperaturen sammelt. Allein in Deutschland seien an fast 950 Messstationen die üblichen Marken für den Zeitraum zwischen dem 31. Dezember und dem 2. Jänner überschritten worden. In der baskischen Stadt Bilbao standen 24,9 Grad in krassem Gegensatz zur winterlichen Jahreszeit.

Vergleicht man die Werte mit dem Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte, zeigt sich, wie schnell und vehement auch die globale Erwärmung voranschreitet. Herangezogen wird dafür der Unterschied in der Lufttemperatur in zwei Metern Höhe über der Oberfläche. Am ersten Jänner war es auf der Erde um 0,7 Grad wärmer als im Durchschnitt an diesem Tag in den Jahren 1979 bis 2000, erklärt der ORF-Meteorologe Marcus Wadsak. Auf der Nordhalbkugel fällt der Unterschied mit einem Plus von knapp 1,3 Grad noch stärker aus.

Vor allem in Europa und einigen arktischen und nordamerikanischen Regionen war es am 1. Jänner 2023 wärmer als im Durchschnitt des Vergleichszeitraums 1979–2000 – um etwa sechs bis 18 Grad, wie die Farbleiste zeigt.
Grafik: Climate Change Institute, University of Maine | Der Standard

Die Weltkartengrafik, die dies sichtbar macht, unterstreicht: Europa ist von der globalen Erwärmung besonders betroffen. Damit gehen auch immer häufigere Extremereignisse einher und insbesondere im Sommer lange Dürrephasen und Hitzewellen. Selbst im Vergleich zu den 1980er- bis 2000er-Jahren, als sich bereits Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels zeigten, ist ein solcher Temperaturunterschied zu Neujahr beachtlich, machte der renommierte Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) deutlich.

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Ließen einige verschneite Tage im Dezember noch vom klassischen Winterwunderland träumen, so zeigt die Dezemberbilanz für Österreich nach dem typischen Tauwetter zu den Weihnachtsfeiertagen insgesamt einen überaus milden Monat an. "Der Dezember 2022 lag im Tiefland Österreichs um 1,0 Grad über dem Mittel der Klimaperiode 1991 bis 2020, auf den Bergen um 1,2 Grad", sagt Hans Ressl. Er arbeitet bei der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), die seit Jahresbeginn gemeinsam mit der Geologischen Bundesanstalt GBA nunmehr Geosphere Austria heißt. Insbesondere in hohen Lagen steigen die Temperaturen stärker an.

Deutlicher Klimawandel

Die Gründe für die aktuellen Rekordwerte sind nicht ganz leicht zu bestimmen. Das komplexe La-Niña-Phänomen und ungewöhnlich hohe Temperaturen über den Meeren dürften eine Rolle spielen, sagt der schottische Meteorologe Scott Duncan.

Freilich lässt sich nicht jede Wetterlage mit langfristigen Klimatrends in Verbindung bringen – und es gab auch am Neujahrstag in Österreich kalte Gebiete mit maximal null Grad. Doch gerade in Sachen Temperaturanstieg ist die Datenlage sehr deutlich, die für den generellen Erwärmungstrend spricht. "Unsere Atmosphäre und Ozeane, die sich erwärmen, sorgen letztendlich dafür, dass Rekorde eher gebrochen werden", sagt Duncan.

Dieser wärmste Jahreswechsel, der je aufgezeichnet wurde, dürfte demnach nicht der letzte Rekordbrecher bleiben. Seit Beginn der Industrialisierung wurde es in Österreich um etwa zwei Grad wärmer, bis 2100 – in rund 75 Jahren – könnten es beim aktuellen Trend mindestens fünf Grad mehr sein. Studien zeigen allerdings: Sogar Menschen, die selbst von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, wollen ihr Verhalten selten anpassen. (Julia Sica, 4.1.2023)