Als Pendlerinnen und Pendler profitieren die Menschen von einem gutorganisierten Bahnverkehr. Als Steuerzahler zahlen sie allerdings den aufgedoppelten Lohnabschluss für ÖBB-Bedienstete, denn die öffentliche Hand finanziert die Staatsbahn großteils.

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Wien – Der im Dezember vereinbarte Kollektivvertrag (KV) für Bahnbedienstete hat für die ÖBB schwerwiegende finanzielle Nachwirkungen. Dies freilich nicht deshalb, weil der nach 24-stündigem Warnstreik Ende November zwischen der Transportgewerkschaft Vida und dem Fachverband Schienenbahnen für eine Laufzeit von zwei Jahren ausverhandelte KV so außergewöhnlich gut wäre.

Kosten in Millionenhöhe verursachen die Zusatzvereinbarungen, die der überwiegend von der öffentlichen Hand finanzierte ÖBB-Konzern seinen rund 36.000 Beschäftigten im Inland, (exklusive Postbus), zuteilwerden lässt. Diese werden in Form von Einmalzahlungen ausgeschüttet, die von Unternehmen in den Jahren 2022 und 2023 im Rahmen der von der Regierung gewährten Antiteuerungsmaßnahmen steuerfrei ausbezahlt werden.

Mehr als die dreifache Prämie

Wie DER STANDARD von ÖBB-Insidern erfuhr, gehen die von der Bundesbahn gewährten Einmalzahlungen signifikant über die von den Sozialpartnern in der KV-Punktation festgehaltenen Modalitäten hinaus. Denn während gemeinen Bahnbediensteten in Landes- und Privatbahnen sowie städtischen Verkehrsbetrieben die hohe Inflation mit 500 Euro Teuerungsprämie abgegolten wird, erhalten Staatseisenbahner 1800 Euro, also fast das Vierfache. Dies übrigens gestaffelt: Tausend Euro wurden für Dezember ausbezahlt, weitere 800 Euro folgen 2023. Da werden im Februar 450 und im August 350 Euro ausgeschüttet (siehe Wissen unten).

"Besserstellung auf Staatskosten"

In der Bahnbranche sorgt diese "Besserstellung auf Staatskosten" für Irritation. Als "schweres Foul" bezeichnen Arbeitgeber-Branchenmitglieder die Vorgangsweise, sie sehen sich vom Marktführer hinters Licht geführt. Das mache den Warnstreik, durch den der Bahnverkehr schwer gestört wurde, unverständlich. Denn gemessen an den Forderungen, mit denen die Vida die letzte Verhandlungsrunde vor dem Streik abgebrochen hatte (Erhöhung um 500 Euro, dem ein Angebot von plus acht Prozent und 1000 Euro Einmalzahlung gegenüberstand), ist der erzielte Zweijahresabschluss nicht erheblich besser.

Eisenbahner zweiter Klasse

Betriebsräte privater Bahnen sehen sich von ihrer Interessenvertretung als Eisenbahner zweiter Klasse behandelt. Die ÖBB-Funktionäre in der Vida rund um den Vorsitzenden Roman Hebenstreit (ist zugleich ÖBB-Konzernbetriebsratschef), hätten auf Kosten der Allgemeinheit eine Besserstellung bekommen, so die Kritik. Unmut gibt es selbst innerhalb der Konzernvertretung, also dem ÖBB-Betriebsratskollegium. Für künftige Lohnrunden sei diese Vorgangsweise wohl wenig vertrauensfördernd. Seitens der Gewerkschaft gab es keine Stellungnahme, die Vida verwies auf die ÖBB-Pressestelle.

ÖBB attraktiver machen

In der ÖBB wird betont, dass die Aufstockung der Teuerungsprämie erst nach dem KV-Abschluss beschlossen wurde. Die Besserstellung wird sinngemäß so gerechtfertigt: Einmalzahlungen seien besser als dauerhafte Erhöhungen der Entgelte. Ein Geheimnis bleibt, wie hoch die Mehrkosten durch die Teuerungsprämie sind. Bei 36.000 Begünstigten sind es rechnerisch an die 70 Millionen Euro. Teilzeitkräfte bekommen die Prämie aliquot, also entsprechend ihrer Wochenarbeitszeit. Die 3900 Postbus-Mitarbeiter sind nicht inkludiert, sie haben einen eigenen KV.

Im Bahn-Fachverband kommentiert man die hohe ÖBB-Prämie nicht. "Es steht jedem Unternehmen frei, mehr als den Kollektivvertrag zu zahlen", sagt Schienenbahnen-Obmann Thomas Scheiber. "Der Kollektivvertrag ist eine Mindestlatte, die nicht unterschritten werden darf." (Luise Ungerboeck, 4.1.2023)