Runde Kiesel entstehen unter Einwirkung von Wasser. Richtig geworfen, können sie über die Wasseroberfläche fliegen.
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Kinder sind fasziniert von dem Phänomen: Kaum haben sie grundlegende physikalische Prinzipien verinnerlicht und sich davon überzeugt, dass leichte Gegenstände auf Wasser schwimmen, während schwere untergehen, demonstriert man ihnen auf den glatten Wasserflächen von Seen, dass Steine, wenn sie im richtigen Winkel mit hoher Geschwindigkeit geworfen werden, von der Wasseroberfläche abprallen.

Das Schauspiel ist nicht nur für Zuseher von geradezu hypnotischer Wirkung, auch für die Werfenden ist es als sportliche Herausforderung reizvoll. Internationale Wettkämpfe und offizielle Weltrekorde sind die Folge.

Wer es ausprobiert hat, stellt schnell fest, dass ein einziger Sprung des Steins gar nicht so schwer zu bewerkstelligen ist. Schwieriger sind viele kleine Sprünge. Nachdem Kinder gelernt haben, dass Steine nicht in jedem Fall im Wasser versinken und es für jede noch so einleuchtende Regel eine Ausnahme zu geben scheint, bringt man ihnen bei, dass flache Steine für dieses Spiel am geeignetsten sind. Doch auch diese Regel ist offenbar nicht in Stein gemeißelt, wie die Wissenschaft nun herausfand.

Neues mathematisches Modell

Eine Gruppe am Institut für angewandte Mathematik des Imperial Collage in London hat ein theoretisches Modell entwickelt, das die Wechselwirkung von Steinen mit der Wasseroberfläche beschreibt. Ihre Erkenntnisse publizierten die Forschenden im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society A".

Russ Byars hielt 2007 den Weltrekord fürs Steinspringen. Er übertraf damals mit 51 Sprüngen den Rekord von Kurt Steiner mit 42 Sprüngen. Steiner ist mit 88 Sprüngen auch der aktuelle Rekordhalter.
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Es zeigte sich, dass auch schwerere, rundere Steine gut vom Wasser abprallen. Doch das Modell machte deutlich, dass der Prozess bei schwereren Steinen anders verläuft. Sie sind kaum dazu geeignet, rekordverdächtig oft vom Wasser abzuspringen. Dafür braucht es eine flache Flugkurve mit geringer Abprallhöhe. Schwere Steine erfahren einen besonders dynamischen Abschlag, der sie hoch aufsteigen lässt. Danach versinken sie allerdings schnell.

Der hohe Absprung liegt daran, dass bei großen Steinen mit runder Oberfläche mehr Wasser über längere Zeit zusammengepresst wird, berichten die Forschenden. So kommt höherer Druck über einen etwas längeren Zeitraum zustande. Dabei wird die horizontale Bewegung in Höhe umgewandelt, auch bei Steinen, die eigentlich zu schwer sind, um bei Anwendung konventioneller Technik übers Wasser zu springen. Der Effekt bei schweren Steinen kommt übrigens ganz ohne Rotation zustande, die beim Steinspringen mit flachen Steinen wesentlich ist, wenn es um möglichst häufiges Aufprallen geht.

Wie man weltrekordverdächtig Steine springen lässt, wird in diesem Video erklärt.
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Technische Anwendung für Flugzeuge

Künftig soll das Modell nicht nur wesentliche Erkenntnisse für das Werfen von Steinen liefern. Auch Flugzeuge, die auf eine Wasseroberfläche treffen, verhalten sich ähnlich, und sogar die Bildung von Eis auf Flugzeughüllen ist davon betroffen.

Der Weltrekord für die meisten Wasserberührungen eines Steins liegt übrigens bei 88 Aufschlägen. An der Disziplin des Steinspringens werden die neuen Erkenntnisse wenig ändern, wer einen möglichst hohen Absprung sucht, kann nun aber auf ein wissenschaftliches Fundament zurückgreifen. (Reinhard Kleindl, 6.1.2023)