Im Gastblog schildert Georg Scherer den Umgang mit dem architektonischen Erbe in der Bundeshauptstadt.

In diesem Blog habe ich schon mehrfach über Abrisse in Wien berichtet. Dass es nun wieder darum geht, zeigt die Virulenz des Problems, denn die Abrisswelle rollt ungebremst weiter. Befeuert wird das durch einen lückenhaften Abriss-Schutz und viel zu geringe Sanierungsförderungen. Während sonst allerorts auf sorgsamen Umgang mit Ressourcen gepocht wird, ist der Erhalt und sanfte Weiterbau des Häuserbestandes politisch kaum im Fokus. Aber erst einmal alles der Reihe nach.

Was ist eigentlich das gebaute Kulturerbe, das geschützt werden soll? Zuvörderst jene Gebiete, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehören, also Schloss Schönbrunn, die Innere Stadt und deren weiteres Umfeld. Kulturerbe ist aber noch viel mehr. Jenseits der Touristenmeilen kommt die Stadt zum Vorschein, in der die Mehrheit der Menschen lebt. Auch in diesem Wien stehen überall Gebäude, die prägend für das Stadtbild sind. Allem voran sind das die Zeugnisse der Stadterweiterung des späten 19. Jahrhunderts – der Gründerzeit – bis hin zu Architektur des frühen 20. Jahrhunderts. Dieses alltägliche Wien hat es seit langem schwer.

Laissez-faire im Roten Wien

"Historisches Gebäude in Paris abgerissen!" "Zentrum von Prag wird rücksichtslos demoliert!" "Laufend neue Abrisse in Salzburg-Stadt!" – Keine Sorge, diese Schlagzeilen sind erfunden. Werden die Namen dieser Städte aber durch "Wien" ersetzt, kommt das dem Alltag hiesiger Denkmalschützer und Denkmalschützerinnen schon näher. Einer der umtriebigsten ist Markus Landerer, Vorstand der Initiative Denkmalschutz. Seit über zwanzig Jahren beobachtet Landerer das Geschehen in Wien und ganz Österreich, warnt vor Zerstörungen und fordert Reformen. Sein Debüt hatte er in der Debatte um den Abriss des sogenannten Kai-Palasts im ersten Bezirk. Das prachtvolle Gebäude am Franz-Josefs-Kai war der erste Stahlbetonbau Österreichs. Der Abbruch erfolgte wegen angeblicher statischer Mängel – trotz Ortsbild-Schutzzone. Die sogenannte "Abbruchreife", die dabei schlagend wurde, ist eine Bestimmung im Wiener Baurecht, mit der Investoren und Investorinnen bis heute fast alle Schutzmaßnahmen legal umgehen können.

Kai-Palast am Franz-Josefs-Kai 47: erbaut 1911–1912, Abriss 2001.
Foto: Bruno Reiffenstein (Fotograf), 1., Franz-Josefs-Kai 47 - Kaipalast, 1941, Wien Museum Inv.-Nr. 79000/4175, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/150185/)

Der Verlust schützenswerter Bausubstanz in Friedenszeiten geht noch viel weiter zurück. Schon 1963 erklärte der Architekturkritiker Friedrich Achleitner, dass "die Zerstörungsarbeit an unseren Baudenkmälern das Ausmaß der Kriegszerstörungen schon längst übersteigt." Jahrzehntelange durfte nach Belieben demoliert werden. Beinahe hätte es auch das Biedermeier-Ensemble am Spittelberg hinter dem Museumsquartier erwischt. Zur Disposition standen einst auch die Stadtbahngebäude von Otto Wagner, das Raimundtheater, der Margaretenhof, die Secession, das Künstlerhaus, der Naschmarkt, das Palais Ferstel, das Semperdepot und viele mehr.

Nachdem sich die Stadt Salzburg 1967 ein weithin beachtetes Altstadterhaltungsgesetz gegeben hatte, folgte einige Jahre später auch Wien. Effektiv und umfassend ist der Schutz in Wien bis heute nicht. Vieles ist indes ohnehin auch schon zerstört worden. Nicht aufgrund von Naturkatastrophen oder technisch unmöglichen Reparaturen. Sondern zumeist aus wirtschaftlichen Gründen: Abriss und Neubau lohnen sich mehr als Sanierung. Die Stadt hat das durch eine eigentlich wenig sozialdemokratische Kombination aus Laissez-faire-Politik und kulturell-historischer Blindheit noch befeuert.

Auf Ortsbildschutz "vergessen"?

An Expertise hat es in der Hauptstadt nie gefehlt. So wurde 1996 eine Studie über potenziell schutzwürdige Gebiete in allen Bezirken ausgearbeitet. Trotzdem haben Behörden und Politik fast nirgends dafür gesorgt, dass dort auch tatsächlich Schutzzonen eingerichtet werden, erläutert Gerhard Hertenberger von der Initiative Denkmalschutz. Vielfach wurden auch viel zu hohe Bauhöhen erlaubt, was Abbrüche besonders lukrativ macht. "Es ist die 'Überwidmung' von biedermeierlichem und gründerzeitlichen Altbestand, dessen Erhaltung oder Sanierung und moderate Nutzungsintensivierung durch die wirtschaftliche Abbruchreife de facto verunmöglicht wird", so Peter Moser, Stadtforscher im Ruhestand. Die meisten in diesem Beitrag erwähnten Häuserverluste waren also politisch geduldet.

Weinzingergasse 5: Das Wohnhaus in Döbling war ein seltenes Gebäude mit altdeutschem Fassadendekor. Noch kurz vor dem Abriss war die Fassade in renoviertem Zustand

Weinzingergasse 5: erbaut 1907, Abriss 2016.
Foto: Erich J. Schimek, Initiative Denkmalschutz

Wiedner Gürtel 16: Mit dem Bau des Hauptbahnhofs rückte der südliche 4. Bezirk ins Blickfeld von Investoren und Investorinnen. Bezirk und Rathaus hatten es aber verabsäumt, rechtzeitig vorzusorgen, um einen verträglichen Umgang mit Bausubstanz und Wohnraum zu gewährleisten. So konnte ein großes Gründerzeithaus zwischen Hauptbahnhof und Schloss Belvedere niedergerissen werden.

Wiedner Gürtel 16: erbaut 1877, Abriss 2016.
Foto: Erich J. Schimek, Initiative Denkmalschutz

Wiedner Gürtel 18: Beim Nebenhaus wurde eine 140 Jahre alte Kuppel bei einem Dachausbau zerstört.

Wiedner Gürtel 18: erbaut 1876, Kuppel 2018 entfernt.
Foto: Georg Scherer

Döblinger Hauptstraße 2: Für das stadtbildprägende Gebäude bei der U6-Station Nußdorfer Straße war keine Schutzzone festgelegt worden. Nach dem Abriss wurde ein Hotelneubau errichtet.

Döblinger Hauptstraße 2: Abriss 2012.
Foto: Erich J. Schimek, Initiative Denkmalschutz

Webergasse 13: Das Gründerzeithaus in der Nähe der Wallensteinstraße war eines von nur wenigen Gebäuden im 20. Bezirk, dessen historische Fassade bis zuletzt komplett intakt war.

Webergasse 13: erbaut 1874, Abriss 2017.
Foto: Georg Scherer

Reform 2018: Hoffnung und Zerstörung

"Kein Abriss ohne mein Okay" – das forderte die streitbare grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou im Jahr 2015 als Reaktion auf laufend neue Hausabbrüche. Drei Jahre danach war die Gesetzesreform fertig, seither kann der Abriss vor 1945 erbauter Häuser mehr oder minder effektiv verhindert werden. Warum hat es für diesen Vorstoß überhaupt den kleinen Koalitionspartner gebraucht? Warum hat die SPÖ unter Bürgermeister Michael Häupl – von 2001 bis 2010 sogar in einer Alleinregierung – nicht schon viel früher gehandelt? Spätestens mit dem Immo-Boom ab den späten 1990ern war die Notwendigkeit für Verschärfungen offensichtlich geworden. Sollten Investoren und Investorinnen sowie stadtnahe Bauträger nicht durch strengere Bestimmungen verärgert werden? Die Ära Häupl zeichnete sich überhaupt durch einige folgenschwere Entscheidungen aus: Der Neubau von Gemeindebauten war für viele Jahre komplett eingestellt, zahlreiche kommunale Wohnhäuser wurden samt und sonders privatisiert, was zum Verlust von leistbarem Wohnraum geführt hat. Einer der verkauften "atypischen" Gemeindebauten wurde vom neuen Besitzer kurzerhand abgerissen, bei anderen wurden langjährige Mieter und Mieterinnen hinausgedrängt.

Die Bauordnungsnovelle wurde 2018 schon unter Häupls Nachfolger Michael Ludwig umgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch der breiten Öffentlichkeit schlagartig bewusst, wie lange der Altbau-Schutz vernachlässigt worden war. Völlig intakte Häuser wurden noch schnell vor der Gesetzesänderung niedergerissen. Durchaus legal, denn um Schutzzonen hatten sich die Stadtpolitiker bis zurück zu der von 1996-2001 regierenden SPÖ-ÖVP-Koalition kaum gekümmert. Viele problematische Bebauungspläne aus dieser Zeit gelten bis heute.

Demolierte Gebäude ab 2018

Mariahilfer Gürtel 33: Der Gürtel war nicht nur die "Ringstraße des Proletariats", wie die wuchtigen alten Gemeindebauten verdeutlichen. Der Gürtel ist auf weiten Abschnitten auch ein Ensemble aus Häusern der Gründerzeit. Am Erhalt dieser Gebäude hat die Politik aber kein Interesse gezeigt. So konnte auch ein stadtbildprägendes Gebäude nahe Westbahnhof abgerissen werden:

Mariahilfer Gürtel 33: erbaut im 19. Jahrhundert, Abriss 2018.
Foto: Georg Scherer

Sperl-Haus: Das Biedermeierhaus beherbergte ein bekanntes Traditionsrestaurant. Nach dem Verkauf des Gebäudes ließ es der neue Eigentümer hastig demolieren. Obwohl sogar die Ruine von den Behörden noch als erhaltenswert eingestuft wurde, kam es letztendlich zum kompletten Abriss.

Karolinengasse 13: erbaut 1826, Abriss 2018/2019.
Foto: Georg Scherer

Floßgasse 14: Vom alten jüdischen Wien ist heute nur noch wenig erhalten. Umso verheerender war der Abriss eines Hauses, in dem sich einst ein jüdisches Ritualbad befunden hatte.

Floßgasse 14: erbaut 1909, Abriss 2018/2019.
Foto: Georg Scherer

Heigerleinstraße 20–22: Ottakring ist bei Bauträgern beliebt. Das hat nicht nur Sanierungen und Dachausbauten begünstigt, sondern auch Abrissen Vorschub geleistet. Als 2014 – schon unter Regierungsbeteiligung der Grünen – nahe dem Bahnhof Ottakring der Bebauungsplan geändert wurde, vergaß man auf eine Schutzzone. Das hat auch den Abriss eines Doppelhauses ermöglicht.

Heigerleinstraße 20–22: erbaut 1906, Abriss 2018.
Foto: Georg Scherer

Thaliastraße 56: Auch für ein Gründerzeithaus in der Thaliastraße kam die Gesetzesänderung zu spät.

Thaliastraße 56: erbaut 1883, Abriss 2018.
Foto: Georg Scherer

Hotel Thüringerhof: Das drei Häuser große ehemalige Hotel machte noch kurz vor dem Abbruch einen sanierten Eindruck. Sogar das Dach war ausgebaut

Jörgerstraße 4–8: erbaut im 19. Jahrhundert, Abriss 2018/2019.
Foto: Georg Scherer

Hugogasse 8: Das Neorenaissance-Gebäude war ein Unikum in Simmering. Nachhaltig geschützt war es nicht.

Hugogasse 8: Abriss 2019.
Foto: Erich J. Schimek, Initiative Denkmalschutz

Radetzkystraße 24–26: Der Kampf um das neugotische Wohnhaus am Donaukanal hielt jahrelang Gerichte und Medien in Atem. 2018 wurde mit Abbrucharbeiten an dem Gebäude begonnen, obwohl es noch bewohnt war. Trotz massiven Widerstandes der Bewohner und Bewohnerinnen ließ sich der Erhalt nicht durchsetzen. Auffällig ist das Schweigen von Bürgermeister Ludwig zu diesem extremen Fall.

Radetzkystraße 24–26: erbaut 1849, Abriss 2018-2022.
Foto: Georg Scherer

Mariahilfer Straße 166-168: Bei den Biedermeierhäusern wurde mit dem Abriss begonnen, während in Erdgeschoß noch Geschäfte geöffnet hatten. Demoliert wurden nicht nur die Gebäude, sondern auch ein Teilstück der darunterliegenden historischen Albertinischen Wasserleitung, wie Gerhard Hertenberger erklärt.

Mariahilfer Straße 166-168: erbaut um 1840, Abriss 2018-2020.
Foto: Georg Scherer

Seidengasse 19: Das Haus war ein Überbleibsel aus jener Zeit, als der Bezirk Neubau noch ein Vorort Wiens war.

Seidengasse 19: erbaut um 1800, Abriss 2022.
Foto: Georg Scherer

Wie viele Abrisse von schützenswerten Häusern hat die Reform von 2018 tatsächlich langfristig verhindert? Welche Häuser konnten konkret geschützt werden? Das ist nicht bekannt, denn entsprechende Daten werden nicht veröffentlicht.

Wie die Schutzzone versagt

Die Schutzzone soll "charakteristische Ensembles vor Abbruch oder Überformung schützen", heißt es auf einer Webseite der Stadt Wien. In der Praxis ist das aber oft nur ein schwaches Hindernis für findige Eigentümerinnen und Eigentümer. Apropos Eigentümer: Bei diesem Wort schwingt noch die Vorstellung des älteren Herrn mit, der ein geerbtes Haus mit viel persönlichem Einsatz in Schuss hält und vermietet. Wenn es um Abbrüche geht, stehen jedoch meist Bauträger und größere Investoren und Investorinnen dahinter. Sie haben auch die finanziellen Mittel, um ganze Häuser zu kaufen, zu entmieten, niederzureißen und dann neu zu bauen.

Bauernmarkt 21: Die Innere Stadt ist seit 2001 Unesco-Weltkulturerbe. Hervorgehoben werden die "urbanen und architektonischen Qualitäten", dazu gehören "1600 Objekte der Inneren Stadt, der Ringstraße und daran angrenzender Gebiete", ist auf der Webseite der Unesco zu lesen. Einen besonderen Schutz genießen die Häuser in dieser Zone aber nicht. 2017 erlaubten die Behörden etwa den Abriss eines Jugendstilhauses nahe dem Schwedenplatz. Die gesetzliche Erhaltungspflicht hatte sich als völlig unzureichend erwiesen. Ein solcher Vorfall kann dem 1. Bezirk jederzeit wieder blühen

Bauernmarkt 21 Abriss 2017.
Foto: Initiative Denkmalschutz

Otto-Wagner-Spital: Das Krankenhaus am Steinhof ist ein einzigartiges Häuserensemble aus dem frühen 20. Jahrhundert und war schon im Gespräch als neues Unesco-Weltkulturerbe. Ein Gebäude ließ die Stadt Wien teilweise abreißen.

Ein Teil der historischen Fleischerei wurde 2021 trotz Schutzzone abgetragen.
Foto: Bürgerinitiative Steinhof erhalten

Krieglergasse 12: Das Gründerzeitgebäude nahe dem Kunsthaus von Friedensreich Hundertwasser wurde wegen angeblicher Abbruchreife abgerissen.

Krieglergasse 12: erbaut 1880, Abriss 2021.
Foto: Georg Scherer

Kaiserstraße 31: Ein aufsehenerregender Fall trug sich 2022 auf dem Grundstück eines Klosters in der Nähe der Mariahilfer Straße zu. Ursprünglich war eine Sanierung des fast 220 Jahre alten Hauses versprochen worden. Doch dann setzte der Orden einen Abriss trotz Schutzzone durch, was sogar die Bezirksvorstehung überrumpelte. Die wurde nämlich in die Abbruchbewilligung – entgegen der Stadtverfassung – nicht eingebunden. Eine örtliche Bürgerinitiative befürchtet, dass die Nachbarhäuser dasselbe Schicksal ereilen könnte.

Kaiserstraße 31: erbaut 1803, Abriss 2022.
Foto: initiative lebenswertes neubau – reform bauordnung wien / matthias fiegl

Ungargasse 25: Das Biedermeierhaus gehört zu einer Liegenschaft, auf der auch das ehemalige Hotel "Roter Hahn" steht. Die Behörden haben das Haus in der Ungargasse bereits zum Abbruch freigegeben. Eigentümer ist ein Börseninvestor.

Das Biedermeierhaus in der Ungargasse 25 steht vor dem Abbruch.
Foto: Georg Scherer

Gentzgasse 4: Das Haus aus der späten Biedermeierzeit ist älter als die meisten Gebäude in Währing. Wie die gesamte Umgebung. steht auch dieses Haus in einer Schutzzone. Trotzdem darf es abgerissen werden.

Das um 1830–1840 erbaute Haus in der Gentzgasse 4 wird abgerissen.
Foto: Georg Scherer

Pötzleinsdorfer Straße 90: Ebenfalls im 18. Bezirk steht womöglich ein weiteres Gebäude vor dem Ende. Bezirkvorsteher-Stellvertreter Robert Zöchling (Grüne) kritisiert das Abbruchverfahren: "Es wurden für die Zuerkennung der wirtschaftlichen Abbruchreife die teilweise nicht nachvollziehbaren beziehungsweise fehlerhaften Pläne und Privatgutachten des Abbruchwerbers ohne erkennbare Prüfung durch die Baupolizei und die MA25 übernommen. Die mehrseitige negative Stellungnahme des Bezirks mit den aufgeführten Mängeln wurde nicht einmal kommentiert."

Die um 1870 errichtete Villa in der Pötzleinsdorfer Straße 90 soll abgerissen werden.
Foto: Georg Scherer

"Totengräber des Wiener Kulturerbes"

Wer wirklich will, kann abreißen. Auch die 2018 reformierte Bauordnung hat daran nur bedingt etwas geändert. Abrisse wegen angeblicher Abbruchreife sind nach wie vor leicht möglich. Meist ist Abbruchreife schlicht ein Vorwand, um einen Neubau mit mehr Fläche – mehr Stockwerke, niedrigere Raumhöhen – bauen zu können. Ermittelt wird die "Abbruchreife" auf der Basis von privaten Gutachten, die von Eigentümern und Eigentümerinnen selbst beauftragt und bezahlt werden. Komme die Sanierung im Verhältnis zu den Mieteinnahmen zu teuer, wird der Abbruch erlaubt, selbst wenn das Gebäude im Eigentum von finanzstarken Bauträgern ist. Kontrollen von unabhängiger Seite finden nicht statt. Es gilt zudem das Amtsgeheimnis. Die Sanierungsförderungen durch die Stadt Wien reichen meist nicht aus, um den fehlenden Betrag für die Sanierung aufzubringen. Bei der Berechnung spielt der Wert des Grundstücks überhaupt keine Rolle.

Das Hauptproblem ist, dass die Behörden private Gutachten einfach akzeptieren. So ist zu hören, dass es Büros gibt, die jedes Haus "abbruchreif bekommen können". Die zugrundeliegenden Berechnungen sollen teils völlig aus der Luft gegriffen sein. Die Überprüfung durch die zuständige Magistratsabteilung 25 sei sehr mangelhaft. All das sorgt seit langem für Kritik. Die Initiative Denkmalschutz bezeichnet die Abbruchreife als "Totengräber des Wiener Kulturerbes". Die Grünen fordern eine Streichung der Bestimmung und kritisieren, dass manche Eigentümer und Eigentümerinnen bewusst Häuser schädigen, um Abbruchreife herbeizuführen. Dabei wäre schon unter grüner Regierungsbeteiligung Zeit gewesen, dem einen Riegel vorzuschieben. Oder hatte die SPÖ damals gebremst? Jedenfalls ist auch die Position von Michael Ludwig interessant, der vor seinem Bürgermeisteramt jahrelang Wohnbaustadtrat war. Ihm unterstanden somit auch jene Abteilungen, die für Abbruchverfahren zuständig sind und unzählige Abbrüche auf der Basis von Privatgutachten erlaubt haben.

Allmählich scheint der Ernst der Lage erkannt worden zu sein. Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) hat sich für Verschärfungen bei Abbruchverfahren ausgesprochen. Zu spät für folgende Gebäude, die wegen vorgeblicher Abbruchreife demoliert wurden:

Donaufelder Straße 193: Was heute der 22. Bezirk ist, das waren früher etliche alte Ortskerne. Sie sind heute teils stark überformt, teils erhalten. Freilich ist bei weitem nicht alles schützenswert. Aber in einigen Fällen wäre zumindest der Erhalt des Vorderhauses oder der Fassade angesagt gewesen.

Donaufelder Straße 193: erbaut 1913, Abriss 2022.
Foto: Georg Scherer

Historische AKH-Klinik: Manchmal ist die Stadt auch direkt in Abrisse involviert, etwa bei einem historischen Klinikgebäude im 9. Bezirk. Nach jahrzehntelangem Verfall erfolgte 2021 der Abbruch, obwohl die für Architektur zuständige MA 19 das Gebäude als erhaltenswert erachtet hatte. Eine weitere historische Klinik wartet ebenfalls auf die Abrissbirne.

I. Medizinische Klinik des AKH: erbaut 1911 nach Plänen des Ringstraßenarchitekten Emil Förster, Abriss 2020.
Foto: Georg Scherer

"Tüwi": Der sogenannte "Türkenwirt" war ein Gebäude der Universität für Bodenkultur. Die Bundesimmobiliengesellschaft ließ das Gründerzeithaus wegen angeblicher Abbruchreife abreißen. Das zugrundeliegende Gutachten wurde nicht veröffentlicht.

"Tüwi" in der Peter-Jordan-Straße 76: erbaut kurz nach 1900, Abriss 2016.
Foto: Erich J. Schimek, Initiative Denkmalschutz

Braungasse 30: Die Villa aus dem frühen 20. Jahrhundert war von der Magistratsabteilung für Architektur als erhaltenswert eingestuft worden. Trotzdem wurde der von einem deutschen Investor beantragte Abriss von der Baubehörde genehmigt.

Braungasse 30: Abriss 2022.
Foto: Georg Scherer

Kranzgasse 24: Das zuletzt schon ziemlich mitgenommene Gründerzeithaus in der Nähe der äußeren Mariahilfer Straße sollte eigentlich saniert werden. Die Pläne wurden aber aufgegeben, viele Jahre lang verfiel das Gebäude ohne Konsequenzen. Im Februar 2022 wurden Abbrucharbeiten durchgeführt, obwohl das Haus noch teilweise bewohnt gewesen sein soll. Einige Monate später erfolgte der Totalabriss. Ein unersetzliches Kulturgut ist damit sicherlich nicht verloren gegangen. Doch wenn das Haus sanierbar war, wäre vielleicht doch eine sanftere Erneuerung möglich gewesen.

Kranzgasse 24: erbaut im 19. Jahrhundert, Abriss 2022.
Foto: Georg Scherer

Hohenbergstraße 18: Das äußerlich sanierte Jahrhundertwendehaus zwischen Bahnhof Meidling und Schönbrunn durfte vor einigen Monaten abgerissen werden.

Hohenbergstraße 18: erbaut 1904, Abriss 2022.
Foto: Georg Scherer

Kein Schutz für Nachkriegsgebäude

Mit jedem Jahr werden Gebäude älter und jüngere Bauperioden werden historisch. Dann stellt sich die Frage, was erhalten bleiben soll und was nicht, etwa bei der Nachkriegsarchitektur. Abgesehen von Gemeindebauten und einigen denkmalgeschützten Häusern darf aus der Zeit nach 1945 alles ohne vorherige Prüfung abgebrochen werden. Das ist verwunderlich, denn die Stadt Wien ließ 2012 ein detailliertes Verfahren zur Bewertung von Nachkriegsbauten ausarbeiten. Vergebene Mühe, denn Gesetzesbestimmungen, mit denen sich solche Häuser schützen lassen, existieren nicht. So konnte beispielsweise eine Fabrik in Aspern dem Denkmalamt offenbar vor der Nase weggerissen werden.

Groß-Enzersdorfer-Straße 12: erbaut um 1960, Abriss 2021.
Foto: Georg Scherer

Intransparenz: Wer kriegt Geld – und warum?

Die Zwischenkriegszeit ist eine spannende Periode in der Wiener Architektur. Von den letzten Ausläufern des Historismus bis hin zu noch heute sehr modern wirkenden Gebäuden ist alles dabei. Diese Häuser sollten nach aktueller Gesetzeslage eigentlich geschützt sein. Das funktioniert jedoch nicht immer, etwa im Falle einer Hietzinger Villa, die von der Magistratsabteilung für Architektur als erhaltenswert eingestuft wurde. Doch der Eigentümer hält das Gebäude für unsanierbar und will abreißen. Die Baubehörde scheint dem zuzustimmen. Eine letzte Chance für den Erhalt wäre eine Förderung durch den – ohnehin seit jeher unterdotierten – Altstadterhaltungsfonds. Doch diese Förderung wurde offenbar verweigert. Wer hat diese Entscheidung getroffen? Auf welcher Grundlage? Das ist nicht bekannt, denn transparent ist das unter Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) angesiedelte Gremium, das auch mit Politikern und Politikerinnen besetzt ist, nicht.

Die 1930er-Jahre-Villa in der Hofwiesengasse 29 soll abgerissen werden.
Foto: Georg Scherer

Verfall trotz Erhaltungspflicht

In Österreich schützt selbst das Denkmalschutzgesetz – ein Bundesgesetz – nicht vor Zerstörung. Vielleicht ist das letztlich sogar politisch gewollt. Fortgesetzter Verfall zeigt auch, dass Sanierungsförderungen und steuerliche Anreize für Eigentümer und Eigentümerinnen von denkmalgeschützten Häusern fehlen. Eigentlich sollte Denkmalschutz etwas Erstrebenswertes sein. Doch sämtliche Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte haben einfach nicht die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen und das Denkmalamt zudem chronisch unterbesetzt gehalten.

Freundgasse 9: Das denkmalgeschütztes Haus aus dem 18. Jahrhundert in der sonst komplett sanierten Häuserzeile ist schon lange in einem traurigen Zustand. Seit Jahren ist ein Loch im Dach.

Das 1788 erbaute Haus in der Freundgasse 9 verfällt.
Foto: Georg Scherer

Mariahilfer Gürtel 9: Große Sorge herrscht um ein gründerzeitliches Ensemble im 15. Bezirk. Drei Gebäude sind schon augenscheinlich sanierungsbedürftig, obwohl die gesetzliche Erhaltungspflicht für alle Gebäude gilt. Das Bezirksparlament hat kürzlich das Rathaus aufgefordert, alles für den Schutz des Hauses zu tun. Der Antrag kam von der Kleinpartei Links.

Droht ein Abriss des Historismus-Gebäudes am Mariahilfer Gürtel 9?
Foto: Georg Scherer

Dornbacher Straße 4: Am Beispiel eines Hauses in Hernals wird deutlich, wie schwach die Erhaltungspflicht ist. Bei einer "Sanierung" wurden Fenster herausgerissen. Im Gesims klafft ein Loch. Im Inneren sollen beträchtliche Schäden bestehen. Das Haus ist noch bewohnt.

Was wird aus dem Haus in der Dornbacher Straße 4?
Foto: Georg Scherer

Rienößlgasse 24: Das Gründerzeithaus ist nach Berichten von Bewohnern und Bewohnerinnen in einem auffälligen Bauzustand. Die Steigleitungen seien reparaturbedürftig, die Wände feucht. Eigentümer ist ein Investor aus Großbritannien.

Die Bewohner und Bewohnerinnen des 1893 erbauten Hauses in der Rienößlgasse 24 sorgen sich um die Zukunft ihrer Wohnungen.
Foto: Georg Scherer

Vom Umbau zum Abriss?

"Wien soll Salzburg werden", titelte der "Kurier" im Juli 2022. Hintergrund ist eine Forderung der Wiener Grünen an die Rot-Pinke Regierung, mehr für den Erhalt von Altbauten zu tun. Vorbild soll das in Fachkreisen geschätzte Salzburger Altstadterhaltungsgesetz sein. Dass Salzburg großes Interesse am Schutz seines historischen Zentrums hat, wird auch mit der touristischen Bedeutung des Stadtbildes zusammenhängen. Was macht dahingehend eigentlich die Wiener Tourismuswerbung? Wenn es um den Umgang mit Altbauten geht, muss das Marketing vielleicht bisweilen von der bitteren Wirklichkeit ablenken. Dabei könnte die Situation – man verzeihe die Süffisanz – noch zum werbewirksamen Vorteil gereichen: "Schauen Sie sich die Stadt an, solange die alten Häuser noch stehen!" Oder so ähnlich.

Touristen und Touristinnen sollten etwa in Meidling die Kamera gezückt halten. In der Pufferzone des Weltkulturerbes Schönbrunn ist ein Biedermeierhaus akut gefährdet. Im November ließ der neue Eigentümer – ein bekannter Bauträger – das Dach abdecken, sodass die Bausubstanz der Witterung schutzlos ausgeliefert ist.

Die Dachziegel des Biedermeierhauses in der Schönbrunner Straße 276 wurden im November 2022 entfernt.
Foto: Georg Scherer

Abrisse wegen des Mietrechts?

Wird in Österreich über den Erhalt alter Häuser gesprochen, ist folgender Einwand nicht weit: Eigentümer und Eigentümerinnen dürften zu wenig Miete verlangen. Deswegen lohne sich der Erhalt von Altbauten nicht. Nun ist das Mietrecht tatsächlich ein Problem, denn es macht einen willkürlichen Schnitt zwischen Alt- und Neubauten. Doch auch viele "Neubauten" sind mittlerweile schon weit über 60 Jahre alt. Problematisch ist, dass etwa bei schlecht isolierten Wohnhäuser aus den 1970ern sehr hohe Mieten verlangt werden dürfen, bei sanierten Jugendstilhäusern aber nicht. So fehlt bei Altbauten mitunter das Geld für umfassende Reparaturen.

Die vermeintlich einfache Lösung: teurere Altbaumieten. Die Sache ist aber komplizierter: Zum einen sind die meisten alten Zinshäuser, die vom Markt verschwinden, physisch immer noch da. Denn nach dem Kauf und der Sanierung verkaufen Bauträger meist die einzelnen Wohnungen, oftmals an Eigennutzer und Eigennutzerinnen. Zum anderen geht es bei Abbrüchen meist darum, mehr Fläche durch niedrige Räume und viele Stockwerke zu schaffen. So schlüge der Neubau den Altbau wohl auch dann, wenn die Ungleichheit im Mietrecht nicht bestünde. Deswegen gibt es auch in Ländern mit sehr liberalen Mietgesetzen Denkmalschutz und Schutzzonen, beispielsweise im Vereinigten Königreich.

Teure Mieten mitsamt ihren fatalen sozialen Folgen sind also per se keine Lösung gegen Abbrüche. Eine Option für Österreich wäre vielleicht ein Mietrecht, bei dem jedes Haus ab einem bestimmten Baualter – beispielsweise 40 Jahre – unter bestimmte Mietzinsbeschränkungen fällt. Zuschläge müssten für aufwendig zu erhaltende und gut sanierte Häuser zulässig sein.

"Denkmalschutz ist Klimaschutz"

Ist der Altbau ein Klimasünder? In Zeiten steigender Energiepreise bekommen Altbauten mit hohen Räumen und alten Fenstern viel Kritik ab. Dabei lassen sich Fenster problemlos tauschen und Gebäude auch von innen dämmen. Abgesehen davon werden die Heizperioden immer kürzer. Noch 1955 gab es in Wien 26 Tage, an denen die Tageshöchsttemperatur unter 0°C lag. 2021 waren es nur noch sieben. Prognosen zeigen, dass es besonders in den Städten rasant wärmer wird. In Zukunft muss es also vor allem um Kühlung gehen. An der Begrünung von Straßen und Plätzen führt kein Weg vorbei.

Bei der Frage des Energieverbrauchs müssen zudem Errichtung und Baumaterialien, die "graue Energie", mit einbezogen werden: "Bei der Betrachtung der Energiebilanz des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes fällt auf, dass durch den Einsatz von grauer Energie jede Sanierung selbst dem Bau von Passivhäusern vorzuziehen ist", so die Vereinigung Architects for Future. Das Denkmalamt schlägt in dieselbe Kerbe und erklärt: "Denkmalschutz ist Klimaschutz". Der Architekt Markus Swittalek schreibt in seinem Buch "Das Gründerzeithaus": "Die umsichtige Planung, die gute Bauqualität und die Verwendung nachhaltiger Baustoffe ermöglichten eine hohe Nutzungsflexibilität und machen die Gründerzeithäuser außerdem nachhaltig."

Trotzdem spielt der Faktor Ressourcen im Wiener Baurecht bislang keine Rolle. Das ist ein Problem, wie Stadtforscher und Architekturhistoriker Norbert Mayr betont. Bei Bauprojekten sollte es, so Mayr, eine "CO2-Budget-Prüfung" geben: "Der Abriss des Bestandes vernichtet die dort verbaute graue Energie und Raum-Ressourcen. Seine Sanierung benötigt im Regelfall den Bruchteil des CO2-Budgets eines Neubaus, der damit nur in Sonderfällen klimagerecht möglich ist."

Was sich auch ästhetisch aus alten Häusern herausholen lässt, wird etwa am Gürtel in Meidling deutlich. Dort ließ ein engagierter Eigentümer ein Gebäude sanieren und die Fassade nach Originalplänen wiederherstellen. Förderungen gab es dafür keine.

Gaudenzdorfer Gürtel 47: erbaut 1907, Sanierung 2020.
Foto: Georg Scherer

Wie die Politik die Häuser (nicht) schützt

Speist sich der Erhalt von Gebäuden bloß aus dem Bemühen einzelner Eigentümer und Eigentümerinnen, haben wir ein Problem. Die Interessen von Fonds, Investorinnen und Investoren sowie Bauträgern sind meist anders gelagert. Ohne klare rechtliche Vorgaben wird aus Erhaltung und Sanierung nichts.

Maßgeblich in Wien ist die SPÖ, die seit 1945 durchgehend den Bürgermeister stellt. Alles, was in Richtung Altstadterhaltung erreicht und verabsäumt wurde, ist letztlich auf Entscheidungen der Sozialdemokratie zurückzuführen. Gerade in Fachkreisen wird das Desinteresse der SPÖ an Architektur und Altbau-Schutz beklagt. Nichtsdestotrotz hat die SPÖ die letzten Reformen der Bauordnung beschlossen und für dieses Jahr Verbesserungen versprochen.

Schwankend ist auch die Haltung der ÖVP. Als "Konservierer" treten die Konservativen nämlich nicht auf. In Wien setzt sich die Volkspartei manchmal für Schutzzonen ein, etwa in Hietzing. In anderen Bezirken lehnte die ÖVP aber mehr Ortsbildschutz mit Verweis auf Eigentümerinteressen ab. Die Bauordnungsnovelle 2018 hatte die Partei noch scharf kritisiert. Vier Jahre später klingt das schon ganz anders. Gefordert werden nun mehr Schutz von erhaltenswerter Bausubstanz und eine strenge Überprüfung von Abbruchgenehmigungen.

Wenig ist bislang von den Neos zu hören. Michael Ludwigs Koalitionspartner hatte sich noch 2018 gegen mehr Altbau-Schutz ausgesprochen. In den Bezirken haben pinke Bezirksräte mehrfach gegen Anträge für neue Schutzzonen gestimmt.

Eindeutiger ist die Haltung der FPÖ, die 2018 als einzige Oppositionspartei für die Verschärfung bei Abbrüchen gestimmt hat. Am anderen Ende des politischen Spektrums sind die Grünen, die seit etlichen Jahren einen deutlichen Kurs für mehr Altbau-Schutz fahren. Auch die Kleinpartei Links, zu der die KPÖ gehört, fällt in den Bezirken durch Anträge auf, in denen der Erhalt von Bestandsbauten gefordert wird.

2023: Reform oder alles egal?

Im November des Vorjahres diskutierten Politiker und Politikerinnen, Magistrate sowie Experten und Expertinnen über eine Reform der Wiener Bauordnung. Auch der Umgang mit Altbauten stand auf der Tagesordnung. Nicht eingeladen war die Initiative Denkmalschutz. Dem parteiunabhängigen Verein wurde trotz Anfrage die Teilnahme verweigert.

Soll es nun ernsthaft und nachhaltig zu Verbesserungen kommen, sind besonders drei Punkte entscheidend: Erstens muss die Erhaltungspflicht verschärft werden, um Verfall effektiver verhindern zu können. Zweitens braucht es ein Ende des Abreißens historischer Häuser auf der Basis von Privatgutachten. Drittens müssen die Förderungen für sanierungsbedürftigte Häuser massiv aufgestockt werden.

Die Probleme und Lösungen sind der Stadtregierung bekannt. Aber besteht überhaupt der politische Wille, etwas zu lösen? Zu befürchten ist, dass sich die Immobilienwirtschaft mit ihren Interessen durchsetzt. So ist zu hören, dass von umfassenden Reformen schon gar keine Rede mehr sei. Wohnbaustadträtin Gaál stehe etwa einem besseren Schutz vor Verfall – also einer Erhaltungspflicht wie in Salzburg – ablehnend gegenüber. Ob die Regierung tatsächlich auf der Seite der Abreißer steht oder nicht, wird wohl demnächst klarwerden. Klar ist auch: Wenn die rot-pinke Stadtregierung jetzt nicht handelt, geht die Zerstörung des Kulturerbes munter weiter. Und was einmal verloren ist, kommt nie wieder zurück. (Georg Scherer, 9.1.2023)