Nudeln werden in sprudelnd kochendem Wasser ohne Deckel al dente zubereitet, so will es die italienische Tradition. Es geht aber auch anders, behauptet ein englisches Physikerteam.

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Die italienische Küche ist weltberühmt und hat eine altehrwürdige Tradition. Da kann es dann schon einmal zu erbitterten Diskussionen kommen, wenn es um die richtige Zubereitung des Pizzabodens oder um das einzig wahre Rezept für Spaghetti alla carbonara geht. Und so war es nicht weiter verwunderlich, dass ein auf Facebook erteilter Ratschlag des italienischen Physiknobelpreisträgers Giorgio Parisi zum energiesparenden Nudelkochen prompt für Debatten sorgte, die die Form eines Glaubensstreits annahmen.

Der Komplexitätsforscher, der 2021 den Nobelpreis für die "Entdeckung des Zusammenspiels von Unordnung und Fluktuationen in physikalischen Systemen von der atomaren bis zur planetarischen Skala" erhielt, hatte angesichts der Energiekrise folgenden einfachen Tipp auf Facebook parat, um Nudeln möglichst energiesparend zu kochen: Zur Halbzeit der auf der Packung angegebenen Kochdauer könne man die Hitze abdrehen, dann einen Deckel auf den Nudeltopf geben und warten, bis die Restwärme im Wasser die restliche Arbeit erledigt.

Die Bedeutung des Deckels

Parisi verwies als gewissenhafter Wissenschafter auch darauf, dass der Vorschlag auf einen gewissen Alessandro Busiri Vici zurückgehe, und er betonte – so wie die österreichische Umweltministerin – die Wichtigkeit des Deckels. Der sei "fondamentale", also "unerlässlich".

Umgehend erhob sich ein mittlerer Sturm der Entrüstung, angeführt vom Sternekoch Antonello Colonna: Diese Methode würde die Nudeln gummiartig machen, und das Ergebnis des gutgemeinten Energiespartipps könne in einem hochklassigen Restaurant wie seinen niemals serviert werden. Nudeln müssten klassisch italienisch bei sprudelnd kochendem Wasser ohne Deckel zubereitet werden. Schnell berichteten die wichtigsten italienischen Medien über die Debatte, und etliche Fachleute aus der Lebensmittelindustrie, dem Kochgewerbe und der Wissenschaft meldeten sich zu Wort.

So ganz wurden dabei die zwei entscheidenden Fragen aber nicht geklärt: Ist der Tipp von Parisi wirklich so kosten- und energieeffizient? Und schmecken die solcherart gekochten Spaghetti tatsächlich so schlecht? Ein junges Team der Nottingham Trent University ist den Fragen sowohl theoretisch wie auch praktisch (also in der Küche) auf den Grund gegangen und berichtet für die populärwissenschaftliche Medienplattform "Conversation" von den Ergebnissen.

Physik des Nudelkochens

Der Physiker David Fairhurst und seine beiden Studenten Mia London und Ross Broadhurst gingen zunächst einmal der grundsätzlichen Frage nach, was beim Nudelkochen eigentlich physikalisch abläuft. Erstens dringt Wasser in die Nudeln ein, wodurch sie innerhalb von zehn Minuten in kochendem Wasser rehydriert und weicher werden. Genauer betrachtet nahmen die Stärkekörnchen in den Nudeln unter Hitze Wasser auf. Sie quellen auf und sprengen das Gerüst aus Eiweißfäden auf, die sich beim Trocknen der Nudeln zu einer Art Gerüst verfilzt haben.

Bei der Standardkochmethode und einer Standardportion werden 100 Gramm Nudeln je nach Dicke zehn bis zwölf Minuten lang in einen Liter kochendes und gesalzenes Wasser gegeben. Die Aufschlüsselung des Energieverbrauchs ist in der nachstehenden Grafik dargestellt, die anhand der Informationen über den Energiepreis und den Wirkungsgrad des Herdes (ein Induktionsherd ist rund 20 Prozent energieeffizienter als ein Ceranfeld) in Gesamtkosten umgerechnet werden kann.

Laut dieser Grafik werden rund 60 Prozent der Energie dafür verwendet, das Wasser zehn Minuten lang kochen zu lassen. Alles, was getan werden kann, um diese Zeit zu verkürzen, hat also einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten des Nudelkochens. Die Methode von Parisi, den Herd auf halbem Weg auszuschalten und die Nudeln – unter einem Deckel (!) – mit der Restwärme gar werden zu lassen, senkt folglich die Kochkosten um rund ein Drittel. Diese Methode ist bei Cerankochfeldern noch effektiver, da sie im Gegensatz zu Gas- und auch Induktionskochfeldern langsamer abkühlen.

Aber um welche Kosten geht es dabei eigentlich? Je nach Herd (und Energiepreis) schätzte das Physikerteam den Preis für eine Standardzubereitung der Nudeln auf aktuell umgerechnet rund 10 Cent, was natürlich nicht allzu viel Geld bedeutet. Geht man allerdings davon aus, dass jeder Brite und jede Britin einmal in der Woche Pasta isst, dann ergeben sich laut den Berechnungen doch stolze Kosten von umgerechnet rund 5,3 Millionen Euro pro Woche allein für die Nudelzubereitung.

Einweichen der Nudeln in kaltem Wasser

Das Forscherteam hat aber noch einen weiteren Vorschlag, der italienische Profiköchinnen und -köche wohl endgültig auszucken lassen würde: Fairhurst und Kollegen argumentieren, dass sich durch die Trennung der Prozesse des Rehydrierens und Erhitzens die Kosten noch weiter senken ließen, indem man getrocknete Nudeln vor dem Kochen zwei Stunden lang in kaltem Wasser einweicht. Anschließend müssen die Nudeln in kochendes Wasser gegeben werden, um sie zu erhitzen.

Auch hier ergäben sich noch weitere Einsparmöglichkeiten durch eine Reduktion der Wassermenge. Denn auch eine Halbierung der Wassermenge würde zu perfekten Nudeln führen – zumindest nach englischen Vorstellungen. Wird die Menge hingegen auf ein Drittel reduziert, würde die Konzentration der Stärke im Wasser zu sehr ansteigen und zu verklumpten Nudeln führen.

Weitere Versuche zeigten, dass sich auch durch eine Verringerung der Kochtemperatur Energie sparen ließe: Es sei – wie auch schon Parisi schrieb – nicht nötig, den Topf bei 100 Grad Celsius zum "Kochen" zu bringen, wie es oft empfohlen wird. Ein leichtes Köcheln reiche aus, um die Nudeln vollständig zu kochen, was eine zusätzliche Ersparnis bringt. Alle Versuche mit der Mikrowelle hingegen lieferten schlechte Ergebnisse. (Beim Reiskochen dagegen sind die Mikrowellenresultate überzeugend, berichtete unlängst erst STANDARD-Kochexperte Tobias Müller aus kulinarischer Perspektive.)

Das ultimative Sparrezept

Unter dem Strich besteht für die englischen Physiker also die günstigste Nudelkochmethode darin, sie zuerst in kaltem Wasser einzuweichen, bevor man sie für nur ein bis zwei Minuten in einen Topf mit – relativ wenig – kochendem beziehungsweise siedendem Wasser und mit einem Deckel gibt. Das klingt sehr energiesparend. Über die Konsistenz der solcherart gekochten Nudeln sind allerdings keine verbindlichen Informationen bekannt. (Klaus Taschwer, 7.1.2023)