Es gibt mittlerweile mehrere Tage, die eine Sensibilisierung für finanzielle Ungleichheit bringen sollen. Der Gender-Pay-Gap etwa beschreibt den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen. In Österreich lag dieser Gap laut Eurostat 2020 bei 18,9 Prozent. Das heißt, Frauen verdienen pro Stunde durchschnittlich knapp 20 Prozent weniger als Männer.

Der Equal-Pay-Day wiederum zeigt, ab welchem Tag Vollzeit arbeitende Männer das Jahreseinkommen von Vollzeit arbeitenden Frauen erreicht haben. Ab diesem Tag – in Österreich war das 2022 der 30. Oktober – arbeiten Frauen bis zum Jahresende gratis.

Fat-Cat-Day

Seit einigen Jahren wird auch der Fat-Cat-Day errechnet. Das ist jener Tag, an dem Vorstandsvorsitzende der größten börsennotierten Unternehmen das jährliche Einkommen ihrer Beschäftigten verdient haben.

Dieser Tag fällt in Österreich heuer auf den 5. Jänner. Das heißt: Die Chefs müssen nicht einmal eine ganze Woche arbeiten, bis sie das österreichische Medianeinkommen von 34.776 Euro verdient haben.

34.776 Euro betrug 2021 das Jahresmedianeinkommen österreichischer Beschäftigte. Ein ATX-Vorstandschef braucht dafür oft nur vier Tage.
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Und jetzt etwas genauer: Für die Berechnung, die von der Arbeiterkammer (AK) Wien erstellt wird, wird das Medianeinkommen laut dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger herangezogen. Bei den Vorstandsbezügen wird die durchschnittliche Vorstandsvergütung des Jahres 2021 der Vorstandsvorsitzenden in den 20 Unternehmen des Leitindex ATX der Wiener Börse verwendet.

Bei einem Stundenlohn von 729 Euro muss ein Vorstandsvorsitzender (unter den 20 CEOs befand sich mit Elisabeth Stadler von der Vienna Insurance Group übrigens nur eine Frau) durchschnittlich lediglich 48 Stunden arbeiten, um das Jahresmedianeinkommen eines österreichischen Beschäftigten zu erreichen: Bei einem Zwölf-Stunden-Tag sind das genau vier Arbeitstage.

Der große Unterschied

Da der 1. Jänner 2022 ein Sonntag und Feiertag war, hat ein ATX-Vorstandsvorsitzender im Durchschnitt mit Ende seines vierten Arbeitstages am 5. Jänner bereits das vollständige Medianeinkommen eines österreichischen Beschäftigten verdient.

Noch schneller geht es für Anas Abuzaakouk. Bei einer Jahresvergütung von 10,5 Millionen Euro für 2021 muss der Chef der Bawag nur 1,1 Arbeitstage bis zum Medianeinkommen schaffen. Wienerberger-Chef Heimo Scheuch und Mayr-Melnhof-CEO Peter Oswald müssen 1,6 bzw. 1,9 Tage arbeiten.

Solche Unterschiede stoßen auch Menschen in anderen Ländern sauer auf.
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Mit 22,7 Tagen muss Cord Prinzhorn, seit November 2021 Vorstandsvorsitzender beim Naturfaserhersteller Lenzing, am längsten arbeiten. Mit 490.000 Euro verdient er unter den ATX-Bossen am wenigsten. Auch er braucht aber nur knapp 23 Tage, um das Jahresmedianeinkommen zu verdienen.

Relation wird gefordert

Der AK stößt dieser drastische Unterschied freilich sauer auf. "Der Aufsichtsrat sollte eine angemessene Relation zwischen Vorstandsvergütung und Belegschaft definieren", sagt Elisabeth Lugger, Wirtschaftsjuristin in der AK Wien. Diese "manager to worker pay ratio" gehöre öffentlich gemacht. Zusätzlich zu dem Angemessenheitsfaktor sollte die Unternehmenspolitik Höchstgrenzen für die Vergütung der Vorstandsmitglieder sowie für einzelne Vergütungsbestandteile (beispielsweise variable Vergütung) vorsehen.

Auch in puncto Transparenz sieht Lugger Aufholpotenzial. "Einige Konzerne geben zwar das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten im Unternehmen an und die Gesamtvergütung oder auch die durchschnittliche Vergütung des Vorstands. Aber die Relation fehlt hier noch oft." Lugger fordert zudem eine stärkere Offenlegung. "Eine transparente, umfassende Berichterstattung über die unterschiedlichen Bausteine der Vorstandsvergütung gehört zur Basis der guten Unternehmensführung", sagt sie.

Nachhaltigkeitsziele

Die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen müsste für Lugger zudem ein fester Bestandteil aller Vorstandsvergütungen werden. Positiv hebt die Expertin hervor, dass die Erfüllung nichtfinanzieller Kriterien zwar in die Vergütungspolitik aufgenommen wurde. Dass Nachhaltigkeitsaspekte aber zu einem Drittel den Ausschlag geben, davon sei man noch weit entfernt. (Bettina Pfluger, 5.1.2023)