Neos-Lab-Direktor Lukas Sustala schreibt in seinem Gastkommentar über Versäumnisse, die dem Wirtschaftsstandort Österreich schaden würden.

Neue Vorsätze haben im neuen Jahr immer Hochkonjunktur. Warum aus den Vorsätzen der Vorjahre nichts geworden ist, wird dabei leider viel zu selten hinterfragt. Oft fehlt der kritische Blick zurück, nicht nur im privaten, sondern auch im politischen Bereich.

Zum kritischen Blick zurück würde für die österreichische Wirtschaftspolitik gehören, dass sich der Wirtschaftsstandort angesichts von Reformstau und Vertrauensverlust in einem Erosionsprozess befindet. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), alles andere als bekannt für Alarmismus, hat am letzten Tag vor Weihnachten seinen Radar für Wettbewerbsfähigkeit veröffentlicht und das Ergebnis selbst unverblümt so zusammengefasst: Österreich "fiel weiter hinter das obere Drittel der europäischen Vergleichsländer zurück".

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In Österreich ist zwar der aktuelle Wohlstand unbestritten hoch, was sich an hohen Einkommen und Wertschöpfung ablesen lässt. Aber die Veränderung geht in die falsche Richtung, weil die Pflege des Standorts angesichts von politischen Skandalen und einem fehlenden Reformwillen auf der Prioritätenliste Jahr für Jahr den Kürzeren zieht.

Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria analysierte Ende Dezember auf Basis seines Wettbewerbsfähigkeitsindex, dass sich der österreichische Standort "noch im Mittelfeld halten" kann. Das ist zu wenig, um die hohen Einkommen und Abgaben langfristig zu rechtfertigen. Und das ist ein reales, aber langfristiges Risiko in Österreich. Das zeigt sich auch mit einem Blick auf die österreichischen Staatsfinanzen. Diese werden sich nach einer aktuellen Prognose langfristig dramatisch verschlechtern. Die "langfristige Budgetprognose" bis 2060 wurde kurz vor Weihnachten eher still und heimlich veröffentlicht, obwohl sie sich überdeutlich von der zuletzt erschienenen Prognose von 2019 unterscheidet. Der Schuldenstand der öffentlichen Hand dürfte langfristig bis 2060 nicht wie noch vor der Pandemie erwartet leicht sinken (auf rund 66 Prozent der Wirtschaftsleistung), sondern wird auf fast das Doppelte anwachsen (121 Prozent des BIP).

Knappes Geld

Nun sind Prognosen immer mit Vorsicht zu genießen, vor allem wenn sie derart langfristig sind. Doch die Richtung ist wie bei den jüngsten Untersuchungen zum Standort dieselbe. Österreich rutscht ab, weil Reformen nicht angegangen wurden und sich die vielen Milliarden an Förderungen und Subventionen, die in der Pandemie und in der Energiekrise mit der Gießkanne ausgeschüttet wurden, zwar auf den Schuldenstand, aber nicht auf die Produktivität auswirken. Wer das knappe Geld der Steuerzahlenden ohne empirische Begleitung und klare Ziele ständig neu verteilt, erhöht den Wohlstand nur kurz-, aber nie langfristig. Es wäre ein großes Versäumnis und gerade für die kommenden Generationen in Österreich teuer, wenn die Politik auf die gewachsenen Risiken für Standort und Wohlstand in Österreich nicht reagiert.

Woran liegt nun die Erosion des Wirtschaftsstandorts Österreich, und was ist zu tun? Die Warnung vor verblühenden Landschaften am österreichischen Wirtschaftsstandort hat mehrere Gründe: Der demografische Wandel ist eine Herausforderung für eine Gesellschaft. Österreichs Politik hat, anders als Dänemark oder Schweden, bis dato allerdings weder offen über Chancen und Risiken einer alternden Gesellschaft gesprochen noch sich entsprechend darauf vorbereitet. Immer noch gehen die Österreicherinnen und Österreicher im Schnitt mit demselben Pensionsantrittsalter in den Ruhestand wie noch 1970 – und das, obwohl die Lebenserwartung im selben Zeitraum dank so vieler Fortschritte in der Arbeitswelt, in der Medizin und in der Gesundheitsprävention um acht Jahre gestiegen ist. Das erhöht die demografischen Kosten, während die Chancen durch höhere Erwerbsbeteiligung ungenutzt bleiben.

Andere stehen nicht still

Dem Standort schadet es auch, dass bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf so wenig weitergeht. Österreich liegt bei der Beschäftigungsquote von Frauen international im Hintertreffen und verschwendet damit ungeheuer viel Potenzial. Das Steuersystem treibt mit der international sehr hohen Belastung von Arbeit zusätzlich die Teilzeitquote in die Höhe. Und gerade junge Unternehmen werden von der Bürokratie viel zu oft am Wachstum gehindert. An all diesen Faktoren hat sich in Österreich wenig geändert, und man könnte daraus schließen, das sei nicht weiter schlimm. Doch andere Länder stehen nicht still, sondern reformieren mutig. Daher lautet das Ergebnis über die Jahre, nicht nur in den jüngsten Vergleichen und auf dem Wifo-Radar: Österreich bleibt immer schlechter.

Vieles davon, was Expertinnen und Experten da in den vergangenen Monaten zusammengetragen haben, ist für die gelernten Österreicherinnen und Österreicher nicht neu. Dass es allerdings kein Gegensteuern gab, liegt nicht nur an der "Multikrise" aus Pandemie, Ukraine-Krieg und steigenden Energiepreisen. Dass Reformideen – wie zuletzt etwa eine groß angekündigte Reform am österreichischen Arbeitsmarkt – immer wieder scheiterten, liegt auch daran, dass die Politik eher mit sich selbst als mit den Problemen für den Standort beschäftigt war. Und nach der Verschleppung von Korruptionsaffären und Transparenzreformen hat auch das Vertrauen in die Politik und ihre Fähigkeit, Reformen anzugehen und Probleme zu lösen, dramatisch abgenommen, wie etwa der Demokratiemonitor der Meinungsforscher von Sora gezeigt hat.

Das dämpft in einem ohnedies unsicheren Umfeld die Zuversicht weiter. Auf die zuletzt immer deutlicheren Signale nicht zu reagieren wäre Ignoranz. Und die sollte man sich zu einem Jahreswechsel sicherlich nicht vornehmen. (Lukas Sustala, 5.1.2023)