Der Idealwert: 0,0 Promille beim Alkotest. Die erlaubte Höchstgrenze liegt seit 25 Jahren bei 0,5 Promille. Doch auch mit weniger kann man bereits fahruntauglich sein.

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Es muss immer etwas passieren, bevor etwas geschieht. Als vor 25 Jahren in Österreich die 0,5-Promille-Grenze im Straßenverkehr eingeführt wurde, war das kein Zufall. Wenige Monate zuvor, im November 1997, hatte ein betrunkener Autolenker auf der Westautobahn einen schweren Unfall verursacht, bei dem drei Schüler des Gymnasiums Biondekgasse in Baden ums Leben kamen. Die Jugendlichen gehörten zu einem Basketball-Team, das in dem Kleinbus unterwegs war, den der Alkolenker mit rund 180 km/h rammte.

Der Unfall löste große Bestürzung in ganz Österreich aus, Hinterbliebene und Mitschüler organisierten Petitionen und Demonstrationen für eine Senkung der erlaubten Promillegrenze, die damals bei 0,8 lag. Mit Erfolg. Es wurde zwar nicht die vielfach geforderte 0,0-Promille-Regelung, aber die Politik einigte sich auf 0,5 Promille. ÖVP und FPÖ hatten davor jahrelang diesen Schritt blockiert. Am 6. Jänner 1998 trat das Gesetz in Kraft – und gilt bis heute.

Rückgang bei tödlichen Alko-Unfällen

Hat sich die Situation verbessert? Ja und nein, zeigt ein Blick in die Statistik: Im Jahr 1998 gab es noch 2.217 Alkoholunfälle auf Österreichs Straßen, bei denen 82 Menschen getötet und 3.113 verletzt wurden. Genaue Daten für 2022 liegen noch nicht vor, aus der vorläufigen Statistik des Innenministeriums heißt es, dass Alkoholisierung 2022 bei 18 der tödlichen Unfälle (5,2 Prozent) gegeben war.

2021 gab es 2.348 Alkohol- und Drogenunfälle, womit 7,2 Prozent aller Unfälle in diese Gruppe fielen. Dies war ein deutlicher Anstieg gegenüber 2020 mit insgesamt 2.081 Alkoholunfällen und entsprach dem höchsten Anteil an Alkoholunfällen seit der elektronischen Unfallerfassung 1992, berichtete die Statistik Austria.

Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) hat sich auch den Alkoholisierungsgrad angesehen. Mehr als die Hälfte der Alkoholunfälle werden von Lenkern und Lenkerinnen mit mehr als 1,2 Promille verursacht. 2021 hatten bei Alko-Unfällen 33,86 Prozent mehr als 1,6 Promille, 18,5 Prozent einen Wert zwischen 1,2 und 1,6. Zwischen 0,5 und 0,8 Promille reihten sich 10,3 Prozent der Beteiligten an Alkoholunfällen ein.

Mehr Unfälle mit schwerer Alkoholisierung

Auffallend ist laut Armin Kaltenegger, dem Leiter des Fachbereichs Recht und Normen im KfV, dass die Unfälle von Alkolenkern mit niedrigem Alkoholisierungsgrad seit 2012 abgenommen haben. Bei schwer alkoholisierten Lenkern zeigt sich hingegen keine Abnahme, sondern sogar eine leichte Zunahme. Wurden 2012 noch 778 Unfälle von Verkehrsteilnehmern mit mehr als 1,6 Promille verursacht, waren es 2021 insgesamt 795. Im Vergleich dazu wurden 2012 insgesamt 290 Verkehrsunfälle von Betrunkenen mit 0,5 bis 0,8 Promille ausgelöst, 2021 waren es dann 242 mit diesem Alkoholisierungsgrad.

Der Blick auf die Statistik zeigt auch, dass Unfälle deutlich häufiger von stärker alkoholisierten Personen, also mit über 1,2 Promille, verursacht werden. Im Vorjahr wurden außerdem 343 Unfälle von Verursachern mit 0,8 bis 1,2 Promille und 544 von Personen mit 1,2 bis 1,6 Promille ausgelöst.

Wegfahrsperren gefordert

Das deutet darauf hin, dass stark alkoholisierte Lenker eher wenig Einsicht zeigen. Den starken Trinkern und Trinkerinnen ist die Grenze sozusagen eher egal. Deren Trinkverhalten ändert sich offenbar auch bei einer Senkung der Promillegrenze nicht. "Bei denen hilft es nicht mehr zu kontrollieren, bei denen muss es faktisch unmöglich sein, dass sie ein Fahrzeug starten können", sagte Kaltenegger. Er fordert für diese gefährliche Minderheit der unbelehrbaren Lenker die Einführung von "Alkoholwegfahrsperren" bzw. "Alkolocks". Wegfahrsperren sind deshalb so effektiv, weil sie Alkofahrten bereits im Vorfeld verhindern und nicht erst im Nachhinein bestrafen.

Alkolock-Projekt gestrichen

Alkolocks hat es in Österreich bereits gegeben. Am 1. September 2017 trat das Alternative Bewährungssystem (ABS) – befristet auf fünf Jahre – in Kraft: Personen, denen die Lenkerberechtigung aufgrund eines Alkoholdelikts für mindestens vier Monate entzogen wurde, bekamen die Möglichkeit, durch die Teilnahme an diesem Pilotprojekt und den Einbau einer Alkoholwegfahrsperre im Auto ihren Führerschein der Klasse B (und BE) schneller als ursprünglich vorgesehen zurückzuerhalten. Auf diese Weise sollten Fahrten unter Alkoholeinfluss und zugleich der Verlust des Arbeitsplatzes wegen eines Entzugs des Führerscheins verhindert werden. 655 Männer und 98 Frauen nahmen am Pilotprojekt des Samariterbunds teil. Das Bewährungssystem für Alkolenkerinnen und -lenker wurde im Vorjahr jedoch vom Verkehrsministerium ersatzlos gestrichen.

Für Führerscheinneulinge gilt während der ersten drei Jahre Probezeit eine 0,1-Promille-Grenze. Für Radfahrerinnen und Radfahrer liegt sie nach wie vor bei 0,8 Promille. Auch betrunkenen Radlerinnen und Radlern droht übrigens eine Führerscheinabnahme.

Trügerische Minderalkoholisierung

Die gesetzlich festgelegten Alkoholgrenzwerte sind Höchstgrenzen. Dass man, wenn der Wert unter 0,5 Promille liegt, automatisch immer ein Auto oder ein Motorrad lenken darf, ist aber ein Trugschluss. Der ÖAMTC macht darauf aufmerksam, dass auch ein deutlich niedrigerer Alkoholgehalt dazu führen, nicht mehr fahrtauglich zu sein – etwa bei Ermüdung oder etwaiger Wechselwirkungen mit Medikamenten. Fachlich spricht man dann von einer Minderalkoholisierung. "Lenkt man dann trotzdem ein Fahrzeug, droht eine Strafe und im Falle eines Unfalls sogar ein gerichtliches Strafverfahren", heißt es in der ÖAMTC-Rechtsabteilung.

Kontrolle ohne Verdacht möglich

Ein verbreiteter Irrtum ist auch, dass eine Alkoholkontrolle nur bei Verdachtsmomenten erlaubt sei. Die Straßenverkehrsordnung berechtigt die Polizei jederzeit, die Atemluft von Lenkerinnen und Lenkern, die am Verkehrsgeschehen teilnehmen, zu kontrollieren – und zwar ab dem Versuch, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen.

Die 0,5-Promille-Grenze im Straßenverkehr ist in Europa am weitesten verbreitet. Etliche Länder haben sich aber bereits für niedrigere Höchstgrenzen entschieden; 0,0 gilt zum Beispiel in Estland, Rumänien, Tschechien und der Slowakei, 0,2 in Norwegen, Schweden und Polen. Nur in Großbritannien und in Malta liegt sie noch bei 0,8. (APA, simo, 5.1.2023)