Es war nicht das Jahr der Tech-Aktien, unterm Strich blieben größtenteils rote Zahlen stehen. Ein Blick auf die Charts der IT-Giganten wie Microsoft, der Google-Mutter Alphabet oder dem Facebook-Konzern Meta zeigt Abschläge zwischen 25 und 60 Prozent. Dass es 2022 keinen ungebremsten Höhenflug mehr geben wird, war schon zu Jahresbeginn klar. Dass es so kommt, allerdings nicht. Amazon, Meta, Twitter und andere haben Massenentlassungen eingeleitet. Beobachter sprechen bereits von einer "tech-cession".

Die Papiere der Tech-Giganten waren in den vergangenen Jahren die Hauptträger des Börsenaufschwungs. Dass die Corona-Krise deren Erfolg beschleunigt hat, ist mittlerweile fast eine Binsenweisheit. Was 2022 alles passierte, geht aber auch an solchen Unternehmen nicht vorbei. Der Ukraine-Krieg brachte viel Verunsicherung in den Markt, die Null-Zins-Zeiten sind vorüber und nicht zu vergessen: der Chipmangel.

Die großen Tech-Giganten betraten vergangenes Jahr eher unbekanntes Terrain: die rote Zone.
Foto: REUTERS

Bewusstsein geschaffen

Einigen wenigen Unternehmen wie Infineon bescherte der Mangel allerdings volle Geschäftsbücher. Ende des Jahres kündigte der deutsche Konzern an, in Dresden ein Werk um fünf Milliarden Euro bauen zu wollen.

Mit dem Chipmangel wurde in Europa jedenfalls das Bewusstsein gestärkt, dass die starke Abhängigkeit von China Risiken birgt. Von einem Tech-Kontinent ist Europa weit entfernt. Das wird etwa dadurch bestätigt, dass nach der Softwareschmiede SAP lange nichts kommt.

Bei Halbleitern dürfte sich die Lage aber mittlerweile wieder etwas entspannt haben. Viele Unternehmen hatten aus Panik viel mehr geordert, als eigentlich benötigt, und stornieren diese Bestellungen allmählich wieder. Das Wachstum bei europäischen Produzenten wird vermutlich weitergehen, aber sich etwas verlangsamen. Vorausgesetzt, es kommt nicht wieder zu unerwarteten Markterschütterungen.

Solide Geschäftsmodelle gefragt

Der unerwartete Ukraine-Krieg brachte unter anderem einen Anstieg der Zinsen mit sich. Nachdem jahrelang die Leitzinsen in der EU und in den USA bei null lagen, zwingt die Teuerung die beiden Zentralbanken zu einer Zinswende. Die US-Notenbank Fed hat mittlerweile auf 4,25 bis 4,50 Prozent erhöht. Die anfangs zögernde Europäische Zentralbank (EZB) verrechnet 2,5 Prozent. Während die Kreditzinsen rasch mitziehen, steigen die Sparzinsen nur sehr zögerlich.

Das lässt auch Investorinnen und Investoren konservativer agieren, denn Geld wurde teu(r)er. Es geht nicht mehr nur um schnelles Wachstum, der Blick richtet sich mehr auf rentable Geschäftsmodelle, vielen Tech-Unternehmen wurde dadurch der Wind aus den Segeln genommen. Auch Finanzierungen sind mittlerweile weit schwerer zu bekommen, was vor allem kleinere Unternehmen betrifft.

Für die IT-Riesen stellt sich demnach die Frage, wie weit die Zentralbanken die Zinsen noch in die Höhe schrauben. Jedes Mal, wenn die Aktienmärkte ein Ende der geldpolitischen Straffung erhofften, schossen die Kurse in die Höhe. Bestätigt hatte sich die Hoffnung dann aber nie.

Nach unten war voriges Jahr eine gängige Marschrichtung an den Aktienmärkten.
Foto: IMAGO/Silas Stein

Spezialposition Apple

Die Apple-Aktie rangiert im Vergleich zum Vorjahr bei einem Minus von rund 28 Prozent, dennoch hat der Konzern aus Cupertino verglichen zu den anderen einen Vorteil: Apple produziert auch Hardware. Während das Ansehen von reinen Software-Unternehmen sank, stieg jenes von produzierenden Betrieben. Apple ist ein Inflationsgewinner, kaum jemand gibt steigende Preise so leicht weiter, und sie werden angenommen. Von den ganz Großen legte die Apple-Aktie im Vorjahr die größte Achterbahnfahrt hin, während es beispielsweise für Meta fast nur bergab ging.

Sogar der MSCI World

Er gilt als einer der beliebtesten Indizes auf der Welt und wird von fast allen Seiten ohne Wimperzucken empfohlen: der MSCI World. Er bildet 1.600 Aktien aus 23 Industrieländern ab. Und sogar für den ging es um etwas mehr als zehn Prozent nach unten. Plötzlich "rächt" es sich, dass der Index sehr techlastig aufgestellt ist. Dass Diversifikation im Portfolio wichtig ist, wird dadurch einmal mehr bestätigt. Wenig überraschend waren auch die Verluste bei reinen Tech-Indizes wie dem Nasdaq 100 oder dem Tecdax groß.

Ausblick auf 2023

Ob Investoren 2023 aufatmen können, darüber sind Analysten verschiedener Ansicht. Während sich einige verhalten optimistisch äußern und mit Zuwächsen in der zweiten Jahreshälfte rechnen, schließen andere einen Crash in derselben Periode nicht aus. Zu den vorsichtigen Optimisten gehört etwa die Deutsche Bank. Ihre Analysten gehen von mittleren einstelligen Renditen an den Aktienmärkten aus. Aufgrund von niedrigen Bewertungen bei stabilen Unternehmensgewinnen blieben Aktien eine interessante Anlageoption.

Die Verluste des Vorjahres wirken auf den ersten Blick zwar enttäuschend, vor dem Hintergrund der Krisen des alten Jahres hätte aber alles auch viel schlimmer kommen können, sagt Anlagestratege Jürgen Molnar vom Brokerhaus Robomarkets. Für langfristig orientierte Anleger bleibe das Jahr 2022 "nur ein kleiner Knick im Chart nach unten". Kurzfristig sollten die ersten sechs Monate des heurigen Jahres am Aktienmarkt schwierig bleiben, bevor eine erneute Wende in der Geldpolitik zum Einstieg in den Aktienmarkt motivieren könne. Solange der Zinstrend nach oben zeigt, dürften es allen voran die bereits 2022 gebeutelten Technologieaktien schwer haben, wieder Tritt zu fassen. (Andreas Danzer, 6.1.2023)