Beim Aus für Konversionstherapien geht es nur langsam voran. Grund dafür sei die komplexe Materie, sagt Nico Marchetti von der ÖVP.

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Es ist 2023, und in Österreich ist es weiterhin möglich, eine Heilung von Homosexualität zu versprechen. Und das, obwohl der Wille, ein Verbot solcher Angebote für zumindest Minderjährige gesetzlich zu verordnen, schon lange da ist. Zuletzt wurde im Sommer 2021 ein Antrag, in dem ein Ende der "Pseudobehandlungen" gefordert wurde, einstimmig angenommen. Bei den sogenannten Konversionstherapien handle es sich um einen Verstoß gegen Artikel acht der Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), wurde unter anderem im Antrag angeführt. Expertinnen seien sich außerdem einig, dass es sich um unethische, schädliche und gefährliche Praktiken handle.

Als alle Parteien einem Verbot zustimmten, war die Freude vor eineinhalb Jahren daher groß. Denn Fälle gibt es laut der Kinder- und Jugendanwaltschaft noch immer, vor allem in klerikalen Vereinen.

Gesetz war für Sommer geplant

Allerdings: Das passende Gesetz ist noch immer nicht da. Die Regierung arbeitet noch immer an der Ausarbeitung. Zuletzt hieß es von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) noch, ein Gesetz werde spätestens im Sommer 2022 da sein. Diese Frist ist freilich längst verstrichen. Wieso geht nichts weiter? Die Neos haben diese Frage in Form einer parlamentarischen Anfrage an die betroffenen Ministerien gestellt, die Beantwortung durch Zadić und Gesundheitsminister Johannes Rauch (ebenfalls Grüne) liegt nun vor.

Grüne warten auf ÖVP

Zwischen den Zeilen geht hervor, dass der Koalitionspartner dafür verantwortlich sei, dass bis jetzt die Umsetzung nicht klappt. Ein vom Justiz- und Gesundheitsministerium erstellter Entwurf "wurde dem Koalitionspartner übermittelt und befindet sich derzeit in politischer Abstimmung", heißt es in der knappen Beantwortung. Und: "Der Entwurf wird nach Finalisierung und Abschluss der politischen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner einem mehrwöchigen, allgemeinen Begutachtungsverfahren unterzogen."

Shetty (Neos): "Der Anstand würde nicht mehr Grün wählen"

Yannick Shetty, LGBTIQ-Sprecher der Neos, hat die Anfrage unter anderem eingebracht. "Es ist wirklich ungeheuerlich, dass nach mehr als drei Jahren grüner Führung im Justizressort immer noch kein gesetzliches Verbot von menschenunwürdigen Konversionstherapien an Jugendlichen vorliegt", sagt er zum STANDARD. Zadić komme ihrer Pflicht nicht nach. "Die Grünen wurden auch für den Schutz von Menschenrechten gewählt. Dass sie dermaßen auslassen, ist enttäuschend. Der Anstand würde nicht mehr Grün wählen", zitiert Shetty einen Wahlwerbeslogan der Regierungspartei.

Marchetti (ÖVP) sieht "Goodwill auf beiden Seiten"

Und der Koalitionspartner, der am Zug sein soll? Dass es in der ÖVP auch Abgeordnete gibt, die das Verbot von Konversionstherapien für Minderjährige kritisch sehen, ist kein Geheimnis. Mit Gudrun Kugler gibt es beispielsweise eine erzkonservative Politikerin in den türkisen bzw. schwarzen Reihen. Dennoch stimmte man 2021 dem Verbot zu.

Den Vorwurf, man sei für die Verzögerung verantwortlich, will man naturgemäß so nicht stehen lassen. Nico Marchetti, Sprecher für Studierende und Schüler bei der ÖVP, räumt zwar ein, dass der Ball derzeit tatsächlich bei seiner Partei liege. Allerdings sehe er keine Verzögerung. Vielmehr gebe es "Goodwill auf beiden Seiten". Marchetti, der in seiner Partei einer der wichtigsten Treiber für das Verbot war, führt die Komplexität der Materie für die Verspätung an. Es gehe zunächst um den Begriff "Konversionstherapie" an sich und welche Angebote man damit fassen will und kann, dann aber auch um die rechtliche Verortung, also ob ein Verstoß eine Verwaltungsstrafe bedeuten würde oder ob man im klassischen Strafrecht wäre.

"Zach", dass noch kein Gesetz da ist

In Deutschland sei ein Gesetz zwar rasch umgesetzt worden, sagt Marchetti, dafür habe es im Nachgang aber Diskussionen gegeben, die man sich hierzulande gleich ersparen wolle. Ja, es sei "zach", dass es noch kein Gesetz gebe, sagt Marchetti. Er habe vor Weihnachten aber noch in der Causa mit der Justizministerin gesprochen und sei guter Dinge, dass es nicht mehr lange dauern könne.

Shetty geht die Geduld jedenfalls langsam aus. Ob die ÖVP blockiere oder nicht, sei nebensächlich. "Tatsache ist: Nach drei Jahren fehlt ein gesetzliches Verbot immer noch. Was bedeutet das für die betroffenen Jugendlichen, die solche Therapien über sicher ergehen lassen mussten?" (Lara Hagen, 10.1.2023)