Die Nationalgarde rückte in Culiacán aus.

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Culiacán – Bei der Festnahme eines Sohnes des berüchtigten Drogenbosses Joaquín "El Chapo" Guzmán in Mexiko sind nach Regierungsangaben 29 Menschen getötet worden. Bei den Todesopfern handle es sich um zehn Militärangehörige und 19 "Gesetzesbrecher", sagte Verteidigungsminister Luis Cresencio Sandoval am Freitag. Ovidio Guzmán war am Donnerstag im Norden Mexikos verhaftet worden, danach hatten sich Mitglieder von Guzmáns Kartell Feuergefechte mit Sicherheitskräften geliefert.

Die Maus und der Kurze

Ovidio Guzmán, Spitzname "El Raton" (Die Maus), soll nach "El Chapos" (Der Kurze) Auslieferung an die USA im Jahr 2017 geholfen haben, die Drogengeschäfte seines Vaters weiterzuführen. Die USA hatten bis zu fünf Millionen Dollar Belohnung für Hinweise zu seiner Festnahme ausgesetzt.

Der Verhaftung von Ovidio Guzmán war laut Sandoval ein sechsmonatiger Überwachungseinsatz vorausgegangen, um den 32-Jährigen aufzuspüren. Gefasst wurde er schließlich in der Stadt Culiacán, der Hauptstadt des Bundesstaates Sinaloa. Nach seiner Festnahme wurde Guzmán Junior nach Mexiko-Stadt geflogen und im Hochsicherheitsgefängnis Altiplano inhaftiert – demselben Gefängnis, aus dem sein Vater 2015 geflohen war.

Schulen geschlossen

Die Festnahme löste eine Welle der Gewalt in Culiacán aus. Wütende Mitglieder von Guzmáns Sinaloa-Kartell griffen Sicherheitskräfte an, errichteten Straßensperren und setzten Fahrzeuge in Brand. Laut Verteidigungsminister Sandoval erlitten 35 Soldaten Schussverletzungen. Neben Ovidio Guzmán wurden 21 weitere Verdächtige festgenommen. Unter den Todesopfern ist laut Regierung auch ein ranghoher Offizier, dessen Patrouille von Drogengangstern angegriffen wurde.

Die Schusswechsel erstreckten sich bis zum Flughafen. Eine Passagiermaschine und zwei Militärflugzeuge wurden laut Verteidigungsminister Sandoval von Kugeln getroffen. Die Militärmaschinen, die gerade starteten, mussten demnach eine Notlandung vollziehen. Im Internet verbreitete Bilder zeigten, wie sich verängstigte Passagiere im Terminal des Flughafens auf den Boden kauerten, um den Kugeln zu entgehen. Die Schulen der Stadt wurden wegen der Gewaltwelle geschlossen, Sportveranstaltungen wurden abgesagt.

"Harter Schlag gegen Kartell"

Ovidio Guzmán ist der bekannteste der vier Guzmán-Söhne. Auch seine Brüder Joaquín, Iván Archivaldo und Jésus Alfredo sind laut Ermittlern in den Drogenschmuggel verstrickt. Die US-Behörden werfen Ovidio Guzmán den Schmuggel von Kokain, Crystal Meth und Cannabis in die USA vor. Laut den US-Ermittlern soll er zudem die Ermordung eines Polizeiinformanten, eines Drogenhändlers und eines prominenten Sängers angeordnet haben, der sich weigerte bei seiner Hochzeitsfeier aufzutreten.

Das vor vier Jahrzehnten von "El Chapo" gegründete Sinaloa-Kartell zählt zu den mächtigsten Drogenkartellen Mexikos. Es wird von Washington unter anderem beschuldigt, den US-Markt mit Fentanyl zu überschwemmen. Die synthetische Droge ist etwa 50 Mal stärker als Heroin, zahllose Drogentote in den USA gehen auf ihr Konto.

Prozess in Mexiko geplant

Ovidio Guzmán war bereits im Oktober 2019 ein erstes Mal in Culiacán vorübergehend festgenommen worden. Damals wurde er wieder freigelassen, nachdem Kartellmitglieder in Culiacán sich Straßenkämpfe mit Sicherheitskräften geliefert hatten. Mehrere Menschen wurden damals getötet, das öffentliche Leben kam völlig zum Erliegen.

Ovidio Guzmáns Festnahme erfolgte wenige Tage vor einem geplanten Besuch von US-Präsident Joe Biden in Mexiko. Einen Zusammenhang zwischen Bidens bevorstehendem Mexiko-Besuch und Guzmáns Festnahme verneinte der Sicherheitsexperte David Saucedo. Sie sei vielmehr eine Folge des "Drucks der Amerikaner auf die mexikanische Regierung" seit Guzmáns gescheiterter Festnahme im Jahr 2019.

Eine rasche Auslieferung Ovidio Guzmáns an die USA schloss Außenminister Marcelo Ebrard aus. Dem 32-Jährigen solle in Mexiko der Prozess gemacht werden. (APA, 6.1.2023)