Mit den Nieren ist es wie mit den SUVs: Je mehr dagegen gewettert wird, desto verrückter sind die Leute danach. Und es steht da seit ewig die Behauptung im Raume, der Verkaufserfolg oder -misserfolg sei von Relevanz im Wirtschaftsleben.

So also auch bei BMW. Man könnte mit einiger Berechtigung dagegen wettern, dass die sich gar so stark an den Geschmack der Hauptmärkte China und USA anbiedern, zulasten der angewandten Alltagsästhetik, könnte auch anführen, dass man doch auch bisher Autos aus Italien oder Frankreich oder Deutschland wegen deren spezifischer stilistischer Herangehensweise wertschätzte, aber der Gegencheck: siehe Verkaufserfolg ...

Beim 2er Active Tourer sind die Nüstern, also die Nieren, auch ziemlich ausgeprägt, aber doch nicht so dramatisch wie bei diversen größeren SUVs aus weiß-blauem Hause, die mitunter aussehen, als würden sie Kinder zum Frühstück verzehren.

Weil der Active Tourer hauptsächlich Europa anvisiert, hält sich bei ihm BMWs Nierenkrankheit in Grenzen. Innen geht es superpraktisch zu, bis auf das Bedienkonzept – da setzt man besser auf Spracheingabe.
Foto: Andreas Stockinger

Hauptgrund für die, nun ja, Zurückhaltung: Die Fahrzeuge auf der frontantriebsbasierten Plattform zielen erstrangig auf die Klientel des Herkunftsbereichs von BMW, also Deutschland, Europa – und damit zum Testfahrzeug, um das es hier geht. 230e xDrive Active Tourer.

Lasst mich mal an die Dose, dafür steht das kleine "e": Das hier ist die Plug-in-Hybrid-Version des kompakten, ungemein praktischen Familiengefährts, und es ist nicht der erste Versuch dieser Art.

Eine sehr ähnliche Anzeige werden Sie schon bei anderen BMWs gesehen haben.
Foto: Andreas Stockinger

Im direkten Vergleich mit dem Vorgänger fällt am deutlichsten auf, welche Fortschritte in so kurzer Zeit in der Batterietechnologie erzielt wurden. Damals war ein Drei-Zylinder-Turbo-Benziner mit 100 kW (136 PS) an Bord, ein Elektromotor mit 65 kW (88 PS), die Systemleistung lag bei 165 kW (224 PS). Und jetzt kommt’s: Mit der 6,1-kWh-Batterie kam man maximal 45 elektrische Kilometer weit, real vielleicht 30.

Daraus ist bei der vorliegenden Ausgabe ein Akku mit 14,2 kWh Nettokapazität geworden, mit maximal 93 km Reichweite, dazu gleich mehr. Vorne treibt ein Dreizylinder mit 110 kW (150 PS) an, hinten eine E-Maschine mit 130 kW (177 PS), also wiederum Allrad wie gehabt, Systemleistung: 240 kW (326 PS), und statt der Sechs-Gang-Automatik kommt nun ein siebengängiges Doppelkupplungsgetriebe zum Einsatz.

... und ein bisschen mehr

93 Kilometer! In der winterlichen Testpraxis (Energiefresser Heizung) blieben stets ehrliche 60 plus übrig. Soll niemand sagen, man könne damit nicht während der Arbeitswoche die gängigen Wege und ein schönes Stückchen mehr bewältigen.

Bei uns war das jedenfalls so, und aufgrund einer E-Maschine, die jetzt sogar stärker ist als der Verbrenner, fehlt einem auch leistungsmäßig nichts. In dem Punkt sind BMW-Kundinnen jedweden Geschlechts ja besonders anspruchsvoll.

Unser 14-Tage-Testprofil enthielt etwa gleich viele Kilometer in der Stadt wie auf der Landstraße und Autobahn, der E-Antrieb ist theoretisch bis 140 km/h verfügbar, das macht aber wenig Sinn, besser fürs nächste Ortsgebiet sparen, und der Bordcomputer bescheinigte uns finalmente folgende Werte: 7,6 kWh / 100 km Strom, 6,4 l / 100 km Benzin.

Genügend große Ablagen im Vorderbereich sind noch immer viel zu selten, hier gibt's Bonuspunkte!
Foto: Andreas Stockinger

Wenn Sie also ansehnliche Strecken lokal emissionsfrei unterwegs sein wollen, ist der 230e keine üble Wahl. Wenn Sie aber mehr Kofferraum brauchen (statt 470/565 bis 1405 Liter hat der Plug-in-Hybrid nur 406/500 bis 1370) und vorwiegend Langstrecke unterwegs sind: Schnappen Sie sich einen Diesel.

Unsere Hauptkritikpunkte, abgesehen vom Preis: BMW wirft das Dreh-drück-Bedienkonzept zugunsten von Nurnochtouch raus. Und ein Plexiglas-HUD (Head-up-Display) ist des Herstellers unwürdig.

Die Erfindung des Touchscreens war eine Katastrophe für die Automobilindustrie. Ein Glück, dass man die Ventile noch manuell bedienen darf.
Foto: Andreas Stockinger

Ansonsten ist das ein wohldurchdachtes Gefährt. Verkauft sich blendend, kein Wunder, dass BMW weiter am Van festhält (kein Wunder auch, dass der größere, noch praktischere, aber potthässliche Gran Tourer keinen Nachfolger bekommen hat), klare Ansage als Auto, klares Bekenntnis zum Konzept und damit zur Konkurrenzsituation.

In diesem Kofferraum schauen sogar große Taschen etwas verloren aus, was hier nicht reinpasst lohnt sich nicht mitzunehmen.
Foto: Andreas Stockinger

Eigentlich ist BMW 2014 auf den Zug aufgesprungen, weil Mercedes’ B-Klasse gar so gut ankam, auch bei älteren, konservativeren Menschen. Seitdem die Stuttgarter sich aber mit Haut und Haaren den Kapitalmärkten verschrieben haben und nicht den Kundenwünschen, steht es schlecht um A- und B-Klasse. Sie bringen Profit, aber nicht genug. Also weg damit. Ein riskantes Spiel. BMW verhält sich: klüger. (27.1.2022)