Die Branche kann klimaneutral werden und muss künftig Skisport und Sommerangebote parallel anbieten, sagt Markus Redl, Geschäftsführer von Ecoplus Alpin in Niederösterreich, im Gastkommentar.

Skifahren in St. Corona am Wechsel und in Kopenhagen (unten): Beide Areale verbinden Skisport mit anderen Angeboten wie einem Motorikpark oder einer Kletterwand.
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Der "urbane Berg" in Kopenhagen.
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Ob der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Schneesports wollten Anna Burton und Oliver Fritz vom Wifo mit ihrem Gastkommentar "Österreich – eine Skination im Abschwung" aufrütteln, die heimische Tourismuswirtschaft müsse sich angesichts des Klimawandels auf einen radikalen Umbruch gefasst machen. Skitourismusexperte Günther Aigner wiederum erklärt, "Warum das Skifahren Zukunft hat", und rät zur Unaufgeregtheit, zumal ja ohnehin auch noch in Jahrzehnten Skibetrieb möglich sein wird. Was aber kann konkret in den nächsten Jahren getan werden, um aus Skigebieten ganzjährig florierende Tourismusorte zu machen?

Der Skitourismus ist in Österreich eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, Schnee kann in der alpinen Peripherie vielerorts als weißes Gold bezeichnet werden. Sogar während der Wetterkapriolen dieser Tage zieht der Schnee Menschen an, die ihrem geliebten Skisport nachgehen. In niederen und mittleren Lagen sind es die weißen Pistenbänder in grüner Landschaft, die für Diskussionen sorgen. An und für sich ist aber das Skifahren im Vergleich zu anderen – und durchaus günstigeren – Urlaubsarten mit weniger CO2-Emissionen behaftet. Der Großteil ist der An- und Abreise geschuldet.

Klimaneutraler Skiurlaub

Historisch gesehen ist der Tourismus in den Alpen an Bahnstrecken entstanden, was von St. Anton am Arlberg bis zum Semmering beste Voraussetzungen für grüne Mobilität schafft. Die Branche kann daher in gemeinsamer Anstrengung klimaneutral werden, muss auf dem Weg dorthin jedoch für Transparenz und Vergleichbarkeit der Daten sorgen. Eine österreichweite Saisonkarte mit Klimaticket würde Seilbahnen und öffentlichen Verkehr ganz konkret verbinden.

Für die Nachwuchsförderung essenziell sind stadtnahe Skigebiete speziell für Familien wie die Wexl-Arena in St. Corona am Wechsel, die mit Bahn und Bus erreichbar sind. Vielleicht gibt es auch bald in Österreich und Deutschland Angebote wie Copenhill in Dänemark – eine Trockenpiste und ein Kletterangebot auf einer Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen.

"Jeder Kubikmeter Schnee zählt, denn elektrische Energie und zunehmend auch Wasser sind kostbar."

Was in Modellen zur Wirtschaftlichkeit von Skigebieten vor dem Hintergrund des Klimawandels bisher nicht vorkam, ist die derzeitige Vervielfachung der Strompreise. Jeder Kubikmeter Schnee zählt, denn elektrische Energie und zunehmend auch Wasser sind kostbar – mehr und mehr Seilbahnbetriebe werden selbst Strom produzieren und auch für die Wasserversorgung von Almen oder von Löschwasser sorgen.

Großzügig Überkapazitäten für wenige Tage Spitzenauslastung beim Skibetrieb vorzuhalten wird es in Zukunft nicht mehr spielen. Jeder Hektar Pistenfläche wird am besten von früh bis spät, gern auch für unterschiedliche sportliche Aktivitäten, genutzt. Die allgegenwärtige Monokultur der plattgewalzten, eher harten Piste wird von inszenierten "Fun-Slopes", da oder dort sogar wieder durch Buckelpisten abgelöst. Außerdem kommt das sogenannte Pistengehen, Aufsteigen mit Tourenskiausrüstung, noch mehr im Mainstream an. Fazit: Wenn wir für den Erholungs- und Freizeitwert der Menschen in den Bergen Infrastruktur betreiben, dann ist deren gleichmäßig hohe Auslastung Pflicht. Die wird am besten erreicht, wenn potenzielle Gäste ihre Wahl über gemeinsame Onlinemarktplätze bereits im Vorfeld treffen können.

Winter "hui", Sommer "pfui"

Die klassische Trennung in Winter "hui" und Sommer "pfui" ist in Skigebieten schon länger obsolet. Der Sommerbetrieb ist von einer strategischen Notwendigkeit, um Beherbergungsbetrieben ausreichend Öffnungstage sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ganzjahresarbeitsplätze anbieten zu können, zu einem Geschäft geworden. Neu ist in unseren Breiten, dass aufgrund der hohen Temperaturen parallel zum Skibetrieb auch klassische Sommerangebote in Betrieb genommen werden. In den Südalpen war es unter Alpinistinnen und Alpinisten schon länger üblich, Fahrräder und Kletterzeug gar nicht erst wegzuräumen. Auch wir werden ausgewählte Wanderwege, Klettersteige und Mountainbike-Trails viel länger, manchmal sogar das ganze Jahr über, nutzen. Warum soll zudem die im Sommer omnipräsente Naturvermittlung über Erlebniswege und ähnliche Angebote in angepasster Form nicht auch im Winter erfolgen?

Viel Potenzial

Die Wissenschaft geht davon aus, dass Gäste "grundsätzlich eine hohe Anpassungsfähigkeit, sowohl räumlich (Wahl eines anderen Skigebiets) als auch zeitlich (Skifahren nur in Saisonzeiten mit ausreichend Schnee) und hinsichtlich der Aktivitäten (andere Aktivität statt Skifahren)", hätten (siehe "Tourismus und Klimawandel", Springer Spektrum, 2021). Der Schneesport ist ungebrochen attraktiv, mit seiner Wertschöpfung kommt derzeit das Radfahren auf dem Berg bei weitem nicht mit. Das Befahren von speziellen Trails mit dem Mountainbike oder von Forststraßen mit dem Gravelbike hat jedoch Potenzial – und ist auch möglich, wenn das weiße Gold einmal ausbleibt. (Markus Redl, 9.1.2023)