In Lützerath (Nordrhein-Westfalen) ist schon Polizei vor Ort. Zur Räumung in den nächsten Tagen werden noch viel mehr EInsatzkräfte kommen.

Foto: IMAGO/Jochen Tack

Das gelbe Transparent mit der schwarzen Schrift ist gut sichtbar. "1,5 °C heißt: Lützerath bleibt", steht da an einer Hausmauer des kleinen Dorfes in Nordrhein-Westfalen, südwestlich von Düsseldorf.

Eigentlich ist der Ort am Tagebau Garzweiler, wo RWE Braunkohle abbaut, schon unbesiedelt. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind fort, nicht aber Aktivistinnen und Aktivisten, die verhindern wollen, dass Lützerath verschwindet.

Hambacher Forst

"Lützi bleibt", lautet ihr Schlachtruf, und er erinnert an "Hambi bleibt" aus dem Jahr 2018. Damals haben sich rund 30 Kilometer südlich von Lützerath Demonstrantinnen und Demonstranten für den Erhalt des Hambacher Forstes eingesetzt und den uralten Wald mit 30 Meter hohen Bäumen besetzt.

Dieser hätte gerodet werden sollen, damit RWE an die darunterliegende Braunkohle kommt. Zunächst aber musste die Polizei die Aktivistinnen und Aktivisten von den Bäumen holen – auf Anordnung der damaligen schwarz-gelben Regierung unter Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).

Doch dann gab es in letzter Minute einen Erfolg für jene, die den Wald nicht preisgeben wollten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verfügte einen vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst. "Hambi" blieb tatsächlich.

Schmerzlicher Schritt

Und eine solche Wende wünschen sich jetzt viele auch für Lützerath. Doch mittlerweile ist die politische Lage eine andere. Die Grünen, die die "Hambi"-Aktivisten noch unterstützt hatten, sind in Nordrhein-Westfalen nicht mehr in Opposition, sondern bilden seit dem Sommer 2022 mit der CDU die Landesregierung.

Sie haben dem Ende von Lützerath zugestimmt. "Die Räumung ist ein schmerzlicher, aber leider notwendiger Schritt", sagt die grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur. Sie verteidigt den Abriss des Dorfes mit dem Argument, dass dafür der Kohleausstieg in Nordrhein-Westfalen um acht Jahre von 2038 auf 2030 vorgezogen wird und fünf andere Dörfer im Rheinischen Braunkohlerevier vor der Zerstörung bewahrt würden. So wurde es 2022 vereinbart.

Viel Widerstand im Dorf

Doch die Absprache stößt auf massiven Widerstand. "Das symbolische Vorziehen des Kohleausstiegs auf das Jahr 2030 bringt nichts, solange sich nicht auch die Kohlemengen verringern. Die Kohle unter Lützerath zu verfeuern bedeutet den Bruch mit den Pariser Klimazielen", kritisiert Karsten Smid, Energieexperte von Greenpeace.

Unterstützung bekamen die Aktivistinnen und Aktivisten in Lützerath von Luisa Neubauer, der Sprecherin der Fridays-for-Future-Bewegung. "In Lützerath ist die Grenze des Weiter-so erreicht. Die Politik traut sich noch nicht, das anzuerkennen, aber die Zivilgesellschaft schon", betont sie.

In den vergangenen Tagen sind zahlreiche Unterstützerinnen und Unterstützer in die Nähe von Lützerath gekommen. Aufgerufen wird dazu unter dem Hashtag #LuetzerathUnraeumbar. Auf den Straßen wurden Barrikaden errichtet, unter anderem betonierten Aktivisten Gasflaschen in die Fahrbahnen ein, um diese unpassierbar zu machen.

Sitzblockaden und Besetzungen

"Wir hoffen, dass wir Lützerath sechs Wochen lang halten können", sagt Dina Hamid, Sprecherin der Initiative Lützerath. Derzeit befänden sich dort 700 Menschen. Geplant sind Sitzblockaden sowie die Besetzung von Baumhäusern und Hütten.

Bei der Räumung sollen laut Spiegel Einsatzkräfte aus fast ganz Deutschland eingesetzt werden. Die Polizei Aachen geht in einer "Lageorientierung" mit Blick auf die Proteste und Aktionen von "einer Teilnehmendenzahl im mittleren vierstelligen Bereich" aus. Es bestehe unter den Klimaaktivisten bereits "eine Mobilisierung über das gesamte Bundesgebiet, gegebenenfalls auch in das europäische Ausland".

In einem Brief an die Aktivisten schrieb der Polizeipräsident von Aachen, Dirk Weinspach: "Ich wünschte, die Räumung von Lützerath hätte sich vermeiden lassen." (Birgit Baumann aus Berlin, 8.1.2023)