Fehlende kritische Einordnung: Grafiken des kommunistischen Künstlers Tadeusz Kulisiewicz in der Warschauer Kunstgalerie Zachęta.
Foto: Piotr Antonów / Zachęta Archive

Der Kontrast zwischen zwei "Altlasten" und der neuen Programmatik in der Warschauer Kunstgalerie Zachęta könnte nicht deutlicher sein: Eine ironische Videoinstallation von Katarzyna Kozyra, die mit Jesus-Darstellern ins Gespräch kommt, sowie eine Ausstellung von Mariola Przyjemska – ihr Werk beschäftigt sich mit zeitgenössischer Logokultur und Urbanismus – waren noch von Ex-Chefin Hanna Wróblewska akkordiert worden. Für eine großangelegte Werkschau von Tadeusz Kulisiewicz zeichnet hingegen Janusz Janowski verantwortlich, der 2022 vom rechten Kulturminister Piotr Gliński von der PiS-Partei freihändig zum neuen Zachęta-Direktor berufen worden ist.

Janowski positioniert Kulisiewicz als einen der "herausragendsten polnischen Künstler des 20. Jahrhunderts", dessen Werk nach seinem Tod bedingt durch "aktuelle Ereignisse und folgende Nachrichten aus der Kunstwelt" sukzessive in Vergessenheit geraten sei. Im Katalog bleibt man schwammig, meint aber wohl die politische Wende von 1989/1990, die auch das Interesse an der offiziösen Kunst der Volksrepublik schwinden ließ.

"Großer polnischer Künstler"

Denn obwohl Kulisiewicz bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Erfolge mit Holzschnitten gefeiert hatte, die vor allem den dörflichen Alltag in den Beskiden zeigten, begann die große Karriere des Grafikers erst im sozialistischen Polen. Mit pointierten Zeichnungen, etwa einer Serie über das 1944 von den deutschen Besatzern zerstörte Warschau, avancierte er alsbald zum Vorzeigekünstler des zunächst stalinistisch geprägten Polen. 1949 und 1952 stellte er auch in Wien aus – die von den Sowjets kontrollierte Österreichische Zeitung lobte ihn als "großen polnischen Künstler".

Die aktuelle Ausstellung in Warschau zeigt den Künstler aber auch als Pionier transkontinentaler Kunstreisen, die ohne staatlichen Auftrag nicht möglich gewesen wären: Ab den Fünfzigern porträtierte er in China, Korea oder Mexiko Werktätige wie Soldaten. Später kamen prominente Auftragsarbeiten der polnischen Luftstreitkräfte hinzu. Bis zu seinem Lebensende blieb der Künstler ein treuer Unterstützer des kommunistischen Regimes, dem er sich während des Kriegsrechts Anfang der Achtziger auch als Mitglied der "Patriotischen Bewegung der nationalen Wiedergeburt" (PRON) andiente.

Kurator Janowski konzentriert sich auf die Schönheit und unterlässt eine kritische Thematisierung des politischen Engagements von Kulisiewicz. Gleichzeitig enthält er dem Publikum jene Wladimir-Lenin-Porträts des Künstlers vor, deren Qualität seinerzeit in Moskau gelobt worden war.

Politische Propaganda

Während der Zachęta-Direktor zumindest in diesem ersten Projekt auf einen apolitischen Konservativismus setzt, bleibt sein Gegenüber im bereits zuvor gewendeten Zentrum für zeitgenössische Kunst Schloss Ujazdowski in Warschau seinem deutlich radikaleren Ruf treu. So präsentierte der 2020 ebenso von Kulturminister Gliński ernannte Ujazdowski-Chef Piotr Bernatowicz im vergangenen Sommer das umstrittene Projekt The Influencing Machine des US-amerikanischen Kurators Aaron Moulton, der das zu Beginn der Neunziger von US-Milliardär George Soros gegründete Netzwerk von osteuropäischen Zentren für zeitgenössische Kunst als "Zwang durch Philanthropie" und Werkzeug für liberale Propaganda entlarvt haben will.

Derzeit ist im Schloss neben einer großen ukrainischen Kriegsausstellung aber vor allem eine Retrospektive des Fotografen und Konzeptkünstlers Jan Bortkiewicz mit unverhohlen nationalistischen Botschaften zu sehen. Bortkiewicz hat nicht nur eine Litanei des Kabarettisten Jan Kaczmarek, in der dieser vor einer "russisch-teutonischen Verschwörung" gegen die polnische Eigenstaatlichkeit warnt, in einen kleinen Altar verwandelt. Der Künstler illustriert die angebliche Gefahr auch mit aktuellem Material: In einer Fotoserie sind die vielen deutschsprachigen Aufschriften in Wrocław (Breslau) zu sehen.

Dokumentiert wird zudem ein Berliner Verkaufsstand, auf dem 2022 sowjetische Flaggen und Pelzmützen angeboten werden, erinnert wird an eine russische Militärbasis. Unter anderem in einer Eurosuppe betitelten Installation polemisiert Bortkiewicz wenig überraschend aber auch gegen die EU, die zu einem Feindbild der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit avanciert ist.

Freude für Regierungskritiker

Während mit Zachęta und Ujazdowski zwei der drei führenden Institutionen für zeitgenössische Kunst in der Hauptstadt auf Linie gebracht wurden, gab es für Regierungskritiker zuletzt aber auch Grund zur Freude: Das Museum für zeitgenössische Kunst, Institution Nr. 3, erlangte mit 1. Jänner 2023 seine Unabhängigkeit vom Kulturministerium und wird nun von der oppositionellen Warschauer Stadtregierung kontrolliert. Die langjährige Direktorin des Museums, Joanna Mytkowska, bleibt somit weiter im Amt – 2024 soll sie den Neubau ihrer Vorzeigeinstitution im Zentrum Warschaus eröffnen. (Herwig G. Höller aus Warschau, 9.1.2023)