Georg Gänswein sorgt mit Attacken auf Papst Franziskus für Aufsehen.

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. war gerade einmal seit 48 Stunden tot und noch nicht begraben, als sein Privatsekretär die Feindseligkeiten eröffnete: In einem Interview erklärte Georg Gänswein, dass es Benedikt XVI. das Herz gebrochen habe, als Franziskus die unter ihm erfolgten Erleichterungen zum Lesen der Alten Messe (also in lateinischer Sprache) wieder rückgängig gemacht habe. Kurz darauf legte der deutsche Erzbischof nach: Er sei "schockiert und sprachlos" gewesen, als er von Franziskus 2020 als Präfekt des päpstlichen Hauses suspendiert worden sei. Er habe sich als "halbierter Präfekt" gefühlt.

Die dritte und bisher letzte Attacke gegen Franziskus erfolgte kurz nachdem Benedikt XVI. am Donnerstag in der Krypta des Petersdoms beigesetzt worden war: Joseph Ratzinger, so sein ehemaliger Privatsekretär, habe an Franziskus geschrieben, dass gegen die Gender-Politik ein "starker und öffentlicher Widerstand" geleistet werden müsse. Auf den Brief habe der amtierende Papst nicht reagiert. Die Kritik äußerte Gänswein in zwei Auszügen aus seinem Buch Nichts als die Wahrheit, das demnächst erscheinen soll.

Versteckte Botschaft?

Papst Franziskus hat auf die Angriffe des 66-Jährigen bisher nicht reagiert, zumindest nicht offiziell. In seiner Predigt zum Dreikönigstag erklärte er aber, dass man "Gott lieben soll, nicht das eigene Ich und falsche Idole, die uns mit dem Prestige ihrer Macht und der Faszination falscher Nachrichten verführen". Selbstverliebtheit, Machtwahn und Fake News? "Es ist schwierig, bei diesen Worten des Papstes nicht an Georg Gänswein zu denken", schrieb der für vatikanische Zwischentöne sehr sensible und dabei meist ziemlich treffsichere Corriere della Sera. Die päpstliche Predigt sei eine deutliche Warnung an "Don Giorgio" gewesen, mit seiner "vendetta" (Rache) aufzuhören.

Unbestreitbar ist, dass das Verhältnis zwischen Gänswein und Franziskus schon zuvor ein schwieriges war. Der Geistliche aus dem Schwarzwald war Franziskus wohl immer etwas zu mondän gewesen: Gänswein verkehrte gerne in der Römer High Society, spielte Tennis, genoss seinen Ruf als "George Clooney des Vatikans". Was die katholische Lehre angeht, ist er noch päpstlicher, als Benedikt es war, und befand sich wohl oft in einem Loyalitätskonflikt: Nach der Wahl Franziskus’ im März 2013 bis zu seiner Suspendierung als Präfekt war er als persönlicher Sekretär Benedikts Diener zweier Herren gewesen – des reformfreudigen amtierenden und des konservativen emeritierten Papstes. Keine einfache Situation.

Die Frage lautet nun, wie lange Franziskus dem Treiben des "halbierten Präfekten" noch zusehen will – in Rom herrscht der Eindruck, dass sich Gänswein gerade um Kopf und Kragen redet. Selbst ultrakonservative Franziskus-Gegner wie der Präsident der Bischofskonferenz in den USA, Erzbischof Timothy Broglio, gehen auf Distanz.

Alternativen

Wie es mit Gänswein weitergeht, ist unklar. Angesichts seines Feldzugs scheint es ausgeschlossen, dass er sein Amt als Präfekt des päpstlichen Hauses (das er offiziell immer noch innehat, obwohl er es seit über zwei Jahren nicht mehr ausüben darf) behalten kann. In seiner Heimat Deutschland sind zwei Erzbischofssitze vakant – aber gegen eine Ernennung des Konservativen gäbe es in der mehrheitlich reformorientierten deutschen Bischofskonferenz wohl Widerstand. Alternativ könnte er einen Lehrstuhl an einer päpstlichen Universität erhalten. Er könnte aber auch, falls er Franziskus zu sehr irritiert haben sollte, als apostolischer Nuntius in eine entlegene Weltgegend abgeschoben werden. Er wäre nicht der Erste in der jüngeren Kirchengeschichte, dem ein solches Schicksal widerfährt. (Dominik Straub aus Rom, 9.1.2023)