Erhofft sich einen Befreiungsschlag für den ORF: Gerhard Draxler untersucht die Vorgänge im ORF-Landesstudio Niederösterreich.

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Wien – Am Montag nimmt die Evaluierungskommission ihre Arbeit auf, um die Vorwürfe gegen den vormaligen Chefredakteur und jetzigen Landesdirektor des ORF-Landesstudios Niederösterreich, Robert Ziegler, zu prüfen. Ziegler soll in seiner Zeit als Chefredakteur (2015 bis 2021) als verlängerter Arm von Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und ab 2017 von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fungiert und die Berichterstattung zugunsten der ÖVP beeinflusst haben. Das legen Dokumente, Chats und E-Mails nahe, über die DER STANDARD, der Spiegel und die Presse berichtet haben. Sie zeichnen das Sittenbild eines eng mit der Landespolitik verwobenen ORF-Landesstudios, das so weit geht, dass Ziegler Originaltöne der Landeshauptfrau in einen Beitrag reinreklamiert haben soll.

70 bis 80 Gespräche

Die Kommission zur Untersuchung dieser Vorwürfe wurde von ORF-Chef Roland Weißmann eingesetzt. Geleitet wird sie vom ehemaligen ORF-Informationsdirektor sowie Kärntner Landesintendanten und steirischen Landesdirektor Gerhard Draxler. Im Interview mit der Kronen Zeitung und der Kleinen Zeitung sagte Draxler am Wochenende, dass er 70 bis 80 Kolleginnen und Kollegen zu Anhörungen einladen werde. Das seien vor allem Journalistinnen und Journalisten aus dem Landesstudio Niederösterreich und einige aus der ZiB- und Radioredaktion am Küniglberg, die mit dem Landesstudio kommuniziert hätten. "Wir prüfen, ob Robert Ziegler gegen das ORF-Gesetz, das Redaktionsstatut oder Programmrichtlinien verstoßen hat", so Draxler. Die berufsethische Seite sowie die arbeitsrechtlichen Konsequenzen müssten andere beurteilen.

Wenn es etwa nach dem ORF-Redakteursrat ginge, dann wäre Ziegler als Direktor des Landesstudios Niederösterreich längst suspendiert – bis die Prüfung beendet ist. "Dieses Ansinnen kann ich gut nachvollziehen, weil es sehr viel Unruhe in der Redaktion gibt", sagt Draxler dazu. "Es gibt großen Frust, viele erwarten sich einen Befreiungsschlag." Um die Situation etwas zu beruhigen, hätte Ziegler zumindest einen "verlängerten Weihnachtsurlaub" nehmen sollen, kritisiert er.

Kein Bericht bis zur Wahl

Der ins Spiel gebrachte Befreiungsschlag dürfte allerdings länger auf sich warten lassen, denn bis zur Landtagswahl in Niederösterreich am 29. Jänner 2023 werde es laut Draxler keinen Zwischenbericht geben. Das wäre "Munition für die eine oder andere Seite, das würde die öffentliche Diskussion unnötig befeuern". Außerdem könnte das einen "Flächenbrand auslösen, auch in den anderen Landesstudios".

Die Vorwürfe in Niederösterreich hätten Auswirkungen auf den gesamten ORF und "erschüttern ihn in seinen Grundfesten", so Draxler. Und sie kämen in einer seiner kritischen Phasen, da die ORF-Finanzierung gerade von der schwarz-grünen Regierung verhandelt werde.

"Eine seiner Säulen, nämlich die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der ausschließlich seinen Sehern und Hörern und nicht der Politik verpflichtet ist, beginnt schon zu wackeln", sagte Draxler. Die Kommission könne ein Weckruf an alle Redaktionen sein, hofft er. (omark, 8.1.2023)