Lisa Farthofer rudert für gewöhnlich in stilleren Gewässern.

Foto: Shackleton Mission

Im Südpolarmeer werden die Bedingungen auf dem winzigen Ruderboot eher sein wie bei einer früheren Expedition von Kapitän Fiann Paul.

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Das Projekt.

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Wenn Lisa Farthofer in der Antarktis ankommt, geht ihre Reise erst so richtig los. Die 31-jährige Oberösterreicherin ist Teil einer sechsköpfigen Crew, die ab Donnerstag vom südlichsten Kontinent etwa 1.500 Kilometer zur Insel Südgeorgien rudert. "Hab super geschlafen. Es schaukelt ganz schön, aber bin fit und hungrig", schreibt Farthofer von dem Segelboot, das die Crew derzeit von der Südspitze Patagoniens zu ihrem Startpunkt bringt. Etwa 18 Tage lang wird die Crew rund um die Uhr in Dreierteams rudern, die sich alle zwei Stunden abwechseln. Geschlafen wird in winzigen Kajüten an den Enden des Bootes. Das Begleitboot würde nur im äußersten Notfall eingreifen – wenn es die Bedingungen im rauen Südpolarmeer erlauben.

STANDARD: Ihre Teamkollegen sind allesamt Ozeanruderkapazunder. Wie kommt man zu so einem Projekt?

Farthofer: Unverhofft. Ich bin durch meine langjährige Präsenz im Rudersport recht gut vernetzt, die Rudercommunity ist riesig weltweit. Jetzt hat mich eine liebe Freundin weiterempfohlen.

STANDARD: Sie waren Profiruderin, dann -seglerin – gehört Ihr Herz jetzt wieder dem Rudern?

Farthofer: Grundsätzlich kann man nicht sagen, dass mein Herz einer gewissen Sportart gehört. Es schlägt für Wasser; alles, was damit zu tun hat, taugt mir unheimlich. Ich probiere Sachen aus und versuche, Herausforderungen anzunehmen.

STANDARD: Waren Sie jemals in ähnlich schwierigen Wetterverhältnissen auf See, wie sie Ihnen jetzt bevorstehen?

Farthofer: Es kommt darauf an, wie die Verhältnisse dann sind – aber grundsätzlich kann man sagen: nein. Umso spannender wird es.

STANDARD: Was ist das Gefährlichste, das Sie beim Rudern erwartet?

Farthofer: Die Jungs haben am meisten Respekt davor, wenn Eis aus der Antarktis abbricht. Die Eisschollen sind bei Wind und Wellen sehr schwer sichtbar. Da kann Ähnliches wie bei der Titanic passieren, nur in kleinerem Stil.

Das Projekt heißt Mission Shackleton. Die Crew rudert die Strecke, die Entdecker Ernest Shackleton 1916 mit fünf Mann nach dem Schiffbruch seiner Endurance in einem improvisierten Rettungsboot zurücklegte, um Hilfe für den Rest seiner Crew zu organisieren. Ein Ziel des Projekts ist, posthum eine Polarmedaille für den damaligen Schiffszimmermann Harry McNish zu erreichen. "Chippy" kam wegen eines Rebellionsversuchs in der von Shackleton geschriebenen Geschichte schlecht weg. "Hätte McNish sich nicht gegen Shackleton aufgelehnt, hätte er das Rettungsboot nie reparieren können, und niemand aus der Crew hätte überlebt", sagt Jamie Douglas-Hamilton, der nun mit Farthofer rudert und Einsicht in McNishs nie veröffentlichte Tagebücher bekam.

STANDARD: Haben Sie sich mit Shackleton und McNish befasst?

Farthofer: Ich bin sprachlos, was sie damals mit diesen Voraussetzungen geschafft haben. Wir haben jetzt Materialien zur Verfügung, da würde sich der damalige Harry McNish alle zehn Finger abschlecken.

STANDARD: Wie haben Sie sich vorbereitet?

Farthofer: Ausgehend von meinen Voraussetzungen habe ich Stärken und Schwächen gesucht. Das Um und Auf war, gesund zu bleiben, was im letzten Jahr gar nicht so einfach war. Ich hoffe, dass ich ein gleichwertiger Part der Mannschaft bin.

STANDARD: Woran mussten Sie am meisten arbeiten?

Farthofer: Trotz der organisatorischen Aufwände konsequent zu sein. Es ging bei mir wegen Studium, Ausbildung und Beruf drunter und drüber, da konstant durchzuziehen ist manchmal hart gewesen. Durch diesen Stress habe ich nach Corona das Gefühl gehabt, leicht für Infekte anfällig zu sein. Das kostet Nerven und Energie. Man muss extrem vorsichtig mit dem Training umgehen. Das war für mich eine sehr harte Zeit, weil ich das so von meinem Körper nicht kenne, dass man zurückschrauben muss, weil man sonst krank wird.

STANDARD: Haben Sie jemals überlegt, das alles abzublasen?

Farthofer: Diese Momente gibt es. Es gibt so viele Unbekannte – dieses Ungewisse ist für jemanden, der sehr organisiert ist und normalerweise ein sehr durchstrukturiertes Leben hat, beängstigend.

STANDARD: Ihr Kapitän Fiann Paul hat mir nach seiner Durchquerung der Drake Passage vor drei Jahren erzählt, dass es unglaublich mühsam ist, nie trocken zu werden.

Farthofer: Das ist eben so, man kann es nicht ändern und muss lernen, damit umzugehen. Im Vergleich mit anderen Sachen, die die Jungs schon gemacht haben (Paul hat unter anderem den Atlantik durchquert, Anm.), ist es eher ein Sprint. Ich hoffe, dass man einfach den Kopf ausschaltet und das Beste draus macht.

STANDARD: Warum das Ganze?

Farthofer: Ich habe mich das auch wirklich oft gefragt. Warum riskiert man so viel, sei es finanziell, Zeit, das Leben? Es kann einiges schiefgehen. Ich habe für mich beschlossen, dass das eine Sache ist, die ich nie wieder machen kann. Ich bin jetzt fit, ich habe jetzt die Möglichkeiten, bin beruflich nicht so eingespannt. Es unterstützen mich sehr viele Leute, da muss man oft auch etwas wagen. Das habe ich von meiner Omi und meinen Eltern so mitbekommen. Man hat nur das eine Leben, das muss man ausnützen. (Martin Schauhuber, 9.1.2023)