Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar gab es sofort Protestkundgebungen vor dem Sitz der Raiffeisen Bank International beim Wiener Stadtpark.

Foto: Regine Hendrich

Wien – So gut singen wie die russisch-österreichische Sopranistin Anna Netrebko können die Manager der Raiffeisenbank International (RBI), Johann Strobl und Andreas Gschwenter, nicht. Trotzdem verbindet die drei eine Gemeinsamkeit: In der Ukraine sind sie allesamt nicht gut angeschrieben.

Starsängerin Anna Netrebko wurde dieser Tage von der Ukraine mit Sanktionen belegt. Konkret findet sich ihr Name in einem am Samstag veröffentlichten Erlass des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die angeordneten Strafmaßnahmen gelten gegen 119 Russen und Ukrainer. Sie werden wie Netrebko mit Sanktionen wie Einreiseverboten oder Vermögenssperren belegt.

Sanktionsliste

So weit ist es beim Chef der Raiffeisen Bank International, Strobl, und seinem Vorstandskollegen Gschwenter, der unter anderem für die IT der Gruppe und das tägliche operative Geschäft verantwortlich ist, allerdings noch nicht. Die beiden stehen aber auf einer Sanktionsliste namens "war and sanctions" unter der Rubrik "awaiting sanctions", bei der eine Sanktionierung empfohlen wird.

Unterstützt wird das Projekt vom ukrainischen Außenministerium und von der nationalen ukrainischen Antikorruptionsagentur (NAZK) – sie dürfte auch die Betreiberin der Website sanctions.nazk.gov.ua sein.

Internationalen Druck aufbauen

Mit der Internetseite und der Sanktionsliste will die ukrainische Regierung international Druck aufbauen gegen bestimmte Personen und Unternehmen, die von Kiew mit dem russischen Angriffskrieg in Verbindung gebracht werden beziehungsweise sinngemäß das russische Regime unterstützen.

Auf der Homepage wird der RBI-Chef als Aufsichtsratschef der ukrainischen RBI-Tochterbank geführt, der früheren Raffeisenbank Aval, die inzwischen als Raiffeisen Bank Joint Stock Company firmiert.

Die Sicherheit der Ukraine

Genauere Erklärungen für die Empfehlung, die beiden RBI-Manager zu sanktionieren, finden sich auf der ukrainischen Website nicht. Generell heißt es aber, es handle sich bei ihnen um "hochrangige" Personen in Einrichtungen, "die im Finanzbereich tätig sind und Aktionen finanziell unterstützen, die die Sicherheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben".

Laut dem Geschäftsbericht für das Jahr 2021 sind sowohl Strobl als auch Gschwenter Mitglieder des Aufsichtsrats der Raiffeisen-Tochterbank in Moskau. Ende 2021 hatte die Bank in Russland eine Bilanz von rund 18 Milliarden Euro und beschäftigte mehr als 9000 Mitarbeiter. Die Bank in Russland zählt zu den zehn größten Kreditinstituten des Landes.

Cashcow von Raiffeisen

Das Institut in Russland war viele Jahre die Cashcow der RBI und steuerte einen großen Teil des Gewinns bei. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar geriet die RBI wegen dieses Engagements zunehmend unter Druck.

Seither wird in der österreichischen Großbank sondiert, wie man mit der Russland-Tochter umgeht. Zur Disposition stehen Weitermachen wie bisher oder ein Verkauf. Entschieden ist diesbezüglich nichts, Stellungnahmen gibt es aus der RBI zu dieser Frage seit Monaten nicht.

Uniqa-Ableger

Ebenfalls auf der Liste der Unternehmen, bei denen Sanktionen empfohlen werden ("awaiting sanctions"), steht der Versicherer Raiffeisen Life. Das russische Unternehmen ist eine Tochter des österreichischen Versicherungskonzerns Uniqa (75 Prozent) und der RBI in Russland (25 Prozent). Die Sprecherin der RBI wollte sich zur Empfehlungsliste für Sanktionen am Sonntag auf Anfrage des STANDARD nicht äußern.

Vergünstigungen für Soldaten

Nicht klar ist, unter welchen Voraussetzungen Personen auf dieser Liste von der Ukraine tatsächlich sanktioniert werden. Dem Vernehmen nach geht die Empfehlung, Sanktionen zu erlassen, an den Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine, der dann darüber entscheidet.

Die RBI wird auch immer wieder in sozialen Netzwerken für ihr Engagement in Russland kritisiert. Aktuell geht auf Twitter ein Screenshot um, wonach die Bank in Russland bestimmten Personengruppen, darunter russischen Soldaten und ihren Angehörigen sowie Personen, die aus den von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine rekrutiert worden sind, ein Kreditmoratorium anbietet. Vergünstigungen für Aggressoren also, so der Vorwurf.

Dazu heißt es von der RBI auf Anfrage, dass der Screenshot von der Homepage der Bank in Russland stamme. Alle russischen Banken seien gesetzlich verpflichtet, einberufenen Soldaten ein Kreditmoratorium zu gewähren, erklärte die Raiffeisen Bank International. Man komme also damit den gesetzlichen Vorgaben nach. (Renate Graber, András Szigetvari, 8.1.2023)