Sie sind wieder unterwegs. Am 6. Jänner startete die Demosaison jener Gruppen, die sich bei Corona-Demonstrationen gefunden haben. Nicht mehr die Impfung ist ihr Feindbild, sondern Geflüchtete.

Foto: Markus Sulzbacher

Die Demos gehen auch 2023 weiter. Am Dreikönigstag, dem 6. Jänner, war wieder eine sogenannte Megademo in Wien unterwegs. Einige hundert Personen zogen in Marschkolonnen über den Ring. Ihre Botschaften: gegen Abtreibungen und für die Errichtung einer "Festung Österreich" gegen die angebliche "Asylflut". Es waren jene Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren bei Corona-Demonstrationen gefunden haben: Rechtsextreme, prorussische Aktivisten, christliche Eiferer und Anhängerinnen von Verschwörungsmythen, geeint in der Ablehnung des Staates und seiner demokratischen Werte und Institutionen. Es fällt auf, dass kaum junge Menschen dabei sind. Auffällig sind auch die vielen Bierdosen, die sichtbar sind.

Für ihre Proteste bedienen sie sich immer neuer Etiketten. Den Takt und die Ideologie geben maßgeblich organisierte Rechtsextreme vor.

"Köpfe abgetriebener Kinder"

Beim Auftakt der jüngsten "Megademo" sprach der als katholischer "Theologe" vorgestellte Wolfram Schrems. Er wetterte in seiner Rede gegen Abtreibungen und "Giftmischer", die "uns mit schädlichen Mitteln infizieren wollen". Schließlich seien auch die Abtreibungen Teil der "Impfstoffgewinnung", eine ganze Industrie verarbeite die "Leichenteile der ungeborenen Kinder", sagte der Mann. Und er habe gehört, "Köpfe abgetriebener Kinder" sollen dafür am "Schwarzmarkt gehandelt werden". Seine Zuhörer und Zuhörerinnen applaudierten. Die Erzählung über Leichenteile erfreut sich besonders bei christlichen Fundamentalisten und Fundamentalistinnen reger Verbreitung, sie passt zum Weltbild. In diesem Umfeld ist auch Schrems zu finden.

Der bekannte Rechtsextremist Martin Sellner hielt bei der Demonstration eine Rede.
Foto: Markus Sulzbacher

Hauptsprecher der "Megademo" war jedoch Identitären-Chef Martin Sellner, der minutenlang rassistische Tiraden verbreitete. Sellner ist nicht erst seit 2019 einer der bekanntesten Rechtsextremen des Landes, als damals öffentlich wurde, dass er Geld von jenem Rechtsterroristen bekommen hatte, der im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen ermordete. Idenititäre begehen seit Jahren immer wieder Straftaten.

Rede von Martin Sellner.

Demonstrationsorganisator Martin Rutter, der zuvor bei den Grünen, dem Team Stronach und dem BZÖ tätig war, unterhält schon länger Kontakte zu Sellner, ein weiterer Identitärer hielt bei "Megademos" ebenfalls bereits Reden – wie auch der FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Transparente der Identitären prägen seit Jahren manche Umzüge am Ring. Seit der ersten Corona-Demo gehören sie zu der Bewegung.

Russische Fahnen vor dem Parlament

Nach Sellners Rede zogen die Demonstrierenden los, um vor dem Parlament einen Halt einzulegen, lauthals "Volksverräter" zu skandieren und Journalisten und Journalistinnen als "Parasiten" zu beschimpfen. Dabei wehten russische Fahnen sowie eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge, die auch von Reichsbürgern und Neonazis genutzt wird. Die Fahne wurde auch von den Nationalsozialisten genutzt.

Foto: Markus Sulzbacher
Russische Fahnen wehten vor dem Parlament, als die Demonstrierenden "Volksverräter" skandierten.
Foto: Markus Sulzbacher

FPÖ soll rechts überholt werden

Bei der Demonstration mit dabei war auch der oberösterreichische MFG-Politiker Joachim Aigner. Der Landesparteiobmann hatte sein Kommen zuvor auf Telegram angekündigt. Zwar betont die Partei allenthalben, "weder links noch "rechts" zu sein. Aber das sagte auch schon der verstorbene FPÖ-Chef Jörg Haider, wenn es ihm gelegen kam. Jedenfalls hat der MFG-Politiker keine Berührungsängste mit organisierten Rechtsextremen.

"Migrationsflut stoppen – jetzt"

Auch passte das prägende Thema der Demo. Die MFG Oberösterreich hatte vor Weihnachten angekündigt, ein Volksbegehren an den Start zu bringen, das den Titel "Migrationsflut stoppen – jetzt" trägt. Offensichtlich soll so die FPÖ rechts überholt werden.

Eine beachtliche Strategie, da die Partei schon bessere Zeiten gesehen hat, ihr Thema, die Impfgegnerschaft, zieht nicht mehr so recht. Selbst auf den "Megademos" sind keine MFG-Fahnen oder -Transparente mehr auszumachen, Funktionäre haben sich verabschiedet, und es gab keine Wahlerfolge – weder bei der Landtagswahl in Tirol noch bei der Wahl zum Bundespräsidenten. Dazu kommt, dass die MFG in der Sonntagsfrage nur selten auftaucht. Vor einem Jahr schien der Einzug ins Parlament noch sicher. In Niederösterreich ist es der Partei nicht gelungen, die nötigen Unterschriften zu sammeln, um in allen Bezirken antreten zu können.

Verschwörungsmythen in der Partei verankert

Ein Blick in den offiziellen MFG-Telegram-Kanal zeigt, wie stark Verschwörungsmythen in der Partei verankert sind. Neben Horrorgeschichten über die Impfung ist dort vom "Great Reset" oder den "Globalisten" die Rede. Geteilt werden Beiträge des Verschwörungssenders Auf1, der laut der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" bekannt ist für die "Verbreitung von rassistischen Stereotypen sowie antisemitischen und verschwörerischen Inhalten".

Demonstrierende waren mit Kuhglocken unterwegs.
Foto: Markus Sulzbacher

Demo vor dem Parlament

Dass es mit dem Abflauen der Pandemie weniger Demonstrationen geben wird, ist zumindest zum Jahresanfang 2023 nicht zu bemerken. Die nächsten Demonstrationen in Wien sind bereits angekündigt. Rund um die Eröffnung des Parlaments wollen Rutter und seine Leute demonstrieren. (Markus Sulzbacher, 10.1.2023)