Die Europäische Union setzt auf Quick Wins. Anlagen mit wenig Umweltauswirkungen wie Photovoltaikflächen bis 50 kW gelten nach einem Monat automatisch als bewilligt.

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Das Jahr 2022 endete mit einem Knall: Am 30. Dezember ist die Verordnung des Rates zur "Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien" in Kraft getreten. Hinter diesem etwas sperrigen Langtitel verbirgt sich fast Revolutionäres: Erstmals regelt die EU direkt die Bewilligungsverfahren für Photovoltaikanlagen, Windkraftwerke, Wärmepumpen und Co – und sieht eine umfassende Verfahrensbeschleunigung und Genehmigungserleichterungen vor. Die auf eine Notfallkompetenz gestützte Beschleunigungsverordnung gilt vorerst 18 Monate lang für alle neu eingeleiteten Genehmigungsverfahren und überlagert entgegenstehendes nationales Recht.

Es ist ein häufig gehörtes Mantra praktisch aller politischen Parteien: Die Verfahren zur Genehmigung von Ökostromanlagen dauern zu lange und sollten vereinfacht werden. Dieser Erkenntnis folgten bislang allerdings nur zögerliche Handlungen. Ein Begutachtungsentwurf für eine UVP-G-Novelle und progressive Ansätze in manchen Bundesländern sind nur Tropfen auf den durch Klima- und Energiekrise immer heißer werdenden Stein. Mit der neuen Beschleunigungsverordnung nimmt nun die Europäische Union das Zepter in die Hand – und die Genehmigungsbehörden in den Mitgliedsstaaten in die Pflicht.

In dubio pro Projekt

Die Verordnung setzt dabei auf Quick Wins, also auf Projekte, die schnell umgesetzt werden können und die Abhängigkeit von Energie aus Russland reduzieren. Der Fokus liegt deshalb auf Solaranlagen, Wärmepumpen und Repowering, worunter das – in der Regel mit einer Leistungssteigerung verbundene – Erneuern bestehender Anlagen zu verstehen ist. Die Verordnung gibt den Behörden vor, bis wann sie ihre Entscheidung über eine Bewilligung spätestens treffen müssen.

Diese Fristen sind durchaus sportlich. So ist etwa über Photovoltaik auf Dächern binnen drei Monaten, über Wärmepumpen mit elektrischer Leistung bis 50 MW (womit sich dem Vernehmen nach ganze Industrieanlagen oder mehrere tausend Haushalte versorgen ließen) binnen eines Monats und über das Repowering eines Windparks binnen sechs Monaten zu entscheiden. Die Deadlines sind von allen befassten Behörden zu wahren – sei es im elektrizitäts-, bau- oder naturschutzrechtlichen Verfahren.

Richtig effektuiert wird die Fristsetzung allerdings nur bei Solaranlagen bis 50 kW: Entscheidet die Behörde hier nicht binnen eines Monats über das Genehmigungsansuchen, gilt die Anlage als genehmigt, und sie kann gebaut und in Betrieb genommen werden. Für alle anderen Projekten gilt der eher zahnlose nationale Säumnisschutz.

Überwiegendes öffentliches Interesse

Auch Großprojekte werden erleichtert. Die Erzeugung erneuerbarer Energien und der Netzausbau gelten als im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienend, wenn es darum geht, etwa den Bau eines Windparks gegen dessen Auswirkungen auf die Natur abzuwägen. Den Erneuerbaren wird also besonderes Gewicht eingeräumt; im Zweifel werden die Behörden daher zugunsten des Vorhabens zu entscheiden haben.

Den Mitgliedsstaaten bleibt es unbenommen, die Anwendung dieser Regelung auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets sowie auf bestimmte Arten von Technologien oder Projekten zu beschränken. Sie können die Erleichterung aber auch zu einer weitgehenden Freistellung "upgraden" und Vorhaben, die in hierfür ausgewiesenen Eignungszonen liegen, von der UVP-Pflicht und – sofern behördlich festgelegte Minderungsmaßnahmen eingehalten werden – von den artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen befreien. Einzige Voraussetzung ist, dass der Festlegung der Eignungszone eine strategische Umweltprüfung vorangegangen ist. In Österreich kämen hier insbesondere die in einigen Bundesländern bestehenden Windkraftzonenpläne in Betracht.

Österreich ist gefordert

Die Beschleunigungsverordnung ist ohne Zweifel ein "Genehmigungswumms" (frei nach Olaf Scholz). Der Schlüssel zum schnellen Verfahrensabschluss liegt aber nach wie vor (auch) beim nationalen Gesetzgeber und den Behörden. Zum einen haben Bund und Länder in ihrem jeweiligen Kompetenzbereich die Möglichkeit, die Anwendung der Beschleunigungsverordnung einzuschränken oder auszudehnen – etwa indem ihre Geltung auch auf laufende Verfahren erstreckt wird. Andererseits schaffen fixe Entscheidungsfristen bekanntlich keine Planstellen. Ohne personelle Aufstockung könnte manch gut gemeintes Beschleunigungselement zum Papiertiger werden.

Das bedeutet auch, dass Österreich trotz der EU-Notfallmaßnahme weiterhin seine Hausaufgaben zu machen hat: Der Beschluss der angekündigten UVP-G-Novelle wäre ein erster Schritt. Zumindest ebenso wichtig wäre es, die dringend benötigte Neuaufstellung des zersplitterten Anlagenrechtsregimes im Bereich der erneuerbaren Energien unterhalb der UVP-Schwelle mit Nachdruck anzugehen. Und nicht zuletzt gilt es, den Ausbau und die Modernisierung der öffentlichen Netze voranzutreiben. Möge die innovative Verordnung der EU hierfür als Inspiration dienen – denn Krisenzeiten begegnet man nicht im Business-as-usual-Modus. (Florian Stangl, 9.1.2023)