Treten diese Woche gemeinsam vor den Vorhang: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

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Blockaden sollen vergessen sein: Regierungsklausuren – das zählt zum Einmaleins der politischen Kommunikation – dienen dazu, Fleiß und Harmonie zu demonstrieren. Das gilt insbesondere für die aktuelle Bundesregierung, der die Bevölkerung momentan kein schmeichelhaftes Zeugnis ausstellt. Die Vertrauenswerte der meisten Akteure sind im Keller, laut Umfragen wäre die Koalition bei einer etwaigen Nationalratswahl von einer gemeinsamen Mehrheit weit entfernt.

Wie ÖVP und Grüne bei ihrem zweitägigen Treffen am Dienstag und Mittwoch dieser Woche in Mauerbach am Westrand Wiens einen Turnaround einleiten können? Mit der Präsentation einer Reihe beliebiger Vorhaben werde es nicht getan sein, sagt der Politologe Peter Filzmaier. Schlüsselfragen seien in krisenhaften Zeiten wie diesen die "Brot-und-Butter-Themen": Nur wenn die Regierung Glaubwürdiges im Kampf gegen die Teuerung präsentiere, könne sie auf wachsende Sympathien überhaupt hoffen.

Kein Jubel zu erwarten

Nicht jedes Projekt, das die Koalitionäre anpacken wollen, fällt in diese Kategorie. So zeichnet sich eine Einigung auf ein verschärftes Korruptionsstrafrecht ab, das die Strafbarkeit von Mandatskauf und Bestechlichkeit erweitert. Doch das werde anlässlich der skandalträchtigen Vorgeschichte als Selbstverständlichkeit angesehen, glaubt Filzmaier: "Die Regierung darf nicht erwarten, dafür bejubelt zu werden."

Auch der Kampf gegen Arbeitskräftemangel, ebenfalls auf der türkis-grünen Agenda, wird kaum den großen Stimmungsumschwung bringen. Denn dass in manchen Branchen nicht genügend Bedienstete zu finden sind, sei vor allem eine Sorge der Unternehmer, sagt der Politikwissenschafter, nicht aber der Arbeitnehmer, sprich: der breiten Wählerschaft.

Riskante Versprechen

Anders ist das beim ausgerufenen Hauptthema, der Sicherung der Energieversorgung. So soll, wie Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen ankündigte, der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden, etwa durch eine Straffung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Ziel ist, mit Anbruch des nächsten Winters weit weniger abhängig von russischem Öl und Gas zu sein.

Allerdings stecke die Regierung da in einem Dilemma, attestiert Filzmaier. Die Bevölkerung erwarte Taten, doch tatsächlich seien die Möglichkeiten begrenzt. Ein Versprechen, in einem Jahr zahle jeder weniger für Gas und Strom, wäre plakativ, aber unter Umständen politisches Harakiri – schließlich hängt das zu einem Gutteil von den internationalen Entwicklungen ab. Es müsse dabei zwangsläufig bei eher abstrakten Ankündigungen unter undankbaren Vorzeichen bleiben: "Was die Regierung auch tut: Es geht immer nur um Schadensbegrenzung."

Verspieltes Vertrauen

Dass auch der schlechte Ruf der Regierung, wie das Protagonisten beider Seiten tun, mit der nicht nur in Österreich Zorn schürenden Krise zu erklären ist, gesteht Filzmaier aber nur zum Teil zu. Der Experte sieht sehr wohl einiges an Selbstverschulden – nicht nur bei der von Korruptionsaffären geplagten ÖVP. "Biegsamkeit" und "Anpassungsfähigkeit" hätten die Grünen Vertrauen gekostet, glaubt er, man denke an den Sideletter zu den Postenbesetzungen. Unter dem keinesfalls souveränen Corona-Image litt das Standing beider Parteien.

Eine aussichtslose Situation, um wieder an Beliebtheit zu gewinnen? ÖVP und Grüne könnten letztlich nur auf den Faktor Zeit setzen und hoffen, dass sich die Teuerungskrise bis zum vorgesehenen Wahltermin 2024 legt, so Filzmaier. Eine erfolgreich inszenierte Klausur könne somit auch als Motivationsschub für die Parteireihen zum Durchhalten dienen. Denn eines müsse man der Regierung lassen: Angesichts der Tatsache, dass die größere Koalitionspartei auf Druck der kleineren den Kanzler auswechseln musste, "ist es schon ein Erfolg, dass die beiden überhaupt noch gemeinsam kommunizieren". (Gerald John, 10.1.2023)