Steht das Wasser zu hoch, bleiben die Autos im Wasser stecken.

Foto: https://www.youtube.com/@bengregers

Tausend Jahre lang hat der Rufford Ford, eine seichte Stelle im Flüsschen Rainworth Water, in der Grafschaft Nottinghamshire in England den unterschiedlichen Generationen als sinnvolle Abkürzung gedient. Nun haben Tiktoker den verschlafenen Ort für sich entdeckt, weshalb das regionale Kulturgut nun gesperrt werden musste.

Touristenattraktion

"Mit dem Social-Media-Zeitalter wurde dieser Weg eine Touristenattraktion", zeigt sich der Stadtrat Neil Clarke in einem Statement gegenüber "The Guardian" besorgt. Leute würden für ein Foto oder ein Video die Flussdurchquerung mit ihrem Auto bestreiten wollen und dabei immer wieder vergessen, wie tief das Wasser zu dem Zeitpunkt ist. Nach starken Regenfällen kann es nämlich sein, dass der kleine Fluss einen höheren Wasserstand hat als normalerweise und dann für viele Autos unpassierbar wird. "Manchmal fängt das Auto dann an wegzuschwimmen", erklärt Clarke.

Begonnen hat alles mit einem in der Nähe ansässigen Teenager namens Ben Gregory, der bereits seit 2020 seinen Youtube-Kanal mit Videos der Flussdurchquerung füllt. Immer wieder sieht man dort auch Autos an den wenigen Metern Wasser scheitern – ein Hauptgrund für viele Zuseher, sich die Videos anzuschauen. "Menschen lieben es, Schmerz und Scheitern zu sehen", wird ein anderer Youtuber bei "The Guardian" zitiert. Wenn man einen schlechten Tag habe, dann sei es doch wunderbar, wenn man sieht, dass andere einen noch schlechteren haben.

BENGREGERS

Beim Scheitern zusehen

Neben vielen Tiktokern, die mit dem eigenen Auto das Flüsschen durchqueren wollen, haben sich mittlerweile auch unzählige Schaulustige an dem Ort versammelt, um selbst Zeugen des Spektakels zu werden. Ganze Familien versammeln sich an dem engen Weg, um den ganzen Tag den querenden Autos zuzujubeln. So mancher Geschäftsmann hat diesen Ansturm als Chance erkannt, und so wird etwa vor Ort Eis an die Zuschauer verkauft.

Die örtliche Polizei sieht die Situation weniger entspannt. So wurden bereits Uniformierte dazu abgestellt, ab einer gewissen Besucherzahl keine Autos mehr in die Stadt zu lassen. Immer wieder rückt die Feuerwehr aus, um gestrandete Fahrzeuge aus dem Wasser zu holen. Vor allem die etwas jüngere Tiktok-Zielgruppe sei nicht mehr so vorsichtig, wie das die durch Youtube angezogenen Schaulustigen waren.

Es gehe den neu dazugekommenen Gästen um den schnellen Adrenalinkick, analysiert der Stadtrat. Leute würden immer verrücktere Sachen ausprobieren. "Ein Motorradfahrer hat versucht, mit über 80 km/h durch den Fluss zu fahren, und wurde durch das Wasser so ausgebremst, dass es ihn über die Lenkstange hinweg über den Rufford Ford schleuderte". Es sei oftmals lebensgefährlich, sagt Clarke.

Ende in Sicht

Wie man mit der neuen Popularität mittelfristig umgehen will, ist laut dem Stadtrat noch nicht geklärt. Vorerst wurde die Flussdurchquerung verboten. Eine Brücke sei aus Kostengründen keine Alternative, meint Clarke, aber die Verkehrszunahme würde eine Alternative erfordern.

Die heimischen Youtuber suchen inzwischen nach ähnlichen Orten. Die Nachfrage nach vergleichbaren Inhalten sei enorm, so der Tenor. (red, 9.1.2023)