Wer das Immunsystem unterstützen möchte, sollte vor allem auf eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und genügend Ruhephasen achten.

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Gefühlt husten und niesen gerade fast alle Menschen um einen herum. Wer selber noch verschont geblieben oder bereits wieder gesund ist, fragt sich vermutlich, wie man das Immunsystem "stärken" kann. Klingt im ersten Moment auch logisch. Eine starke Abwehr sorgt dafür, dass wir besser mit Krankheitserregern umgehen können und gesund bleiben. Das stimmt so aber nicht. Denn: Ein zu starkes Immunsystem kann krank machen.

Wenn die eigene Körperabwehr zu stark wird, kann es nämlich passieren, dass sie nicht mehr zwischen körpereigenen Zellen und Fremdstoffen wie Viren und Bakterien unterscheiden kann und den eigenen Körper, sprich die Haut, Knochen, Organe oder Nervenzellen, angreift. Immunologin Sylvia Knapp von der Med-Uni Wien benutzt darum lieber den Begriff des optimalen Immunsystems. "Es wäre der Wunsch, ein optimales Immunsystem zu haben, nicht ein gestärktes."

Mikrobiom als Schnupfenkiller

Wie dieses optimale Immunsystem aussieht, ist jedoch nicht ganz klar. Knapp erklärt: "Das Immunsystem ist nicht wirklich messbar. Darum ist es auch schwer zu sagen, welche Faktoren ausschlaggebend sind, die dafür sorgen, dass es optimal arbeiten kann." Was jedoch klar ist: Es sind eine Vielzahl von Faktoren nötig. Ein paar davon kann man auch selbst beeinflussen. "Was wir tun können, ist, auf eine ausgewogene Ernährung, genügend Schlaf und Erholungspausen zu achten", weiß die Expertin. Eine genaue Anleitung dafür gibt es jedoch nicht. Denn: Nicht jeder Körper braucht die gleiche Menge an Schlaf oder an Erholung. Und auch eine ausgewogene Ernährung sieht bei jedem etwas anders aus.

Die Ernährung scheint jedoch eine große Rolle zu spielen. Denn vor allem der Darm oder, genauer gesagt, das Mikrobiom ist für das Immunsystem von großer Bedeutung. Der Darm wird von Milliarden Bakterien, Mikroben und anderen Lebewesen besiedelt. Sie zusammen ergeben das Mikrobiom. Auch Andreas Bergthaler von der Med-Uni Wien sagt: "Nicht nur unser Verhalten und unser Körper selbst haben einen Einfluss auf das Immunsystem, sondern auch die Bakterien in unserem Darm." Und diese Bakterien und Lebewesen reagieren auf alle Dinge, die wir zu uns nehmen. Auf Lebensmittel, aber auch etwa auf Medikamente. Wie man das Mikrobiom bestmöglich unterstützen kann, lesen Sie hier.

Warum werden manche ständig krank und andere fast nie?

Das Mikrobiom zu stärken geht nicht von heute auf morgen. Darum wird gerade in der kalten Jahreszeit mit vielen Mittelchen geworben, etwa Vitaminpräparaten, die die eigene Körperabwehr fit machen sollen. Denn das Immunsystem braucht Vitamine, Nährstoffe, Spurenelemente und Ähnliches, um gut arbeiten zu können. Aber bekommt man diese Nährstoffe nicht ausreichend durch die Nahrung? Doch, sagt Silvia Knapp. "In unseren Breitengraden gibt es eigentlich keine Mangelernährung. Sie würde dazu führen, dass wichtige Eiweißstoffe fehlen, die für die Abwehr notwendig sind. Aber das ist in Europa tatsächlich nicht der Fall." Und auch Bergthaler ist überzeugt: "Um sich ausgewogen zu ernähren, braucht es nicht unbedingt Vitamintabletten."

Und trotzdem scheint es manchmal recht unfair zu sein. Selbst wenn man sich gut ernährt, regelmäßig bewegt und auch Ruhepausen gönnt, sind manche Menschen gefühlt ständig erkältet und andere fast nie. Wie kann das sein? Ein Grund dafür liegt in der sogenannten Krankheitstoleranz. Bergthaler erklärt: "So kann es vorkommen, dass zwei Personen mit dem gleichen Bakterium infiziert sind, aber nur eine erkrankt. Die andere Person dagegen toleriert die Infektion besser." Warum das so ist, konnte bis jetzt noch nicht vollständig geklärt werden. Auch vorangegangene Infekte etwa mit der Grippe oder auch Covid-19 können für eine vorübergehende Immunschwäche verantwortlich sein. Somit ist es nicht selten, dass man nach einem überstandenen Infekt recht schnell wieder krank wird.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Immunantwort liegt darin, wie sehr das Immunsystem aktiviert wird. Es gibt Viren, die das Immunsystem ständig in Schach halten muss. "In verschiedenen Studien hat man herausgefunden, dass die körpereigene Abwehr zum Beispiel durch eine CMV-Infektion positiv beeinflusst wird", erklärt Knapp. Bei CMV handelt es sich um das humane Herpesvirus Typ 5. Die Infektion mit diesem Virus wird nicht bemerkt, und ein Großteil der Bevölkerung trägt es in sich – ähnlich wie auch andere Herpesviren. Knapp weiß: "In Studien konnte gezeigt werden, dass dieses latente Virus dafür sorgt, dass das Immunsystem ständig aktiviert wird. Und das wiederum beeinflusst, wie stark Immunzellen reagieren und Krankheitserreger abwehren können. Dieser Faktor, also ob man das Virus in sich trägt, ist sogar entscheidender für ein optimal funktionierendes Immunsystem als alle anderen Faktoren wie Alter, Geschlecht, Ernährung, Genetik oder Ähnliches." (Jasmin Altrock, 11.1.2023)