Nach Kriegsbeginn kam es vor der Raiffeisen Bank International beim Wiener Stadtpark zu einer Demo.


Foto: Regine Hendrich

Ihr Engagement in Russland hält die Raiffeisen Bank International (RBI) und ihre Manager unter Führung von Johann Strobl sehr auf Trab. Das Tochterinstitut in Moskau ist der größte Gewinnbringer der RBI – seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 beschert es der österreichischen Mutter aber auch viel Unbill.

Viele westliche Unternehmen haben sich inzwischen aus Russland zurückgezogen, bei den Banken etwa die französische BNP Paribas. Auch die RBI prüft "aufgrund der noch nie dagewesenen Situation alle strategischen Optionen für die Zukunft der Raiffeisenbank Russland bis hin zu einem sorgfältig gesteuerten Ausstieg" aus der Moskauer Bank, wie es seit vorigem März aus dem Unternehmen heißt. "Aufgrund der komplexen Situation" könne aber kein Zeitpunkt genannt werden, an dem die Prüfung abgeschlossen sei, wie ein Sprecher erklärt.

Fast gesamter RBI-Vorstand

Künftig könnten auch Bankchef Strobl und sein RBI-Vorstandskollege Andreas Gschwenter persönlich die Folgen des russischen Engagements spüren. Wie berichtet stehen beide auf der ukrainischen Liste "War and Sanctions" in der Kategorie "awaiting sanctions". Bei den darin gelisteten Personen und Unternehmen werden Sanktionen empfohlen. Das ukrainische Außenministerium und die ukrainische Antikorruptionsagentur Nazk unterstützen das Projekt, mit dem auch internationaler Druck aufgebaut werden soll.

Strobl und Gschwenter haben Sitz und Stimme im Aufsichtsrat der russischen RBI-Tochter, Strobl leitet das Kontrollgremium. Neben ihnen stehen auch alle anderen Aufsichtsratsmitglieder der Moskauer Bank auf der Liste der Ukrainer: Peter Lennkh, Lukasz Januszewski und Hannes Mösenbacher. Sie alle sind auch im Vorstand der RBI – nur ihr Kollege, der gebürtige Urkainer Andrii Stepanenko, steht nicht auf der "Awaiting sanctions"-Liste .

"Keine ukrainischen Sanktionen verhängt"

Die RBI nahm am Montag Stellung zu der Angelegenheit: "Seit einigen Monaten existiert eine ukrainische Liste, in der unter anderem Sanktionen gegen Mitglieder des Aufsichtsrats der Raiffeisenbank Russland gefordert werden." Betont wird, dass "keine ukrainischen Sanktionen gegen Mitglieder des Aufsichtsrats der Raiffeisenbank Russland verhängt" worden seien. Auch in der Ukraine ist die RBI aktiv, hier unter dem Namen Raiffeisen Bank Joint Stock Company.

In Russland hatte die RBI-Tochter Ende 2021 eine Bilanzsumme von rund 18 Milliarden Euro und 2,3 Millionen Kunden. Im ersten Halbjahr 2022 verdiente das Institut prächtig, der Gewinn nach Steuern hat sich auf rund 630 Millionen Euro nach Steuern verdreifacht. Diese Entwicklung erklärte RBI-Chef Strobl bei der Präsentation des Halbjahresergebnisses unter anderem mit gestiegenen Zinsen und dem stark gestiegenen Kurs des Rubels gegenüber dem Euro – die Bank berichtet in Euro. Ein RBI-Sprecher betont aber, dass "die Raiffeisenbank Russland seit Kriegsausbruch ihr Kreditgeschäft weitgehend eingestellt und ihr Kreditvolumen um zirka 25 Prozent reduziert hat".

Erleichterung für russische Soldaten

Schlechte Schlagzeilen und viel Diskussionen vor allem in den sozialen Medien bescherte der RBI jüngst auch die Tatsache, dass sie den in den Krieg eingezogenen russischen Soldaten bei deren Kreditrückzahlung entgegenkommt. Dazu verweist der RBI-Sprecher auf Gesetze der russischen Notenbank, man habe also gar keine andere Wahl. "Die Raiffeisenbank Russland ist wie alle russischen Banken gesetzlich verpflichtet, mobilisierten Soldaten ein Kreditmoratorium anzubieten." Das Moratorium kann für die Dauer der Dienstzeit der Betroffenen, zum Teil auch für deren Familien gewährt werden und bis Ende 2023 laufen. Die RBI betont zudem, dass die Bank in Russland keine Geschäfte in den besetzten Gebieten tätige und dort auch keine Kunden habe.

Ja, und wie geht es nun mit Raiffeisen in Moskau weiter? Das scheint derzeit niemand zu wissen, Raiffeisen steckt in einer veritablen Zwickmühle. Einen Verkauf der RBI-Tochter müsste Russlands Präsident Wladmir Putin genehmigen – was die Bewegungsfreiheit der Österreicher bei der Auswahl eines Käufers und vor allem auch beim Erlös wohl sehr stark einschränken würde.

Dilemma in Russland

Zudem gibt es höchst komplexe regulatorische Vorschriften, auch auf Ebene der europäischen Aufsichtsbehörde bei der Europäischen Zentralbank (EZB), weitreichende aufsichtsrechtliche Genehmigungsverfahren müssten durchlaufen werden. Auf der anderen Seite müsste ein etwaiger Verkauf der Russland-Tochter ins EU-Sanktionsregime passen: auch das eine schwierige Übung.

Von einer sehr komplexen Situation sprechen die einen, von einem gordischen Knoten die anderen. Im Raiffeisen-Banken-Sektor selbst – die börsennotierte RBI gehört zu 58,8 Prozent den Raiffeisen-Landesbanken und steht zu 41,2 Prozent in Streubesitz – gibt es etliche gewichtige Stimmen, die gegen einen Verkauf in Russland sind, wo man seit 1996 aktiv ist.

Botschafter sieht moralisches Problem

Der ukrainische Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, sagte am Montag der APA, dass Sanktionen sehr gründlich geprüft würden. Sollte sich herausstellen, dass die Bank russischen Rekruten "finanzielle Vergünstigungen zur Verfügung stellt" und die "Fake-Republiken", also die separatistischen Regionen in der Ostukraine, indirekt anerkannt hat, wäre dies auch ein "moralisches Problem". Und: "Es ist nicht zu spät, die Entscheidung zu treffen und den russischen Markt zu verlassen." (Renate Graber, 9.1.2023)