Der Angriff auf brasilianische Regierungsgebäude weckte Erinnerungen an den Kapitol-Sturm im Jänner 2021.

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Wenn abgewählte Führer sich an die Macht klammern, wenn deren Anhängerinnen und Anhänger – von ihren Idolen angestachelt – Wahlergebnisse nicht akzeptieren, dann ist die Demokratie in Gefahr. Bei allen nationalen Besonderheiten gibt es zwischen den befreundeten politischen Lagern international nicht wenige Berührungspunkte.

USA: Wenige Scharfmacher treiben viele Moderate vor sich her

Für Donald Trump zählt nur der Sieg. Als er aber im November 2020 als US-Präsident abgewählt wurde, wollte er das nicht wahrhaben und stachelte seine Fans so weit an, dass sie am 6. Jänner 2021 das Kapitol in Washington stürmten – die Bilder glichen jenen aus Brasilien teils in fast unheimlicher Art. Trump selbst, damals noch im Amt, sah dem Treiben lange tatenlos zu.

Heute sitzen etliche Trumpisten als Mandatare im US-Kongress und treiben moderatere Kräfte vor sich her, wie das Gezerre um die Wahl von Speaker Kevin McCarthy jüngst demonstrierte. Für die Anhänger Bolsonaros – mit dem sich Trump stets aufs Beste verstand – eine Blaupause, verfügt doch auch Lula über keine Parlamentsmehrheit. Dass Bolsonaro aber noch im Amt nach Florida flüchtete, also in räumliche Nähe seines politischen US-Partners – das überraschte auch einige Fans.

Ungarn: Bindeglied der internationalen Rechtsnationalen in der EU

Ohne die Bedeutung Ungarns kleinreden zu wollen: Aber dass ein Premier von Österreichs östlichem Nachbarstaat einmal als Stargast der amerikanischen Neurechten bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) empfangen werden würde, das hätte vor einem Jahrzehnt noch viele überrascht. Als Viktor Orbán 2022 als Stargast beim Forum der rechten Republikaner auftrat und dort in Anwesenheit von Bolsonaro-Sohn Eduardo und dem geistigen Brexit-Vater Nigel Farage über Dragqueens (schlecht) und Chuck Norris (gut) sinnierte, war kaum noch jemand erstaunt.

Längst hat sich Ungarn unter Orbán zu einem Bollwerk rechtspopulistischer Regierungsführung gewandelt. Der Premier agiert dabei auch international als Netzwerker – und führt zu Hause vor, wie man die Demokratie aushöhlen kann, ohne sie formell abzuschaffen.

Italien: An der Macht bleiben ist wichtiger als die Ideologie

Fast auf den Tag 100 Jahre nach Mussolinis "Marsch auf Rom" kam im Herbst 2022 die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia an die Macht. Seitdem ist Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bemüht, Italiens bisher hohes Ansehen im Ausland – aus dem ihr viel Kritik und Skepsis entgegenschlägt – zu wahren. Daher also: unbedingtes Festhalten an der prowestlichen Ukraine-Politik, besonnenes Finanzgebaren im Rahmen der EU.

Wenn es jemanden gibt, der offen Sympathien für Trump, Putin, Bolsonaro und Co hegt, dann sind das vor allem die kleineren Koalitionspartner: der rechte Matteo Salvini (Lega) und der konservative Silvio Berlusconi (Forza Italia). Die beiden nimmt Meloni aber bisher erfolgreich an die Leine. Dem Überleben ihrer weit rechts stehenden Regierung im notorisch instabilen Italien ist alles unterzuordnen – auch die eigenen Ansichten. (Manuel Escher, Gianluca Wallisch, 9.1.2023)