Eine Asylwerberin vor der Erstaufnahmestelle im niederösterreichischen Traiskirchen. Das vergangene Jahr brachte eine Rekordzahl von 101.755 Schutzanträgen.

Foto: Regine Hendrich

Im Innenministerium verbucht man es als Erfolg von, unter anderem, eigenen Bemühungen. Von Mitte Dezember bis in die ersten Jännertage 2023 sei die Zahl von Aufgriffen "illegal nach Österreich eingereister Migranten" um 70 Prozent gesunken, hieß es am Sonntag in einer Aussendung.

Mit besagten Migranten sind Drittstaatsangehörige gemeint, die nach ihrem Aufgriff in der Folge allermeist einen Asylantrag stellen, also vorrangig afghanische und syrische sowie bis vor kurzem indische und tunesische Staatsbürger.

Schlepper schauen durch die Finger

Inder und Tunesier, so die Aussendung, würden nun nicht mehr ins Gewicht fallen. Grund dafür sei das Ende der Visumsfreiheit für tunesische und indische Staatsbürger in Serbien. Durch die dem EU-Kandidatenstaat Serbien abgerungene, von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) besonders gepushte Änderung der serbischen Einreisepolitik habe man den Schleppern ihre Geschäftsgrundlage entzogen, heißt es da.

Tatsächlich haben die meisten Inder und Tunesier kein Interesse an Schutz durch Asyl. Sie sind auf Arbeitssuche in der EU, wobei es vor allem weniger gut qualifizierten Personen an legalen Einreisemöglichkeiten fehlt.

Winterliche Asylantragsebbe – mit Widersprüchen

Ist die Phase der Asylantragsrekorde in Österreich also fürs Erste vorbei? Ist gar längerfristige Entspannung beim Politaufregerthema Asyl zu erwarten? Wie sich die Asylantragszahlen in den vergangenen Wochen konkret entwickelt haben, war aus dem Innenministerium auf Nachfrage nicht zu erfahren. Wegen des "notwendigen Clearing-Prozesses" sei die Veröffentlichung der nächsten Asylstatistik abzuwarten, hieß es dort.

Konkret bewegten sich die Flüchtlingszahlen im Dezember auf einem für den Spätherbst und Winter typischen niedrigeren Niveau. Die Entwicklung der Asylanträge in den vergangenen Wochen war dabei widersprüchlich.

1.310 Schutzersuchen von indischen Staatsbürgern

Dem STANDARD liegt eine vorläufige Statistik des Innenministeriums vor, die bis zum 25. Dezember reicht. Ihr zufolge waren bis dahin im Dezember 5.711 Anträge gestellt worden, 1.310 von indischen Staatsbürgern: nach wie im Vergleich der Herkunftsländer die meisten. 1.152-mal ersuchten Menschen aus Afghanistan, 996-mal Syrerinnen und Syrer sowie 966-mal Marokkaner und Marokkanerinnen um Asyl.

Die Zahl von Anträgen indischer Staatsbürger war dabei jedoch am Sinken. In der Woche vom 18. bis 25. Dezember hatte sie im Vergleich zur Woche davor um 22,8 Prozent abgenommen – vielleicht ein Vorzeichen der zu diesem Zeitpunkt absehbaren Verschärfung. Tatsächlich wurde Inderinnen und Indern die visumsfreie Einreise nach Serbien erst ab 1. Jänner 2023 verunmöglicht.

Nur 72 Anträge von Menschen aus Tunesien

Fast keine Rolle mehr spielten im Dezember Asylanträge von Tunesierinnen und Tunesiern, die bis Mitte November ohne Einreisevorgaben nach Belgrad fliegen konnten. Zwischen 18. und 25. Dezember ersuchten genau 72 Personen aus diesem Land um Schutz.

Zum Vergleich: In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres waren in Österreich insgesamt 101.755 Asylanträge gestellt worden – eine Rekordzahl. Rund 30.000 davon kamen von tunesischen und indischen Staatsbürgern.

Die Versorgungsangebote für Asylsuchende nahmen diese jedoch nur wenig in Anspruch. Stattdessen reisten sie nach der Antragstellung offenbar rasch weiter. Das ist einer Statistik aus der Grundversorgung zu entnehmen. Im November 2022 fielen dort Inder und Tunesier zahlenmäßig nicht ins Gewicht.

Auch die meisten Afghanen reisten weiter

Dafür befanden sich im November fast 17.000 Syrerinnen und Syrer in Betreuung des Bundes oder der Länder. Am zweithäufigsten wurden Afghanen und Afghaninnen (rund 5.500 Personen) versorgt; allesamt Menschen mit meist hoher Wahrscheinlichkeit, in Österreich Asyl, subsidiären Schutz oder Bleiberecht zu erhalten.

Wobei: Laut einer detaillierten Asylstatistik blieben 2022 auch die allermeisten Afghanen nicht in Österreich. Fast 23.000 Anträgen bis Ende November standen 15.000 Verfahrenseinstellungen gegenüber, meist wegen Unauffindbarkeit. (Irene Brickner, 10.1.2023)