Je länger Schneekanonen laufen, desto mehr Strom wird gebraucht. Die meisten Emissionen im Wintertourismus entstehen aber an anderer Stelle: bei der An- und Abreise.

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Schmale weiße Bänder inmitten grüner Berglandschaften: Diese Bilder fachen die Kritik am Skitourismus zuletzt wieder an. Der Seilbahnen-Chef und ÖVP-Tourismussprecher Franz Hörl hat genug davon: Allzu oft stehe der Wintertourismus in Österreich in der Kritik – zu Unrecht, wie er findet. Schließlich würden Seilbahnen sehr viel weniger CO2 ausstoßen als etwa Flugreisen oder Kreuzfahrten. Für diese fordert Hörl jetzt Sondersteuern oder ein Werbeverbot. Seine Aussagen im Faktencheck.

Wie viel CO2 verursacht der Skibetrieb?

Stefan Gössling von der Linné-Universität in Schweden, der zu den Auswirkungen des Tourismus auf das Klima forscht, zitiert einen Bericht, welche die Energiebilanz für einen Skitag in Finnland auf 20 Kilowattstunden pro Person und Tag beziffert. Darin sind der Strom für die Beschneiung, die Lifte und die Beleuchtung inkludiert. Zieht man den österreichischen Strommix heran, kommt man auf vier Kilogramm CO2 pro Person und Tag, rechnet Gössling.

Die Zahlen stammen von der Industrie selbst, Gössling hält sie allerdings für durchaus plausibel. Laut Zahlen des österreichischen Umweltbundesamts verbrauchen sämtliche Seilbahnen in Lande 953 Gigawattstunden, dazu kommen laut einer Schätzung des Seilbahnverbunds rund 250 Gigawattstunden für die Beschneiungsanlagen. Dividiert durch die vom Alpenverein geschätzten 55 Millionen "Skier Days", kommt man auf rund 22 Kilowattstunden pro Skitag – was sich beinahe mit den Zahlen aus Finnland deckt.

Das ist im Vergleich zu den restlichen Emissionen, die bei einem Skiurlaub anfallen, wenig. So verursacht allein ein Burger auf der Hütte schon zwei Kilogramm CO2. Auch bei der Beheizung des Appartements kommt man mit 20 Kilowattstunden nicht weit. Im Vergleich zu einer Flugreise ist die CO2-Bilanz ebenfalls niedrig.

"Grundsätzlich bringt der Vergleich mit der Flugreise wenig", sagt Robert Steiger, der an der Universität Innsbruck zur nachhaltigen Tourismusentwicklung forscht. "Wir müssen mit unseren Emissionen runter. Auch im heimischen Tourismus." Das heißt vor allem: Der Strombedarf des Skibetriebs sowie der Beherbergung muss mit erneuerbaren Energien gedeckt werden.

... und wenn die Piste mit Kunstschnee präpariert wird?

Hörl kritisiert, dass Schneekanonen häufig als Energiefresser dargestellt werden. Tatsächlich sind die Schneemacher ganz schön energieintensiv. So braucht es laut dem österreichischen Seilbahnverband für einen Hektar Piste 15.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr für die Beschneiung. "Hochgerechnet auf Österreich ergibt das rund 250 Gigawattstunden", so Steiger. Andere Quellen sprechen von einem noch viel höheren Verbrauch, ergänzt er.

Wie viele Schneekanonen es in Österreich genau gibt, ist nicht bekannt. Schätzungen liegen bei über 30.000 Stück. Wie klimaverträglich sie sind, hängt daher einerseits davon ab, wie der Strom hergestellt wird – und andererseits davon, wie lange die Kanonen laufen. In immer mehr Gebieten wird der Kunstschnee bald nicht mehr rentabel sein. "Bis 2050 werden wohl 20 Prozent der Skigebiete in Österreich nicht mehr beschneibar sein", so Steiger.

Geschätzt 30.000 Schneekanonen gibt es in Österreich.
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Hörl nennt die An- und Abreise der Gäste die "einzige Schwachstelle" seiner Branche. Wie sehen die Zahlen dazu aus?

Eine Studie des Umweltbundesamts von 2018 gibt Hörl recht: Rund die Hälfte der Emissionen für einen Skiurlaub in Österreich entstehen bei der An- und Abreise, 32 Prozent bei der Beherbergung und nur 18 Prozent beim Skibetrieb selbst.

Noch drastischer ist das Verhältnis bei Reisenden aus dem Ausland, wie eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt. Insgesamt entfallen 94 Prozent der Emissionen im österreichischen Tourismus auf den Transport. Je weiter die Urlaubenden anreisen, desto größer ist der verkehrsbedingte Fußabdruck: So verursacht eine aus China anreisende Person rund 6,7 Tonnen CO2, Urlaubende aus Tschechien hingegen nur 70 Kilogramm – also fast 100-mal weniger. Die Zahlen beziehen sich allerdings auf den Tourismus allgemein, nicht nur auf den Skiurlaub.

Im globalen Schnitt ist der Tourismussektor wegen der hohen Transportemissionen energie- und CO2-intensiver als die anderen Branchen. "Österreich ist hier eine Ausnahme", sagt Gössling. Wegen der zentralen Lage in Europa zieht Österreich auch viele Touristinnen und Touristen aus nahegelegenen Staaten an, die wenig Emissionen verursachen.

Je länger Urlaubende an einem Ort verweilen, desto geringer sei die Klimabelastung. "In Österreich gibt es allerdings die fatale Tendenz, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer immer weiter sinkt", sagt Gössling. Vor allem aus Übersee stammende Reisende würden weniger Zeit in Österreich verbringen, da diese ihre Reisezeit auf mehrere europäische Länder aufteilen – und dabei auch weniger Geld in Österreich lassen würden. Trotzdem würden Tourismusverbände auch in fernen Ländern um Österreich-Urlauber buhlen. "Das ist Werbung für eine sehr unprofitable Zielgruppe", sagt Gössling.

Wie kann der Wintertourismus nachhaltiger werden?

Der Skiurlaub sei eine sehr energieintensive Art des Tourismus, so Gössling. "Wenn die Energie aus nachhaltigen Quellen kommt, steht der Skitourismus aber grundsätzlich gut da." Aber: Jede Kilowattstunde Grünstrom fehle woanders. Daher gelte es, Prioritäten zu setzen – insbesondere weil die Skiwirtschaft wegen der steigenden Temperaturen immer mehr Energie benötigt, um Schnee zu produzieren. Entscheidend ist zudem die An- und Abreise. "Hier liegt der größte Hebel", so Steiger. "Die Zugreise in den Winterurlaub muss einfacher werden." (Alicia Prager, Philip Pramer, 10.1.2022)