In Lützerath werden sich in den kommenden Tagen noch mehr Polizeikräfte sowie Aktivistinnen und Aktivisten gegenüberstehen.

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Vor Dirk Weinspach liegen schwierige Tage. Der 63-Jährige ist einerseits Mitglied bei den deutschen Grünen, andererseits steht er der Polizei Aachen vor. Und diese ist zuständig für die Räumung des Braunkohledorfs Lützerath in Nordrhein-Westfalen.

Regulär wohnt dort, am Rande des Tagebaugebiets, niemand mehr. Aber es haben sich Klimaaktivistinnen und -aktivisten in dem kleinen Ort verschanzt. Sie protestieren gegen die Räumung und den danach geplanten Abriss des Dorfes. Der Energieversorger RWE will unter Lützerath Kohle baggern.

"Die Polizei Aachen steht vor einem schwierigen, herausfordernden Einsatz mit erheblichem Risiko", sagte Weinspach am Montag. Am Dienstag soll es für die Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Dörfer noch eine Informationsveranstaltung geben, ab Mittwoch ist die Räumung vorgesehen.

Die Polizei will mit einem massiven Aufgebot vorgehen, Einsatzkräfte aus fast ganz Deutschland wurden angefordert. Die Schwierigkeit in den landwirtschaftlichen Bauten des Dorfes beschreibt Einsatzleiter Willi Sauer so: "Wir wissen nicht, ob irgendwelche Fallen aufgebaut sind."

Spaziergang am Sonntag

Am Sonntag hatten sich tausende Demonstrantinnen und Demonstranten zu einem "Spaziergang" aufgemacht. Dieser verlief zunächst ruhig, später aber wurden jedoch Einsatzkräfte mit Steinen angegriffen.

Friedliche Demonstrationen würde man "sehr begrüßen", versicherte Sauer. Diese seien "Ausdruck lebendiger Demokratie". Er kündigte auch "Zurückhaltung bis zum äußerst Machbaren" an. Allerdings werde die Polizei ihrem "gesetzlichen Auftrag" nachkommen. Der sei Maßstab, man sei nicht "Büttel von RWE".

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), meint: "Die meisten, die da demonstrieren, sind vernünftige Menschen, die ein echtes Anliegen haben." Nur eine kleine Minderheit setze auf radikale Maßnahmen, um die Abbaggerung zu verhindern.

Doch auch die Aktivisten sind entschlossen. Sie haben angekündigt, Lützerath noch sechs Wochen zu halten. "Wer denkt, mit Zäunen und einem Großaufgebot der Polizei den Protest gegen den Kohletagebau unterbinden zu können, hat die Klimagerechtigkeitsbewegung massiv unterschätzt", sagt Charly Dietz, Sprecherin von Ende Gelände.

Grüne in der Kritik

Am Pranger stehen bei vielen Aktivistinnen und Aktivisten auch die Grünen. Diese sitzen seit 2022 mit der CDU in der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und haben mit RWE den Deal ausgehandelt: Der Energieriese darf Lützerath abbaggern, dafür wird der Kohleausstieg im Rheinischen Revier von 2038 auf 2030 vorverlegt.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger, die früher Sprecherin des Bündnisses Ende Gelände war, befürchtet, dass es bei der Räumung Verletzte geben könnte. Sie hofft, "dass der Kohlekonzern RWE, der für dies alles verantwortlich ist, noch ein Einsehen hat, sich noch einmal an den Tisch begibt, dass wir noch einmal miteinander reden".

Doch an der Rechtmäßigkeit der Räumung lassen die Landesgrünen in Nordrhein-Westfalen keinen Zweifel. Deren Chef, Tim Achtermeyer, sagt: "RWE hat das ausgeurteilte Recht, die Kohle unter Lützerath zu nutzen, und in einem Rechtsstaat müssen wir das akzeptieren. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.1.2023)